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Fünf Minuten Stadt: Schwarzwälder Kirsch

Kirsche des Anstoßes: Fünf Minuten in einem Backwarenladen in Friedrichshain.

Von Maris Hubschmid

Ein Backwarenladen in Friedrichshain. An der Reihe: eine Mittdreißigerin, grüner Mantel, langes dunkles Haar. „Ich hätte gerne eine Schwarzwälder Kirschtorte ...“ – „Ham wa nich“, unterbricht sie die Verkäuferin. „Mandarine-Quark und Schweineohr is noch da.“ Die Kundin stutzt. „Nein, ich wollte eine Torte bestellen.“ – „Bei mir?“, fragt die hinterm Tresen, schwer, Igelschnitt, um die fünfzig. „Gibt’s hier nich.“ „Achso“, entgegnet die Frau, „ich dachte, man könnte hier Torte bestellen, weil’s draußen dransteht.“ – „Wo soll das dranstehen?“ Die Kundin dreht um, hält die Tür auf, Igel folgt, stöhnend: „Sie sehn doch, was hier los is...“ Die Frau deutet auf eines von drei großformatigen Motiven, die sich auf einer Art Fototapete über die Ladenfassade erstrecken. Zwischen Schrippen und Croissants prangt da vor lila Hintergrund das Bild einer Schwarzwälder Kirschtorte, daneben der Schriftzug: „Torten“. „Das is doch nur Deko“, sagt der Igel, stapft wieder hinein. Fragt: „Sonst noch was?“ - „Nein, ich denke nicht, dass ich mich hier weiter anblaffen lassen muss.“ Als die Frau den Laden verlassen hat, kommt eine weitere Verkäuferin durch einen Perlenvorhang hervor. „Da war eine stinkig, weil wir keine Schwarzwälder Kirschtorte haben“, klärt die Kollegin auf. „Mandarine-Quark is doch noch da“, sagt die Zweite verwundert. „Sie wollte aber Kirsch, weil’s draußen dransteht.“ – „Diese Neuberliner“, sagt die Kollegin. „Sollse sich selber backen.“

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