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Die massenhafte Abfrage von Handydaten ist als verdeckter Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis umstritten.

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Funkzellen-Abfragen der Polizei: Online-Portal informiert Berliner, ob sie geortet wurden

Die umstrittene Funkzellen-Abfrage kam 2018 deutlich öfter bei Ermittlungen zum Einsatz. Bürger können sich nun nachschauen, ob ihr Handy erfasst wurde.

Das Handy als ultimativer Zeuge: Diese Ermittlungsmethode ist offensichtlich wirksam, aber auch heftig umstritten – und deshalb streng geregelt. Seit etwa zehn Jahren versucht die Kriminalpolizei mit sogenannten „Funkzellen-Abfragen“ mutmaßlichen Tätern auf die Spur zu kommen. Dabei lässt sich feststellen, welches Handy während eines bestimmten Zeitraumes im Bereich der Funkzelle eines Mobilfunkmastes automatisch angemeldet war oder sogar genutzt wurde.

Seit 2014 müssen Berlins Abgeordnetenhaus und der Senat jährlich über den Einsatz dieser Fahndungsmethode informiert werden. Nun ist es wieder soweit: Am Dienstag will Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Zahlen für 2018 nennen. Dem Tagesspiegel liegt die Statistik schon vor: Im vergangenen Jahr gab es berlinweit insgesamt 572 Abfragen.

Im Jahr zuvor waren es noch 146 Abfragen weniger (insgesamt 426) und 2016 wurden nur 432 entsprechende Verfahren durchgeführt. Demnach wird die Fahndung per Handydaten inzwischen deutlich öfter genutzt und von den Strafverfolgungsbehörden zuvor genehmigt.

Gemäß Bundesgesetz muss die Kripo seit 2015 entsprechende Maßnahmen gerichtlich beantragen. In Berlin wurde dies 2018 in keinem Fall verweigert. Zum Einsatz kommt das Verfahren nur bei schweren Delikten wie Mord und Totschlag, Brandstiftung, Vergewaltigung oder Raubtaten.

Bei der Abfrage werden für ein bestimmtes Zeitfenster alle im Bereich der Funkzelle einer Mobilfunkantenne angemeldeten Handys erfasst. Im ersten Schritt fragt die Kriminalpolizei bei den Mobilfunkbetreibern nur die Nummern und Verbindungsdaten ab, im nächsten Schritt lässt sich diese anonyme Abfrage dann personalisieren.

Aufenthaltsorte unbescholtener Bürger lückenlos verfolgen

Auf diese Weise können die Ermittler bei einer sogenannten „individualisierten“ Abfrage eventuell feststellen, wo sich der mutmaßliche Täter oder ein Verbrechensopfer zu bestimmten Zeiten aufhielten. Laut Staatsanwaltschaft half dies beispielsweise bei der Aufklärung des Mordes an einer jungen Pferdewirtin in Lübars 2012 sowie bei der Rekonstruktion des Mordfalles Georgine Krüger. 2006 wurde die damals 14-jährige Schülerin in Moabit getötete, erst zwölf Jahre später gelang die Verhaftung eines dringend tatverdächtigen Mannes.

Alternativ können die Kriminalbeamten auch eine sogenannte „nicht individualisierte“ Funkzellen-Abfrage nutzen. Beispielsweise zur Ermittlung von Brandanschlägen. So lässt sich feststellen, ob bestimmte Geräte auffällig oft an den Tatorten eingeloggt waren – und sich daraus eine Spur ergibt.

Dennoch ist die massenhafte Abfrage von Handydaten – SMS, Anrufe, Facebook-Posts – auch weiterhin als verdeckter Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis umstritten. Der Staat könne die Aufenthaltsorte unbescholtener Bürger damit lückenlos verfolgen, sagen Kritiker.

Immerhin werden bei einer einzigen Abfrage je nach Größe und Lage der Funkzelle zehntausende bis zu mehr als eine Million Daten registriert. Allein im Jahr 2017 soll die Berliner Polizei rund 60 Millionen Daten ausgewertet haben. Gelöscht werden diese erst nach Abschluss der jeweiligen Ermittlungen, teilt die Justizverwaltung mit.

Bundesländer müssen Betroffene informieren

Gesetzlich sind alle Bundesländer dazu verpflichtet, Betroffene zu informieren. Aber das geschieht bislang kaum. Deshalb hat die Berliner rot-rot-grüne Koalition im November 2018 den Versuch gestartet, die Furcht vor „Big Brother“ einzudämmen. Das Projekt verbirgt sich hinter einem Wortungetüm. Es heißt: Funkzellenabfragen-Transparenz-System (FTS).

Wer erfahren möchte, ob er mit seinem Handy bei einer Funkzellenabfrage unbescholten ins Visier der Polizei geraten ist, soll dies künftig durch Eingabe seiner Rufnummer in ein Internet-Portal bei der Senatsjustizverwaltung prüfen können. Jeweils 90 Tage lang wird er danach per SMS informiert, wann und wo sein Mobilgerät erfasst wurde. Dabei gilt allerdings eine Wartezeit von etwa einem halben Jahr. „Zuvor muss das jeweilige Ermittlungsverfahren abgeschlossen sein“, sagt der Sprecher der Senatsjustizverwaltung Sebastian Brux.

Im November 2018 wurde das FTS-Portal im Internet freigeschaltet. Seither sind andere Bundesländer an diesem Pilotprojekt stark interessiert. Und 10.000 Berliner haben sich schon eingetragen. „Letzte verbleibende Systemkomponenten müsse man noch entwickeln, heißt es beim Justizsenator. „Dann werden die ersten SMSen verschickt.“

Das FTS-Portal im Internet: https://fts.berlin.de/signup

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