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Ein Gericht muss urteilen, ob Objekte permanent eingezogen werden könne. Bei zwei Immobilien in Berlin ist das inzwischen der Fall.

© imago/Olaf Wagner

Gekauft mit schmutzigem Geld: Berlin kann Clan-Häuser für soziale Zwecke nutzen

Immobilien, die mit Geld aus Verbrechen gekauft und vom Staat eingezogen wurden, könnten bald Jugendzentren sein. Ein neues Gesetz erlaubt das.

In Italien ist es bereits üblich. Der Staat verkauft eingezogene Immobilien der Mafia nicht, sondern überlässt sie gemeinwohlorientieten Projekten. Genauso will Berlin jetzt mit Häusern verfahren, die von Clankriminellen mit den Erlösen aus illegalen Geschäften und schweren Straftaten erworben worden sein sollen – und vom Staat eingezogen wurden.

Immerhin 77 Immobilien im Gesamtwert von mehr als neun Millionen Euro sind 2018 in Berlin beschlagnahmt worden. Möglich wurde das durch eine Novelle des Strafrechts im Jahr zuvor. Im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität und Terrorismus kann seit 2017 Vermögen eingezogen oder beschlagnahmt werden, wenn das Geld, mit dem sie gekauft wurden, vermutlich aus schweren Straftaten kommt.

Dabei ist es wichtig zwischen "beschlagnahmt" und "eingezogen" zu unterscheiden. Werden Häuser beschlagnahmt, gehören sie nicht automatisch dem Staat: Ein Gericht urteilt, ob die Objekte permanent eingezogen werden könne.

Zwei Immobilien sind vom Staat inzwischen komplett eingezogen worden, sie gehören jetzt ihm. Das Kammergericht hat das im September bestätigt. Darunter eine Villa in Alt-Buckow in Neukölln.

Das denkmalgeschützte Anwesen hat für den Clan besonderen Symbolwert. Jetzt gehört das Anwesend dem Land Berlin, verwaltet wird es vom Bezirksamt Neukölln. Mitglieder des Clans wohnen dort, das Bezirksamt prüft noch, ob die Mietverträge wirksam sind. Wie es weitergeht, ist völlig unklar. Neuköllns Bezirksstadtrat Falko Liecke (CDU) hat bereits eine Idee: In die Villa könnte ein Jugendzentrum einziehen.

Der Vorschlag ist nicht fern jeder Realität. Die Voraussetzungen sind seit vergangener Woche in Kraft. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hat eine Änderung der Strafvollstreckungsordnung erlassen. Das Land kann eingezogene Immobilien künftig für das Gemeinwohl nutzen, oder selbst behalten und muss sie nicht mehr versteigern. Zumal Clans Häuser auch bei Versteigerungen erworben hatten.

Ein Clan vertrieb Pächter aus einer Kleingartenanlage

„Wer seine Immobilien aus Straftaten wie Geldwäsche finanziert, schadet dem Gemeinwohl massiv“, sagt Behrendt „Deshalb ermöglicht es Berlin künftig, eingezogene Immobilien direkt für soziale Zwecke zu nutzen.“ Behrendt setzt damit einen Beschluss des Abgeordnetenhauses um.

Sebastian Schlüsselburg, Rechtsexperte der Linksfraktion, sieht Berlin damit erneut als Vorreiter – wie bei der Beschlagnahme der Immobilien. Die Devise „Wir holen die Stadt zurück“ komme jetzt auch beim Kampf gegen Geldwäsche und organisierte Kriminalität zum Tragen.

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Für ihn geht es weniger um die Clan-Villa, sondern etwa um eine Kleingartenanlage in Treptow. Die Pächter waren beim Verkauf vom Clan überboten worden und mussten die Anlage verlassen. Jetzt bestünde Platz, um für gemeinnützige Zwecke freie Flächen zu nutzen, sagt Schlüsselburg.

Mietshäuser des Remmo-Clans beschlagnahmt

Hinzu kommen Mietshäuser, die vom Remmo-Clan gekauft und dann beschlagnahmt worden waren. 2019 wurden die Mieteinnahmen von 45 der Immobilien konfisziert. Es gehe darum, die Mieter vor dem Renditedruck zu schützen, sagt der Linke-Politiker. Mit diesem Vorgehen werde „ein starkes rechtsstaatliches Signal“ gesetzt: „Verbrechen lohnt sich nicht.“

Teil dieses Pakets der Koalition ist ein Antrag im Bundesrat für ein zentrales bundesweites Immobilienregister. Es soll Verschleierungen der Eigentumsverhältnisse und Immobiliengeldwäsche bekämpfen helfen.

„Deutschland macht es Geldwäschern immer noch zu leicht, Vermögen zu verschieben und zu verschleiern, gerade auf dem Immobilienmarkt. Deshalb brauchen wir hier dringend mehr Transparenz“, sagt Behrendt.

„Es hilft nicht zu wissen, dass irgendeiner Briefkastenfirma am anderen Ende der Welt 25 Wohnungen in Berlin gehören. Wir müssen wissen, wer die Personen sind, die hinter dieser Briefkastenfirma stecken.“

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Ein Risiko gibt es noch. Das Bundesverfassungsgerichts befasst sich mit der Frage, ob Immobilien einfach bei Verdacht auf Geldwäsche eingezogen werden können, obwohl eine Straftat nicht belegt ist. Die Remmos legten in Karlsruhe Beschwerde ein.

Außerdem soll geprüft werden, ob die Gesetzesänderung von 2017 verfassungswidrig ist. Das zumindest glauben Kritiker, weil es zur Umkehr der Beweislast kommt, die eigentlich beim Staat liegt, und zu der Wiedereinführung der Vermögenstrafe.

Das Bezirksamt Neukölln muss sich vorerst aber um die Clan-Villa und seine Bewohner kümmern. Es gab Heizungsprobleme, der Bezirk schickt nun den Klempner vorbei.

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