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Der Ideenschmied. The Duc Ngo sagt von sich, er lerne ständig dazu. Und so erfindet er sich und seine Küchenkonzepte immer wieder neu.

© Ben Fuchs

Gastronomie an der Kantstraße: Der Kiez-King

The Duc Ngo, der Koch ohne Kochausbildung, ist einer der wichtigsten Gastronomen Berlins. Jetzt eröffnet er sein zehntes Restaurant, das „Funky Fish“.

Von Kai Röger

Kant-/Ecke Schlüterstraße. Alter Westen. Chinatown. Hier hat alles angefangen. Fast 20 Jahre ist es her, seit The Duc Ngo dort sein erstes Berliner Restaurant, das Kuchi, eröffnet und damit gleich so etwas wie den Prototyp einer modernen Sushi-Bar kreiert hat: cooler Sound, puristisches Design, kein Kitsch. Die Sushi-Kreationen waren neu, kross frittiert, und so gefüllt, wie das bis dahin nur in Kalifornien gemacht wurde. Der gerade mal 24-jährige Junggastronom landete damit seinen ersten Coup. Zwei Jahre später eröffnete er gleich daneben das „Next to Kuchi“. Es folgten weitere Projekte in Berlin und Frankfurt, aber die Ecke Kant-/Schlüterstraße sollte das Herz seines Unternehmens bleiben. Die ehemalige Schlüterapotheke neben dem Kuchi verwandelte er in das vietnamesisch-französische „Madame Ngo“, die verlassene Schlecker-Filiale schräg gegenüber in das extrem coole japanisch-peruanische „893 Ryotei“.

Und gleich daneben, im ehemaligen Kant Café, wird er in den nächsten Tagen das „Funky Fish“ aufmachen, ein spanisches Fischrestaurant mit japanischem Twist.

Im Mittelpunkt stehen Lieblingsgerichte des Gründers

„Jedes meiner Restaurants basiert auf einem Gericht, das ich gerne esse“, sagt The Duc Ngo. Im Kuchi ist das Sushi, im Madame Ngo die vietnamesische Suppe Pho. Das Funky Fish steht für Seafood à la plancha, einfach gegrillt, mit Olivenöl, Meersalz. Dazu Ceviche, Poke, vielleicht noch Bouillabaisse, aber „nichts Raffiniertes“, wie er sagt. Er plant einen hellen, offenen Ort mit hohem Durchlauf und vielen Plätzen auf der Terrasse – ein Gegenstück zum exklusiven 893 Ryotei, das sich hinter einer abgeranzten Drogerie-Fassade versteckt und wo er in schummrig beleuchtetem Design ausgefeilte Kreationen der Nikkei-Küche servieren lässt.

Für das Funky Fish arbeitete The Duc Ngo wie bei fast all seinen Restaurantprojekten mit der Designerin Hyunjung Kim zusammen. Ihre Idee war, dass der Raum das Thema vorgeben sollte. Die freigelegte Kassettendecke mit ihrem quadratischen Muster war der Ausgangspunkt für eine mosaikartige Formsprache: ein Labyrinth aus blauen und roten Neonröhren an der Decke, rechteckige Regalelemente aus eloxiertem Metall vor Wänden in erdigen Farben, die strenge Linienführung gebrochen von einem riesigen Graffiti aus sich überlagernden, grellbunten Fischschemen. Mondrian auf LSD. Eine Besonderheit wird der kleine Raum zur Kantstraße hin, in dem Fische und Meerestiere wie auf einer Bühne vor den Augen der Gäste und Passanten ausgenommen, zugeschnitten und portioniert werden. „Fish-Stage“ nennt The Duc Ngo die gläserne Zerlegebaustelle. Von hier aus will er auch seine anderen acht Restaurants in Berlin beliefern – und später direkt neben dem Funky Fish noch ein Café eröffnen. Der Arbeitstitel: „White Rabbit“, clean eating das Konzept – der Chef achtet inzwischen auf seine Gesundheit.

Die Fisch-Schaustelle. Wie das „Funky Fish“, aussehen wird, lässt sich trotz der Baustelle schon erkennen: Echtholzboden- und möbel, bunte Neonleuchten an der Decke. Vorn rechts ist der Bereich geplant, in dem künftig Fisch und Meerestiere vor den Augen der Gäste küchenfertig gemacht werden.
Die Fisch-Schaustelle. Wie das „Funky Fish“, aussehen wird, lässt sich trotz der Baustelle schon erkennen: Echtholzboden- und möbel, bunte Neonleuchten an der Decke. Vorn rechts ist der Bereich geplant, in dem künftig Fisch und Meerestiere vor den Augen der Gäste küchenfertig gemacht werden.

© Mike Wolff

Ein Job im Sushi-Restaurant erweckt seine Vorliebe für japanische Küche

Dass er heute zu den wichtigsten Gastronomen Berlins zählt, überrascht The Duc Ngo selbst. Er hat nie Koch gelernt oder eine gastronomische Ausbildung absolviert. 1974 in Hanoi als Sohn vietnamesisch-chinesischer Eltern geboren, musste die Familie wegen antichinesischer Repressionen Vietnam verlassen. Er war damals gerade fünf Jahre alt, der Vater starb, die Familie entschied sich trotzdem für die Flucht: Schleuser, Sammellager in Hongkong, schließlich Einreiseerlaubnis nach West-Berlin. Er wächst in Charlottenburg auf, besucht das Gymnasium. Aber es fällt ihm schwer, sich auf eine Sache zu konzentrieren: „Ich war in allem gut, aber in nichts einzigartig. Deshalb machte ich Zehnkampf. Aber irgendwann waren die deutschen Jungs alle einen Kopf größer als ich.“

Er fängt an zu kochen, lernt von der Familie. Nach der Schule beginnt er ein Studium der Japanologie, kellnert nebenbei, jobbt im „Sushi Berlin“ – und entwickelt eine Leidenschaft für die japanische Küche, die sein Leben verändern wird. Er beobachtet andere Köche, schaut sich deren Schneidetechniken ab, wird schließlich selbst Koch. Das hat ihn geprägt. Noch heute sucht er sein Personal – mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt er inzwischen – nicht nach Qualifikation, sondern nach Motivation aus. Wer bei ihm arbeitet, muss bereit sein, ständig dazuzulernen und sein Wissen weiterzugeben.

Mitte der 2000er Jahre eröffnet er das „Shiro i Shiro“ in Mitte, das schnell zum international beachteten In-Lokal wird. Die Stars gehen ein und aus, aber The Duc Ngo fängt an, sich zu verstellen, abgehoben zu kochen und gegen jede Wirtschaftlichkeit. Das Shiro i Shiro muss nach drei Jahren schießen, doch der Inhaber hat aus der Pleite gelernt. „Ich habe damals sehr gute Köche angestellt, von denen ich sehr viel lernen konnte.“ Es blieb sein bisher einziger Misserfolg.

Inspirationen aus aller Welt

The Duc Ngo reist viel, lässt sich von anderen Länderküchen inspirieren. Und entwickelt so seinen Stil: „Ich suche alte Rezepte, frage alte Leute nach traditionellen Rezepten. Die kann man nicht besser machen, ich versuche nur, sie in zeitgemäßem Geschmack neu zu präsentieren.“

Im Kuchi sind das etwa frittierte „Crunchy Rolls“ und extremes Sushi wie die „Green Caterpillar Roll“ mit Krebsfleisch, Mandarine, Avocado und Mayonnaise. Im 893 Ryotei sind es Sashimi-Taquitos aus geflämmten Fischfilets, die auf einem kleinen Taco serviert und mal durch Trüffel, mal durch Jalapeno einen besonderen Dreh erhalten. Im Madame Ngo verleiht er der typisch vietnamesischen Baguettespezialität Bánh mi durch Garnelen, Crème fraîche und Kopfsalat französisches Flair. Auch der Heimatküche seines aus China stammenden Vaters hat er im gehobenen Golden Phoenix seinen Stempel aufgedrückt: Die Peking Ente wird dekonstruiert als Salat ummantelte „Duck Wraps“ serviert. Wie viele Gerichte auf der Karte gehören auch sie zum Besten, was aktuell an asiatischer Freistilküche in Berlin geboten wird.

Der Ritterschlag kam in diesem Jahr, als er in dem TV-Duell „Kitchen Impossible“ gegen Tim Mälzer antreten durfte – als dritter Berliner Koch nach Tim Raue und Christian Lohse. Die Show hatte ihn gereizt, weil er da beweisen konnte, dass er alles gut, aber nichts einzigartig beherrscht. Gesendet wird das im Frühjahr 2018 auf Vox. Seine Zukunft sieht The Duc Ngo nicht im Fernsehen, weitere Anfragen hat er abgelehnt. „Ich will mich im Daily-TV nicht zum Clown machen.“

Funky Fish und 893 Ryotei: Kantstr. 135 /136; Kuchi, Next to Kuchi, Madame Ngo: Kantstr. 30, Charlottenburg. Golden Phoenix, Brandenburgische Str. 21, Wilmersdorf

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