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Der Fokus der Werkstatt der Kulturen soll künftig auf „dekolonialen, queer-feministischen und migrantischen Perspektiven“ liegen.

© imago images / POP-EYE

Führungswechsel bei der Werkstatt der Kulturen: Kultur neu denken – dekolonial und queerfeminstisch

Fünf Frauen sind die neuen Trägerinnen der „Werkstatt der Kulturen“. Sie wollen sie neu gestalten. Es gibt auch Zweifler.

Lässt sich die Werkstatt der Kulturen (WdK) neu gestalten? Das planen zumindest Louna Sbou, Nina Martin, Nathalie Mba Bikoro, Tmnit Zere und Saskia Köbschall. Die Frauen haben kürzlich die Ausschreibung für den landeseigenen Kulturstandort gewonnen und übernehmen zum 1. Januar mit ihrer „Kultur NeuDenken UG“. Von der neuen Trägerschaft und ihren Vorstellungen sind nicht alle Beteiligten überzeugt.

Bereits im Juni hatten der Berliner Migrationsrat und zahlreiche Künstler in einem offenen Brief an Kultursenator Klaus Lederer (Linke) die Neuausschreibung des bekannten Kulturstandortes kritisiert. Die Unterzeichner warfen Lederer eine „Mitverantwortung an der Marginalisierung der (post-)migrantischen Stadtgeschichte“ vor. Der Senat verkenne die Signifikanz der WdK und gebe vor, es handele sich um einen „neutralen Ort ohne Vorgeschichte“.

Diesen Befürchtungen steht nun das Konzept der „Kultur NeuDenken“ entgegen: Die fünf Frauen sind Kultur-, Sozialunternehmerinnen und Menschenrechtsaktivistinnen. Ihren Fokus wollen sie auf dekoloniale, queer-feministische und migrantische Perspektiven legen und damit die WdK nicht nur neu, sondern weiter denken, erzählt Louna Sbou.

„Worauf wir bei der Ausschreibung von Anfang an bestanden haben, ist, dass der Ort innerhalb der Community bleibt“, sagt Sbou und meint damit sowohl migrantische Gemeinschaften als auch die direkte Nachbarschaft der bisherigen WdK.

Kultursenator Lederer unterstützt die Initiative

Von Beginn an hätten sie im Austausch mit dem Migrationsrat gestanden, um einerseits der Kritik an der Neuausschreibung zu begegnen, andererseits aber auch die bisherigen Nutzer des Gebäudes darin zu bestärken, dass das Haus weiter einen „dekolonialen, migrantischen Zugang“ behalten werde.

„Ich glaube, dass das dem Senat auch bei der Auswahl wichtig war“, sagt Sbou. „Ein Haus, das künstlerische Exzellenz im Bereich migrantischer, diasporischer, dekolonialer, queer*feministischer und klassenkritischer Perspektiven bietet und gleichzeitig einen Treff- und Ankerpunkt für nachbarschaftliche Initiativen und Communities ermöglicht, ist genau das, was ich uns für Neukölln und für Berlin wünsche“, teilte Kultursenator Lederer mit.

Projekt zu „Solidarität mit Neuberliner Utopien“

Zentrale Aufgabe des neuen Hauses ist aus Sicht von Sbou, künstlerisch-kulturelle Projekte umzusetzen, in Berlin und weltweit. Erster Schwerpunkt im neuen Jahr soll das Thema „Freistaat Barackia: 150 Jahre dekolonialer Urbanismus, Solidarität und Neuberliner Utopien“ werden.

Damit spielt das Team auf das Jubiläum des selbsternannten Freien Staates Barackia an, der aus Barackenbauten zwischen dem heutigen Kottbusser Tor und der Hasenheide – also in unmittelbarer Nachbarschaft zur WdK – bestand. Ungefähr 4.000 Menschen sollen dort in selbstgebauten Hütten gelebt haben.

Auch damals sei die Stadt rasant gewachsen, hätten sich Menschen die steigenden Mietpreise nicht leisten können. „Berlin wird gentrifiziert und so spiegelt sich das heute wieder – teilweise auch in den gleichen Gebieten“, sagt Sbou und verweist etwa auf das Zeltcamp geflüchteter Menschen am Oranienplatz vor einigen Jahren.

Gute Laune. Das Team hat viel vor mit der Werkstatt der Kulturen.
Gute Laune. Das Team hat viel vor mit der Werkstatt der Kulturen.

© promo

Dem Thema wollen sich die fünf künstlerisch nähern, etwa mit Installationen aus sogenannten Tiny Houses, die die damaligen Hütten nachahmen sollen. Dabei will das Team auch auf Erfahrungen mit verschiedenen Formaten zurückgreifen, die etwa Sbou und Martin als bisherige Betreiberinnen des selbsterklärten Anti-Cafés „Be’kech“ im Wedding oder Köbschall als Managerin des Projektraumes „Savvy“ gesammelt haben.

Die Sprecherin der bisherigen Werkstatt der Kulturen, Mareike Palmeira, sieht der Übernahme abwartend entgegen. Das konkrete Konzept der neuen Trägerinnen werde sicherlich bald auf der Website zu finden sein. Die Entscheidung des Senates über die neue Trägerschaft sei sehr spät gefallen.

Skepsis gegenüber den neuen Trägerinnen

Man habe intern bereits Ende September damit gerechnet. Wie die Übernahme des laufenden Betriebes sich jetzt zum Jahresende gestalten werde, sei daher noch nicht ganz klar: Es habe zwar eine Einladung an die Mitarbeiter der WdK gegeben sowie mehrmals die Ankündigung, einen Großteil des Teams übernehmen zu wollen – wie genau dies ablaufen solle, sei bislang allerdings noch nicht geregelt.

Auch der Migrationsrat ist offenbar noch nicht von der neuen Trägerschaft überzeugt. Sprecher Edwin Greve betont, dass der sich der Rat – unabhängig vom Ausgang des Vergabeverfahrens – ein anderes Vorgehen von der Senatsverwaltung für Kultur gewünscht hätte. Leider seien alle Bemühungen des Migrationsrates, eine Neuausschreibung zu vermeiden, gescheitert.

„Mit dem Ergebnis des Ausschreibungsverfahren schließt sich ein weiterer Wirkungsraum für eine Schwarze Frau in einer Leitungsposition einer Berliner Institution“, sagt Greve mit Verweis auf die bisherige Leiterin Philippa Ébéné. Für die Zukunft hoffe der Migrationsrat, dass die bisherige WdK als „Ort für politische Community-Arbeit“ erhalten bleibe. Gleichzeitig fordert er eine „langfristige Perspektive für marginalisierte, insbesondere für Schwarze und people of colour-Communites“, in der Werkstatt der Kulturen. Dazu zähle auch eine ausreichende Finanzierung, die zu einem Großteil aus Senatsmitteln besteht.

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