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Handelseinig: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD, links) und Deutsche Wohnen Vorstand Michael Zahn.

© Christoph Soeder/dpa

Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen: Die Ängste vor einer Wohnungskrake sind unbegründet

Nach dem Scheitern des Mietendeckels sucht Michael Müller einen neuen Weg in der Wohnungspolitik. Die Megafusion kommt ihm gelegen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Schönball

Berlins größter privater Vermieter und Deutschlands größter Wohnungskonzern schließen sich zusammen. Zwei im Leitindex der deutschen Börse notierte Aktiengesellschaften werden eins. Die Vonovia hat den Aktionären der Deutschen Wohnen ein Angebot zur Übernahme gemacht – und anders als im Jahr 2015 trifft sie beim Rivalen auf Wohlwollen des Managements. Die Abwehrschlacht bleibt aus, die Fusion kommt.

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Und mit ihr kommen die Ängste: die der Mieter vor noch höheren Kosten für das Wohnen und die des Marktes vor diesem Riesen mit alles beherrschender Macht. Fast 160.000 Wohnungen in Berlin und knapp 500.000 in Deutschland wird der neue Gigant besitzen, das entspricht einem Wert von 80 Milliarden Euro.

Und die Konzernchefs erklärten am Dienstag einmütig, ihre Kräfte bündeln und weiter wachsen zu wollen. Droht da Ungemach – und weiterer Zulauf für den Volksentscheid zur Enteignung von Wohnungskonzernen?

Im Superwahljahr 2021, in dem über die Enteignungsinitiative, aber auch über die Rezepte der Parteien im Kampf gegen die Wohnungsnot entschieden wird, hat vor allem die SPD ihre Antwort auf diese Fragen gefunden.

Kooperation statt Konfrontation, nannte es der Regierende Bürgermeister Michael Müller bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit den Konzernchefs. Berlin und seine Mieter sollen profitieren von dem, was Vonovia-Chef Buch einen „Neuanfang“ nannte, nämlich von gedeckelten Mieten und einem Paket von 20 000 Wohnungen, die der Stadt zum Verkauf angeboten werden.

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Das ist ein geschickter Schachzug der Konzernlenker, um das Schreckgespenst der unbegrenzten Marktmacht eines unangenehmen Vermieters gar nicht erst aus der Gruft steigen zu lassen. Diesen Ruf hatte sich die Deutsche Wohnen erworben und wurde auch deshalb Ziel der Enteignungskampagne. Die nun angebotenen Immobilien sollen zwar überwiegenden in Großsiedlungen liegen. Auch endet die Begrenzung der Mieterhöhungen auf ein Prozent in wenigen Jahren. Doch die Vonovia hat in Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass sie langfristig auf Kooperation mit den Kommunen setzt – und ist das Image des „bad guy“ der Branche los.

Die Berliner SPD hat ihre Linie in der Wohnungspolitik gefunden

Die Gewinne sprudeln trotzdem. Außerdem wollen beide Konzerne verstärkt durch den Bau von Wohnungen wachsen. Für die Genehmigung der Vorhaben sind sie auf das Wohlwollen der Behörden angewiesen. Bauen ist auch für die SPD der Königsweg zur Bekämpfung der Wohnungsnot. Das ebnete den Boden für das „Berliner Paket“.

Müller fädelte den Deal mit den Konzernen nach dem Karlsruher Urteil gegen Berlins Mietendeckel am Runden Tisch ein. Sein Handeln ist von dem Wunsch getragen, die Niederlage in einen Sieg zu verwandeln. Ob die mehr als zwei Milliarden Euro für den Rückkauf der Wohnungen gut investiert sind, bleibt abzuwarten. Die städtischen Unternehmen, die sich dafür hoch verschulden müssen, sind ohnehin arg belastet durch die vielen politischen Auflagen, warnten Gutachter jüngst. Die neuen Wohnungen aus den Großsiedlungen sind zusätzliche Lasten.

Der Rückkauf der Wohnungen beschneidet andererseits die Marktmacht des neuen Konzerns in Berlin. Und den Rückkauf oder die Verstaatlichung von Wohnungen, wie sie Linke und Grüne fordern, würde ebenfalls Milliarden kosten. Ein größerer Anteil städtischer Wohnungen ist indes der beste Weg gegen steigende Mieten und für die Erhaltung der Berliner Mischung in den Quartieren. Zumal die günstigen städtischen Objekte in den Mietspiegel eingehen und so den Spielraum für Erhöhungen begrenzen.

Unbegründet sind daher Ängste, hier wachse eine Krake heran, die Berlins Wohnungsmarkt erdrücken könnte. Dafür ist der fusionierte Konzern zu klein. Dass die Mieten schneller als die Einkommen in Berlin wachsen, weil es an Wohnraum fehlt, bleibt dennoch eine politische Aufgabe.

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