zum Hauptinhalt
Zu Besuch. Mutter und Tochter aus Amerika schämen sich für Trump.

© Fatina Keilani

Gedenkstätte Berliner Mauer: Eingezwängt im Jemandsland

Vor 57 Jahren begann der Bau der Mauer. Ein Besuch an der Gedenkstätte Bernauer Straße, wo Berlin-Touristen sich über Ost und West Gedanken machen - und aktuelle Politik.

Von Fatina Keilani

Unten am Nordbahnhof, da, wo die Gedenkstätte beginnt, stellt sich recht schnell ein gewisses Ergriffenheitsgefühl ein. Hier stand sie, die Mauer, hier liefen die Grenzposten nonstop Patrouille, hier starben Menschen beim Versuch, in die Freiheit zu gelangen. Mittlerweile ist die Mauer länger weg, als sie stand. Am Montag jährt sich der Baubeginn zum 57. Mal.

Die Freiheit ist selbstverständlich geworden, wenn auch längst nicht überall auf der Welt. Das Wetter scheint auch viel zu schön, um traurig zu sein, es ist eher ein Staunen – wie war das möglich, die Einmauerung eines Staatsvolks? Touristen spazieren zu Hunderten über das Gelände, das trotz gepflegten Rasens den Eindruck eines Niemandslands erweckt, jedenfalls am südlichen Ende.

Am anderen Ende sieht das ganz anders aus, oben in Prenzlauer Berg wurden Neubauten auf das frühere Niemandsland gesetzt, es ist jetzt also Jemandsland, und einige der Jemande haben es sogar geschafft, den Weg der Grenzposten mit ihren Gärten zu unterbrechen. Ein jahrelanger Streit hat zu keiner Lösung geführt; die umzäunten Gärten der Anwohner mit Tischtennisplatte und Trampolin reichen über den Postenweg, so dass nur ein sandiger Trampelpfad drumherum führt, und auch das nur an manchen Tagen, wie ein Schild verkündet. Hier ist auch kein gepflegter Rasen wie unten, sondern Gestrüpp. Touristen meiden diesen Abschnitt, die Anwohner haben also ihre Ruhe wie gewünscht.

Durch den "Eisernen Vorhang" hindurchgehen

Man kann an der Gedenkstätte regelrecht sehen, dass Tatsachen in Form von Wohnhäusern geschaffen wurden, bevor sich ein Konzept fürs Gedenken entwickelt hatte. Die nördlichen Abschnitte bis zum Mauerpark sind informativ bebildert, aber zugebaut.

Der weite Raum der Gedenkstätte an ihrem südlichen Ende ist beeindruckend, die Mauer steht zum Teil noch und wird zum Teil als durchlässige Struktur aus Eisenstangen weitergeführt, man kann also durch den einstigen „Eisernen Vorhang“ einfach hindurchgehen. Die Mauer ist auf ihrer früheren Westseite skelettiert, ihr eisernes Inneres liegt frei, weil Mauerspechte sich Erinnerungsstücke aus dem Beton gemeißelt haben. Dafür ist nun die frühere Ostseite bemalt.

Christiane und Heiko Krabbe, Berlin-Touristen aus dem Münsterland, rätseln daher erst mal. „Aber das muss doch Osten gewesen sein“, sagt sie zu ihm, „und schau mal die Straßenlaternen auf dem Bild und hier“. Richtig, da drüben war Wedding. Verwirrend, dass irgendeiner die heutige Mauer auf der Ostseite bunt angemalt hat. Das Ehepaar Krabbe, beide in den Vierzigern, war noch nie in Berlin und will sich mal anschauen, was sonst nur im Fernsehen zu sehen ist.

Viel weiter weg als das Münsterland ist Amerika, und unter Trump ist es noch weiter weg – das finden auch Barbara und Emily Heitzman. Sie machen eine Tour durch Berlin, Prag und Wien; in Berlin sind sie zum ersten Mal. „Ich weiß noch genau, wie es war, als die Mauer fiel, es war ein historischer Moment“, erinnern sich beide. Die Tochter ist 37 und war damals noch ein Kind, doch sie habe die Größe des Augenblicks gespürt, sagt sie.

„Als Amerikanerin schäme ich mich, dass wir derzeit einen Präsidenten haben, dessen Politik es ist, Menschen draußenzuhalten“, sagt Mutter Barbara Heitzman. Natürlich sei das kein Vergleich zu den Schrecken der Deutschen Teilung, dennoch: „Bei uns passieren derzeit furchtbare Dinge, es werden Familien auseinandergerissen, kleine Kinder mit Papieren dürfen bleiben, aber ihre Eltern ohne Papiere werden abgeschoben.“ Auch der Mauerbau habe zum Auseinanderreißen von Familien geführt. Dann treten Mutter und Tochter leichtfüßig durch den eisernen Vorhang und sind weg.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false