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Hubertus Knabe, früherer Leiter der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, wurde 2018 entlassen.

© Tim Brakemeier/dpa

Update

Früherer Berliner Gedenkstättenleiter: Untersuchungsausschuss sieht Entlassung von Hubertus Knabe als rechtmäßig an

Der Ausschuss sollte die Vorgänge um die Entlassung von Hubertus Knabe prüfen. Laut Abschlussbericht gibt keine Belege für eine politisch motivierte Kündigung.

Von Sonja Wurtscheid

Nach rund eineinhalb Jahren Aufklärungsarbeit hat der Untersuchungsausschuss zur Berliner Stasi-Opfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen am Dienstag seinen Abschlussbericht vorgelegt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Entlassung des ehemaligen Leiters Hubertus Knabe im November 2018 gerechtfertigt und nicht politisch motiviert war.

"Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Knabe seiner Leitungsfunktion nicht nachgekommen ist", sagte die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sabine Bangert (Grüne), dem Tagesspiegel. Knabe sei mit der Position überfordert gewesen und habe sich nicht um gesetzliche Vorgaben gekümmert.

Der Vorwurf hatte gelautet, dass Knabe nicht entschieden genug gegen mutmaßliche sexuelle Belästigungen von Mitarbeiterinnen durch seinen Stellvertreter vorgegangen war. Knabe hatte dies bestritten. Ein Rechtsstreit über seine Entlassung endete mit einem Vergleich, der Chefposten wurde neu besetzt. Der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses war mit den Stimmen der Opposition eingesetzt worden.

Als Leiter wäre Knabe gemäß des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes und des Landesgleichstellungsgesetzes dazu verpflichtet gewesen, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu stoppen beziehungsweise durch Prävention zu verhindern. "Das hat alles nicht stattgefunden", betonte Bangert.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hatte im Ausschuss bekräftigt, Knabe habe monatelang nichts gegen Vorwürfe der sexuellen Belästigung unternommen. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), damals noch Landeschefin ihrer Partei, hatte die Entlassung verteidigt, , ebenso der CDU-Mann Dieter Dombrowski, der für die Opferverbände in der Gedenkstättenstiftung sitzt..

Vorsitzende: "Wir hatten eine abweichende Aussage, und die war von Knabe"

Bereits vor Beginn des 543 Tage dauernden Ausschusses lagen der Vorsitzenden zufolge Fakten auf dem Tisch, die von Gerichten bestätigt worden waren. Dass der Ausschuss auf Antrag der Opposition überhaupt zu Stande kam, sei höchst ungewöhnlich gewesen – zumal es um eine Personaleinzelentscheidung ging und die Entlassung Knabes einstimmig vom – CDU-dominierten – Stiftungsrat beschlossen worden war, sagte Bangert.

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Die Zeugen im Untersuchungsausschuss hätten bezüglich der Versäumnisse Knabes und dessen Umgang mit sexueller Belästigung "durchgängig gleiche Aussagen" gemacht. "Wir hatten eine abweichende Aussage, und die war von Dr. Knabe", sagte Bangert. "Der sieht das völlig anders."

Dabei hätten Schilderungen von Zeugen im Ausschuss gezeigt, dass Knabe grundsätzlich nicht zur Beurteilung sexueller Belästigung fähig gewesen sei, sagte Bangert. Wie im Untersuchungsausschuss gehört, habe Knabe mit acht bis zwölf Mitarbeitern eine Bootstour auf dem Wannsee gemacht, darunter auch eine Volontärin. Das Ziel der Tour sei Teambuilding gewesen. Knabe habe sich auf dem Boot nackt ausgezogen, habe seine Badehose angezogen und sei schwimmen gegangen. Wenn er selbst solche Sachen macht, fragte Bangert, wie solle er dann Fehlverhalten seines Stellvertreters und Freundes beurteilen?

Mehrere Volontärinnen, Mitarbeiterinnen und Praktikantinnen hatten der Führungsetage der Gedenkstätte sexistisches Verhalten und sexuelle Belästigung vorgeworfen und sowohl an Grütters als auch Lederer geschrieben. Lederer ist Vorsitzender des Stiftungsrates, der die Kündigungen Knabes und seines Vizes einstimmig beschloss. Im Abschlussbericht heißt es, es gebe keinerlei Belege dafür, dass die Kündigung Knabes politisch motiviert gewesen sei. CDU und FDP sehen das anders.

SPD: Opposition argumentiert "hochgradig fragwürdig"

Auf Nachfrage beharrte die FDP-Fraktion auf dem Standpunkt, die Entlassung Knabes sei politisch motiviert gewesen – obwohl der Bericht des Untersuchungsausschusses zu einem anderen Ergebnis kommt. FDP und CDU hätten in einer mehr als 100 Seiten dicken Ausführung argumentiert, „wie systematisch insbesondere Kultursenator Klaus Lederer versucht hat, den unbequemen Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe aus dem Amt zu drängen“, teilte der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Stefan Förster, mit.

Die AfD-Fraktion sprach gar von einer "geschickt eingefädelten Intrige". Sie warf Lederer vor, die Anschuldigungen als Vorwand genutzt zu haben, um Knabe loszuwerden. Martin Trefzer (AfD) beschuldigte den Kultursenator, dem Stiftungsrat Dokumente vorenthalten zu haben, um "bis zur Entlassung von Knabe der Taktgeber" zu bleiben.

Auch die CDU schoss gegen Lederer: "Wir sehen es als klar erwiesen, dass er von den Belästigungsvorwürfen viel früher wusste als er dies bei seiner Zeugenaussage vorgegeben hatte", sagte Obmann Hans-Christian Hausmann.

Die SPD-Fraktion bezeichnete die Argumentationen der Opposition gegenüber dem Tagesspiegel als "hochgradig fragwürdig". Es sei "sehr erstaunlich, wie hier versucht wird, den Spieß umzudrehen", sagte Christian Hochgrebe. Der Ausschuss habe Knabe eine „Reihe von Versäumnissen“ nachgewiesen. Knabe sei als Leiter für die Vorgänge in der Gedenkstätte verantwortlich gewesen. Seine Entlassung sei daher rechtmäßig gewesen. Die Koalition habe im Ausschuss mit einer Stimme gesprochen, dass Knabe vollständiges Behördenleiter-Versagen vorzuwerfen sei. (mit dpa)

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