zum Hauptinhalt
Das Kopftuch bei Lehrerinnen ist seit Jahren Streitobjekt zischen der SPD und den Grünen.

© Bernd Thissen/dpa

Update

Gelöschter Tweet zu Grünen-Kandidatin Jarasch: Warum Berlins Bildungsverwaltung Wahlkampf-Äußerungen nicht kommentieren darf

Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch kritisierte die SPD-Bildunsgverwaltung. Diese wehrte sich in einem Tweet, den sie später löschte.

Zumindest im Bildungsbereich scheint der Wahlkampf bereits begonnen zu haben. Während sich die rot-rot-grünen Schulexpertinnen noch bis vor kurzem auffällig um Rücksicht bemühten, gibt es kein Halten mehr, seitdem die frisch gekürte Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch, ihre ersten Interviews in ihrer neuen Funktion gegeben hat.

Unverblümt hatte sie die SPD-Schulpolitik angegriffen und erntete dafür sofort eine massive Gegenwehr. Am Ende eines streitbaren Wochenendes löschte die Senatsverwaltung für Bildung bei Twitter und Facebook Äußerungen, weil sie im Eifer zu weit gegangen war.

Denn verletzt wurden offenbar nicht nur die Handlungsempfehlungen für die Social-Media-Kommunikation der Berliner Verwaltung, nach denen parteipolitische Stellungnahmen über die Verwaltungsaccounts nicht erwünscht sind.

Vielmehr zitierte der Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Universität Göttingen, Hans Michael Heinig, via Twitter das Bundesverfassungsgericht, wonach das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit verletzt werde, „wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zu Lasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken“. Heinig ist zurzeit Fellow am Wissenschaftskolleg.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Auslöser für den Streit waren Jaraschs Äußerungen im Tagesspiegel und der „Berliner Morgenpost“. Dem Tagesspiegel hatte die grüne Spitzenkandidatin gesagt, die Bildungsverwaltung habe „in den letzten Jahren drei Riesenthemen verschlafen: den Mangel an Schulplätzen, an Lehrkräften und die Digitalisierung, was uns jetzt massiv auf die Füße fällt“.

Die Bildungsverwaltung wehrt sich

Im selben Zusammenhang hatte sie empfohlen, mit Hilfe von multiprofessionellen Teams den Lehrermangel zu mildern. Das aber kam bei der Bildungsverwaltung nicht gut an: „Multiprofessionelle Teams sind in Berlin möglich und bereits im Einsatz“, postete das Social-Media-Team am Sonntag, wobei es Jarasch namentlich nannte.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Gleichzeitig reagierte das Team auch auf Jaraschs Äußerung in der „Morgenpost“ zu der Frage, ob muslimische Lehramtsanwärterinnen in Berlin Kopftuch tragen dürften: „Wir haben jetzt eine höchstrichterliche Entscheidung. Unser Neutralitätsgesetz ist nicht verfassungskonform“, hatte Jarasch sich zitieren lassen.

Der Streit: Die Frage um die Verfassungsmäßigkeit des Kopftuchs für Lehrerinnen

Die Mitarbeiter von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) posteten daraufhin, „Frau Jarasch behauptet, das Bundesarbeitsgericht hätte das Berliner Neutralitätsgesetz für verfassungswidrig erklärt. Fakt: Das Bundesarbeitsgericht kann das Gesetz nicht für verfassungswidrig erklären und hat es auch nicht getan“.

Ein Sprecher der Bildungsverwaltung sagte dem Tagesspiegel dazu, dass, wenn das Neutralitätsgesetz nicht verfassungskonform wäre, das Bundesarbeitsgericht das Neutralitätsgesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung hätte vorgelegen müssen. Das sei aber nicht geschehen.

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Die Verwaltung steht also inhaltlich zu ihren Äußerungen auf Social Media, revidiert aber die Form. Bei Facebook klang das dann so: „Gestern haben wir Äußerungen einer Politikerin zu Themen der SenBJF (Senatsverwaltung für Bildung, Anm. der Red.) kommentiert. Es ging uns um eine Klarstellung in Bezug auf die Arbeit des Hauses. Da aber teilweise der Eindruck entstand, wir würden uns in eine parteipolitische Debatte begeben, haben wir den Post gelöscht.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Hizarci attestiert der Bildungsverwaltung "fehlendes Problembewusstsein"

Kritik an den Äußerungen der Verwaltung kam auch von Dervis Hizarci, der vor einem Monat sein Amt als Antidiskriminierungsbeauftragter der Bildungsverwaltung aufgegeben hatte. Dem Tagesspiegel sagte er:

"Hier werden nicht nur einige Probleme der Verwaltung offensichtlich, sondern es offenbart sich auch fehlendes Problembewusstsein". Wenn Schulleitungen und Lehrkräfte „besorgt” seien über kopftuchtragende Lehrerinnen, dann müsse man ihnen "die Sorgen nehmen, aber nicht den Frauen die Kopftücher".

Hizarci, der gerade den Grünen beigetreten ist, erinnerte daran, dass ihn in seiner Zeit als Antidiskriminierungsbeauftragter "viele Menschen kontaktiert haben, die auf Grund ihrer Religion diskriminiert wurden". Ob man sich heute mit solchen Problemen an die Senatsverwaltung für Bildung wenden würde, wisse er nicht. Mit der aktuellen Kommunikation der Bildungsverwaltung finde eine weitere Verschärfung statt. Die Verwaltung müsse "offen und ansprechbar" bleiben:

"Wir brauchen dringend einen respektvolleren Umgang mit religiöser Vielfalt", appellierte Hizarci, der inzwischen als Programmdirektor der Alfred Landecker Stiftung arbeitet. Er hatte seine Haltung zur Kopftuchfrage jüngst im Tagesspiegel dargelegt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false