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Umstritten. Die Einheitswippe vor dem Humboldt-Forum.

© dpa

Gastkommentar: Kultursenator Lederer und die „Vielschichtigkeit der Ereignisse von 1989“

Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung kritisiert den Kultursenator Klaus Lederer für dessen Opposition zum Einheitsdenkmal. Ein Gastkommentar

Ein Kommentar von Florian Mausbach

Berlins Kultursenator Lederer hält den Denkmalentwurf der Waagschale „Bürger in Bewegung“ auf dem Sockel des ehemaligen Nationaldenkmals auf der Schlossfreiheit für „eine unangemessene Antwort auf die Vielschichtigkeit der Ereignisse von 1989“. Mit dieser Erklärung bekräftigt der Politiker Der Linken mit der neuen Autorität eines Kultursenators die ablehnende Haltung seiner Partei, vormals PDS, vormals SED, die als Verliererin der Friedlichen Revolution sich von Anfang an gegen  ein Freiheits- und Einheitsdenkmal sowohl in Leipzig wie in Berlin gewandt hat

Die angebliche „Vielschichtigkeit der Ereignisse von 1989“  ist nur ein verschleiernder Ausdruck für die Schwierigkeit, die Die Linke verständlicherweise mit den „Ereignissen von 1989“ hat. Die „Ereignisse von 1989“ – was für ein nebulöser Begriff für den „Größten Anzunehmenden Glücksfall“ unserer Geschichte!

Über den Sturz ihres SED-Regimes  können sich Die Linke und Herr Lederer einfach nicht freuen. Stattdessen grübeln sie über die „Vielschichtigkeit“ der Gründe, die zum Sturz ihrer realsozialistischen Parteidiktatur geführt hat. Die DDR hat sich stets über die Kette von historischen Fortschritts-Revolutionen zu legitimieren versucht – die DDR als gesetzmäßiger Höhepunkt und Endziel deutscher Geschichte. 1989 aber ist die DDR selbst durch eine welthistorische Revolution hinweggefegt worden. „Vielschichtig“? Nein. Eindeutig!

"Sozialistisches Denken soll insgesamt diskreditiert werden"

Herr Lederer treibt die Sorge um, dass mit der Errichtung eines Denkmals für die Friedliche Revolution "die Auseinandersetzung über die DDR auch ausgeschlachtet wird, um sozialistisches Denken insgesamt zu diskreditieren". Nicht die Auseinandersetzung über die DDR ist es, die sozialistisches Denken diskreditiert, sondern die historische Erfahrung des „realen Sozialismus“ und die Verweigerung der Auseinandersetzung damit.

Dabei ist es gerade dieser Denkmal-Standort der Schlossfreiheit, der nicht nur an die Bedeutung der demokratischen Freiheits- und Einheitsbewegung der Deutschen erinnert - hier kam es 1848 zum Höhepunkt der liberalen Paulskirchen-Revolution, als der König vor den toten Revolutionären seinen Hut ziehen musste –, sondern auch an die Bedeutung der sozialistischen und sozialdemokratischen Arbeiterbewegung – im Marstall tagte 1918 der Arbeiter- und Soldatenrat und über die Schlossfreiheit zog der riesige Trauermarsch zum Gedenken an die Toten der Novemberrevolution.

Über die Schlossfreiheit vorbei am leeren Sockel des Nationaldenkmals wagte sich am 4. November 1989  der mächtige Zug der Demonstranten in das Machtzentrum der SED-Diktatur, mit dem ZK der SED in der Reichsbank, mit Staatsratsgebäude, Palast der Republik und Aufmarschplatz, bevor sich die Demonstranten zur größten Kundgebung der untergehenden DDR auf dem Alexanderplatz versammelten. Welcher Ort eignete sich besser, um an die Freiheits- und Einheitsbewegung der Deutschen zu erinnern  wie an die vielfältigen, auch sozialistischen Quellen unserer heutigen demokratischen Gesellschaft und sozialen Marktwirtschaft.

Es ist ein Ort, der dem viel zu erzählen hat, der an historischer Wahrheit interessiert ist. Der Sockel des wilhelminischen Nationaldenkmals erinnert – heute ohne den Kaiser hoch zu Ross und ohne französische Kriegstrophäen – an die erste deutsche Einheit, bewirkt durch Bismarck, den Friedrich Engels einen „Revolutionär von oben“ nannte. Künftig dient er der Würdigung der mutigen Bürgerbewegung  von 1989, die uns die Freiheit und Einheit von unten geschenkt hat.  

Es ist ein vielschichtiger Ort. Der Kultursenator aber verlangt „Vielschichtigkeit“  von dem Denkmal. Er müsste es besser wissen. Denkmäler sind einfache Zeichen. Sie erklären und erläutern nichts. Sie erinnern, wecken Achtung, Trauer oder Freude. So erinnert die Waagschale „Bürger in Bewegung“ mit ihrem freudigen und hoffnungsfrohen Schwung an das große Glück von 1989 und trägt ihren Schwung in die Zukunft.

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