zum Hauptinhalt
Potsdamer Platz Arkaden im Kellergeschoss: Die meisten Geschäfte sind schon leer. Doch auch während des Umbaus sollen einige Geschäfte - etwa Supermärkte für die Nahversorgung der Anwohner - geöffnet bleiben.

© Mike Wolff

Geister-Einkaufszentrum: Potsdamer Platz Arkaden stehen vor Komplett-Umbau

Der Besuch im Shoppingcenter am Potsdamer Platz ist kein großes Vergnügen mehr: Fast alle Geschäfte sind zu. Der Betreiber arbeitet an einem Neustart.

Berlins Spatzen, diese neugierigen Schlingel, pfeifen es von allen Dächern, und jene, die direkt unter dem gläsernen Zelt der Potsdamer Platz Arkaden ihren Unwillen heraustschilpen, sind hörbar sauer auf das, was ihnen bevorsteht: Krach und Staub, leere Fensterhöhlen, weder Brotkrümel noch Eiswaffeln. Und wenig Publikum. Die Potsdamer Platz Arkaden, das fast zwanzig Jahre alte Shopping-Center inmitten des wieder aufgebauten historischen Platzes, schließt ab Ende des Monats, weil sich der kanadische Besitzer des Ensembles etwas ganz Neues vorstellt.

[Lesen Sie mehr aus den Shoppingmeilen der Stadt: C&A schließt 2020 offenbar in der Wilmersdorfer Straße - und was ist mit der Filiale in Berlins größter Fußgängerzone? Hier die Nachricht im Spandau-Newsletter. Alle Bezirksnewsletter vom Tagesspiegel kostenlos und in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de]

Zwei Jahre soll der komplette Umbau des Konsum-Raumschiffs, das da im kalten Herbst 1998 zwischen den neuen Häusern des Platzes gelandet war, dauern. Mehr als 20 Jahre lang hatten die Arkaden ihr Publikum, doch zuletzt war nur noch das vorzügliche italienische Eiscafé „Caffè e Gelato“ besonders gut besucht.

Zwanzig Jahre vergehen schnell, manchmal zu schnell, noch dazu im Handel, wo ständig neue Verlockungen Einlass begehren und das Alte allzu schnell alltäglich wirkt. Wie soll denn nun das Neue in den Arkaden werden?

Zwei Jahre sind für den Komplett-Umbau geplant, bis dahin müssen wir uns mit blumigen Zukunftsvisionen begnügen: Bunte Bilder zeigen in der Halle im Parterre Figurinen mit Sitzecken und viel Grün, der Neugierige, gespannt, was sich in den nächsten zwei Jahren tut, liest: „90 Shops aus sechs Themenwelten, von Technologie über Sport, Fashion, Lifestyle bis hin zu Entertainment, werden den Besuchern eine einmalige Auswahl an Produkten und zahlreichen neuen Konzepten bieten.“

Der Innenraum wird als Marktplatz gestaltet

Eine eindrucksvolle Architektur mit doppel- und dreistöckigen Fassaden erlaubt schon von außen Einblick in die neue „Shoppingwelt“. Das Herzstück soll kulinarisch sein: „Eine Markthalle mit nachhaltigen Produkten aus der Region und aller Welt, modernen internationalen Restaurantkonzepten sowie lokalen Anbietern...bietet eine vielseitige Abwechslung und puren Genuss für Besucher und Anwohner gleichermaßen.“

Das bedeutet erst einmal, dass ein Supermarkt im Kellergeschoss für die Anwohner rund um die Arkaden während der Bauzeit geöffnet bleibt, ebenso wie ein Reisebüro, eine Drogerie und die Apotheke. Zigarren und Whisky mit Cohibas und Montecristos – das Stück zu 45 Euro – zählen nicht zu Waren des täglichen Bedarfs und müssen gehen, ebenso Christ mit seinen Glitzersteinen oder das Bremer Teehandelskontor, das seinen Admiralstee künftig in der Steglitzer Schlossstraße verkauft, während die Eis-Freunde ihren Italiener am Nollendorfplatz wiederfinden.

Das erste Obergeschoss in den Potsdamer Platz Arkaden: Die Galerie wird abgerissen, der Rundgang nicht mehr möglich.
Das erste Obergeschoss in den Potsdamer Platz Arkaden: Die Galerie wird abgerissen, der Rundgang nicht mehr möglich.

© Mike Wolff

Nur Douglas ist skeptisch, wenn es um die Wiedereröffnung in zwei Jahren geht. „Wir sind 24/7 wieder für Sie da“, steht an der Schaufensterscheibe. Der BER lässt grüßen, man kann ja nie wissen. Aber: „Vielen Dank für Ihr Vertrauen.“

Es war eine schöne Zeit, sagt jeder, der hier seine Arbeit hatte. „Aber die Zeit fließt immer schneller“, sagt Burkhard Kieker, der Chef von Visit Berlin, „wie ein reißender Bach.“ Was vor zwanzig Jahren gut und neu war, ist es heute lange nicht mehr.

Potsdamer Platz: Einst ein verlassener und geheimnisvoller Ort

Auch Gewohnheiten ändern sich, sind der Mode unterworfen. Und: Die Konkurrenz schläft nicht. Die „Mall of Berlin“, gleich um die Ecke, saugt die Touristen förmlich ein, wenn sie vom Brandenburger Tor über das Hitler-Bunker-Gelände zum Potsdamer Platz laufen, und nachdem sie über den Leipziger Platz gebummelt sind, ist ihr Geld in den Kassen der Restaurants und Geschäfte ringsherum verbraucht.

Der einst so lebendige, zum Mythos gewordene Potsdamer Platz war ja nach dem Krieg bis zur Öffnung der Mauer ein verlassener, geheimnisvoller Ort. Erst als er von Daimler, Edzard Reuter, Sony und viel Geld aus der Asche zu neuem Leben kam, war das Interesse groß. „Ganz Berlin im Sog des neuen Viertels“, titelte der Tagesspiegel damals, „Hunderttausende erobern den Platz – Straßen, Busse und Bahnen sind dem Ansturm nicht gewachsen.“

Potsdamer Platz Arkaden - Blick von der Galerie auf die Erdgeschossebene. Die meisten Geschäfte sind geräumt.
Potsdamer Platz Arkaden - Blick von der Galerie auf die Erdgeschossebene. Die meisten Geschäfte sind geräumt.

© Mike Wolff

Nicht einmal der damalige Bundespräsident Roman Herzog. Der Autor, der sich hier gerade erinnert, wurde in seinem Gefolge von der Masse Mensch in den Eingang geschoben und stand plötzlich im Textilgeschäft von Hans Rudolf Wöhrl aus Nürnberg. Ihn wollte Landsmann Roman Herzog besuchen. Der Präsident war ebenso schnell drin wie wieder draußen, die Menschen können – in der Masse – manchmal furchtbar sein. Wöhrl stand etwas bedeppert da, als die Woge Roman Herzog einfach aus dem Laden gespült hatte. Herr Wöhrl wollte seinem Landsmann eine Krawatte schenken, aber am Ende gab er sie dem Journalisten: „Als Andenken an diesen historischen 2. Oktober 1998.“

Alles ist Geschichte. Wöhrl ist längst wieder aus seinen drei Etagen ausgezogen, Hugendubel ist verschwunden, auch die Theaterkasse und der größte Teil der 130 Läden und Gaststätten. Künftig soll es nur noch 90 geben. Wir werden sehen, wohin die Reise im Laufe der nächsten zwei Jahre und danach geht.

Eine "radikale Kur" ist manchmal nötig

Gibt es einen Trend bei der aktuellen Gestaltung von Einkaufszentren? Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer im Handelsverband Berlin-Brandenburg, sagt, Handel und Wandel gehörten schon immer zusammen, irgendwann ist stets immer auch der Handel im Wandel. So eine radikale Kur wie bei den Potsdamer Platz Arkaden sei manchmal nötig, so ein großes Schiff müsse alle zehn Jahre ins Trockendock. Im Moment fahre man eher die Verkaufsfläche herunter und die Gastronomie hoch, außerdem seien Büroflächen in Berlin extrem nachgefragt. Jetzt sei die beste Zeit, Shoppingmeilen zu erneuern, außerdem sei und bleibe der Potsdamer Platz ein guter Standort.

In den Arkaden findet traditionell auch eine Kartenvorverkauf für die Berlinale statt. Das Foto stammt aus dem Jahr 2005. Auch in diesem Jahr sollen hier Karten verkauft werden.
In den Arkaden findet traditionell auch eine Kartenvorverkauf für die Berlinale statt. Das Foto stammt aus dem Jahr 2005. Auch in diesem Jahr sollen hier Karten verkauft werden.

© Kitty Kleist-Heinrich

In den Shopping Arkaden am S-Bahnhof Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg geht man einen anderen Weg. Statt die Radikalkur zu machen, findet alles ein wenig unauffällig statt. Geschäft für Geschäft wird saniert, bei laufendem Betrieb. Hier hat man von vornherein anders geplant: Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen. Die Läden sind kleinteilig – wie in einer Markthalle gibt es die unterschiedlichsten Dinge unter einem großen Dach.

Die Atmosphäre wird hier durch Vielfalt herbeigezaubert, und wenn dazu am Eingang des Einkaufszentrums der Leierkastenmann spielt, die Straßenbahn dazwischenquietscht, die Männer ihren Nachwuchs im Kinderwagen vorbeischieben, während die S-Bahn über den Magistratsschirm rattert – dann hat jeder Passant eine sehr geballte Ladung Berliner Luft und mitten in der Schönhauser Allee: die Atmosphäre vom ollen Prenzlauer Berg.

Zur Startseite