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Warteraum der Kfz-Zulassungsbehörde am Standort Kreuzberg in der Jüterboger Straße.

© Kai-Uwe Heinrich TSP

Exklusiv

Geisel schreibt Scheuer: Berlin beklagt fehlende Daten von Autoherstellern für Online-Zulassung

Die Online-Zulassung von Autos läuft in Berlin nicht an. Erst zwei Wagen wurden registriert. Jetzt schaltet Innensenator Geisel Verkehrsminister Scheuer ein.

Sein Auto online an- und ummelden, ganz ohne lästige Fahrten zur notorisch ausgebuchten Kfz-Zulassungsstelle. Das geht in Berlin seit dem 1. Oktober 2019 – zumindest theoretisch. Doch nur zwei Autos wurden bisher mithilfe des Online-Portals neu registriert, nur neun umgemeldet. Das sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres dem Tagesspiegel.

Verglichen mit den Zahlen der auf herkömmlichem Weg an- und umgemeldeten Autos heißt das: Nur 0,01 Prozent der neu angemeldeten Fahrzeuge sind seit Oktober online angemeldet worden, nur 0,03 Prozent der Ummeldungen erfolgte online. Erschreckend wenige also. Aber woran liegt das?

Während Nutzer über mangelnde Benutzerfreundlichkeit klagen, bat Berlin am Freitag den Bund um Hilfe: Nicht alle Autohersteller würden kooperieren, heißt es in einem Schreiben von Innensenator Andreas Geisel (SPD) an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), das dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Sie erfüllen damit eine gesetzliche Pflicht nicht.

Die geringe Anzahl erfolgreicher An- und Ummeldungen in Berlin sei zwar bekannt – und liege laut Senatsverwaltung auch an der geringen Bekanntheit der Online-Funktion –, es lasse sich aber nur schwer einschätzen, wie viele Berliner es erfolglos versuchen.

Einer von ihnen ist Hans-Alfred Caemmerer. Vor etwa zwei Wochen wollte er ein Auto von seiner Tochter auf sich ummelden. „Das Verfahren funktioniert nicht“, sagte er dem Tagesspiegel am Donnerstag. Dabei war es zunächst gut gelaufen. Auf dem Interface, das ihm gut gefallen habe, klickte sich der Rentner von Schritt zu Schritt. Erst auf der vorletzten Seite des Online-Formulars zeigte es eine Fehlermeldung: „EVB-Nummer kann keinem Fahrzeug zugeordnet werden.“

Die EVB-Nummer ist der elektronische Versicherungsnachweis für Autos. Caemmerer rief bei seiner Versicherung an, die ihm aber nicht helfen konnte. An der EVB-Nummer lag das Problem in Caemmerers Fall gar nicht, sagte die Senatsverwaltung für Inneres dem Tagesspiegel am Freitag. Vielmehr habe der Rentner seinen Namen nicht exakt so eingegeben, wie er auf seinem Personalausweis stand, sondern seinen Rufnamen: Hans.

Nutzer resignieren

Caemmerer sagt, er sei nicht darauf gekommen, dass der Fehler die Schreibung des Namens war. Verständlich: Schließlich hatte sich die Fehlermeldung auf seine Versicherungsnummer bezogen. Die Senatsverwaltung für Inneres sagte dem Tagesspiegel, man bedauere das und wolle jetzt einen entsprechenden Hinweis für die Nutzer einfügen.

Geärgert habe den Rentner zudem, dass er am vorletzten Schritt gescheitert sei. Denn bis dahin hatte er bereits einige Herausforderungen gemeistert: Zunächst kaufte er ein Lesegerät, denn nur NFC-fähige Handys können zur Identifizierung verwendet werden. Nicht alle Smartphones haben aber eine NFC-Funktion, auch Caemmerers nicht. Anschließend habe er die Personalausweis-Identifizierungs-App installiert und die Formulare ausgefüllt.

Ein Personalausweis mit Online-Funktion ist Voraussetzung zur Nutzung der Online-Zulassung. Aber noch nicht alle deutschen Bürger haben Personalausweise mit aktiver Online-Funktion. Die Senatsverwaltung sieht in der Online-Ausweisfunktion einen der Gründe für die geringe Nutzung in des Online-Kfz-Formulars: „Es bestehen Vorbehalte gegen die Nutzung des elektronischen Personalausweises“, sagte ein Sprecher. Außerdem: Wer noch keinen Ausweis mit Online-Funktion habe oder die PIN vergessen habe, könne die Online-Zulassung nicht nutzen. Das Bundesinnenministerium schätzte im Sommer, dass derzeit bei gut 25 Millionen Personalausweisen der nötige Chip aktiv sei.

Autohersteller kooperieren nicht

Es war aber ein ganz anderes Problem, das Berlins Innensenator Geisel jetzt dazu bewegt hat, den Bund um Hilfe zu bitten: Die Privatwirtschaft kooperiere nicht ausreichend. Und das, obwohl alle Autohersteller seit dem 1. Oktober dazu verpflichtet sind, Informationen über von ihnen hergestellte Autos in einer Datenbank zu hinterlegen. Die Datenbank führt das Kraftfahrt-Bundesamt, das wiederum Scheuers Verkehrsministerium untersteht.

Die Autohersteller müssen technische Daten von Autos übermitteln. Das Online-System zur An- und Ummeldung von Fahrzeugen braucht die Daten: Sind sie nicht hinterlegt, funktioniert die Online-Zulassung nicht. Doch „nur wenige Hersteller“ würden die Daten bisher übermitteln, Sanktionen gebe es nicht, schrieb Geisel am Freitag an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „Das ist für die Privatkunden und die Händler äußerst unbefriedigend.“ Jetzt bat Geisel Scheuer „dringend um Unterstützung.“ Der Bund solle gewährleisten, dass alle Autohersteller die Daten übermitteln.

Welche Unternehmen bisher keine oder nicht alle Daten übermitteln, geht aus dem Schreiben nur teilweise hervor. Dort heißt es etwa, die Berliner Verwaltung wolle auch selbst an Autohersteller – „vor allem BMW und andere“ – herantreten. Lobend werden VW, Ford, Daimler und Mazda erwähnt.

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Hintergrund der elektronischen Kfz-Zulassung ist das bundesweite Onlinezugangsgesetz. Es verpflichtet alle Verwaltungen – von Bund, Ländern und Kommunen – dazu, bis 2022 alle Leistungen online anzubieten. Die An- und Ummeldung von Fahrzeugen ist eine solche Verwaltungsleistung. Die elektronische Kfz-Zulassung heißt „i-Kfz“ und ist ein Projekt des Bundes-Verkehrsministeriums. Es ist Teil des Koalitionsvertrags. Berlin ist eine der ersten Städte, die „i-Kfz“ eingeführt haben.

Die politische Dimension der Probleme, die sich jetzt andeutet, interessiert Bürger indes nur am Rande. Für sie bleibt die Online-Kfz-Anmeldung oft vorerst nicht mehr als ein leeres Versprechen. Der Rentner Caemmerer jedenfalls gab seinen Versuch, die digitale Verwaltung auszuprobieren, schließlich auf. Er fuhr mit seinem Auto nach Kreuzberg. Dort meldete er es auf dem herkömmlichen Weg um. Den Termin hatte er drei Wochen zuvor gemacht – „sicherheitshalber“, wie er sagt.

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