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Ein Bundeswehrsoldat hilft im Gesundheitsamt Neukölln bei der Nachverfolgung der Kontaktpersonen.

© Jörg Carstensen/dpa

Freiwilligenreserve für Gesundheitsämter?: Diese Lehren zieht Berlins Linksfraktion aus der Coronakrise

Bei einer Fraktionsklausur will die Linke die Frage erörtern: Wie kann sich die Gesellschaft auf Krisen besser vorbereiten? Ein Positionspapier gibt Antworten.

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Die Berliner Linksfraktion geht diesen Freitag in eine zweitägige digitale Klausur. Als prominenter "Gast" wird Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer teilnehmen, im Rahmen einer Generaldebatte zum Thema "Umgang mit der Pandemie". Lederer wird die Berliner Linke als Spitzenkandidat in die diesjährige Abgeordnetenhauswahl führen.

Die Fraktion will am Wochenende außerdem einen Gesetzentwurf zur "Vergesellschaftung" beschließen. Er soll die Enteignung großer Immobilienunternehmen legalisieren. Die Berliner Linke unterstützt offiziell auch die derzeit laufende Unterschriftensammlung für einen Volksentscheid "Deutsche Wohnen und Co. enteignen".

Ansonsten sind das Coronavirus und seine Folgen der rote Faden für die diesjährige Fraktionsklausur. "Vom Heute für Morgen lernen" lautet auch der Titel eines Positionspapiers der beiden neuen Fraktionsvorsitzenden Carsten Schatz und Anne Helm sowie des Parlamentarischen Geschäftsführers Steffen Zillich, das auf dem Treffen beschlossen werden soll.

Das Papier, das dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt, beschäftigt sich in drei Oberpunkten damit, wie die Gesellschaft widerstandsfähiger gegen Krisen gemacht werden kann, welche Investitionen auch in einer Notlage wie der Corona-Pandemie aus Sicht der Linken unverzichtbar sind und schließlich mit der Frage, woher das Geld für die Bewältigung der Krise kommen soll.

Wie bei Feuerwehr und Bundeswehr: Freiwillige für die Gesundheitsämter

Die Gesellschaft krisenfest machen will die Linke vor allem mit einer finanziellen und personellen Stärkung des Gesundheitswesens: mehr Personal in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Gesundheitsämtern, das außerdem besser bezahlt werden soll.

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Für die Gesundheitsämter will die Linke zusätzlich "Krisenpläne" entwickeln, in denen unter anderem festgelegt werden soll, wie die Ämter im Ernstfall schnell an zusätzliches Personal kommen. Vorgeschlagen wird eine Art Freiwilligenreserve: "Neben Mitarbeiter:innen aus anderen Bereichen des Öffentlichen Dienstes könnten sich hierfür auch Freiwillige registrieren und ausbilden lassen (Prinzip Freiwillige Feuerwehr oder Bundeswehrreserve)."

Linke fordert Arbeitslosenversicherung für Solo-Selbständige

Im sozialstaatlichen Bereich nimmt das Papier vor allem die Solo-Selbständigen in den Blick: Die Linke fordert für sie einen besseren Zugang zum Sozialsystem, "beispielsweise durch eine (europäische) Arbeitslosenversicherung für alle Erwerbstätigen, einem Kurzarbeitsgeld auch für Soloselbständige, der Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen für die Alters- und Gesundheitsvorsorge".

Leiten eine Fraktion im "Umbruch": Anne Helm und Carsten Schatz, die beiden Vorsitzenden der Berliner Linksfraktion.
Leiten eine Fraktion im "Umbruch": Anne Helm und Carsten Schatz, die beiden Vorsitzenden der Berliner Linksfraktion.

© Doris Spiekermann-Klaas

Menschen mit Niedriglohnjobs sollen nach Willen der Linken "mindestens ein deutlich höherer Anteil des Gehalts weitergezahlt werden als bei oberen Lohngruppen" für den Fall, dass sie in Kurzarbeit geschickt werden.

Auch der Klimawandel wird als Krise erwähnt: Hier spricht sich die Linke für den Erhalt von Freiflächen in der Berlin aus, die nicht nur die Möglichkeit böten, "sich draußen sicher aufzuhalten", sondern dienten auch zur Luftreinigung, Sauerstoffproduktion und Temperatursenkung. Auch die Pop-up-Radwege werden erwähnt: "Sie sind ein Vorgriff auf eine beginnende und für eine krisenresiliente Stadt notwendige Umgestaltung des Straßenverkehrs, in der die Dominanz des motorisierten Individualverkehr, insbesondere des auf Verbrennungsmotoren basierenden, immer weiter zurückgedrängt werden muss", heißt es dazu.

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Das Papier der Fraktionsspitze fordert außerdem weitreichende staatliche Investitionen in den Bereichen Digitalisierung, Bildung und Öffentliche Verwaltung, zudem ein Konjunkturprogramm für Kultur und Wirtschaft in Berlin.

Zur Finanzierung heißt es, die Linke habe auf Bundesebene "schon länger Möglichkeiten aufgezeigt" mit Vorschlägen wie der Wiedereinführung einer Vermögenssteuer oder einer Reform der Erbschaftssteuer. "In der aktuellen Situation", heißt es weiter, "befürworten wir mindestens eine Einmalabgabe auf hohe Vermögen und eine längere Aussetzung der Schuldengrenze."

Pau Spitzenkandidatin, Ex-Fraktionschef Wolf will in den Bundestag

Nach der Fraktionstagung plant die Berliner Linke einen Parteitag am 13. März, auf dem die Liste für den Bundestag gewählt werden soll. Um wahlrechtskonform die Kandidaten zu nominieren, will die Linke im Hotel Estrel einen Präsenzparteitag mit 150 Delegierten unter Einhaltung von Hygieneregeln veranstalten. Alle Delegierten müssen vorher getestet sein.

Bereits in dieser Woche hat der Vorstand der Linken einen Vorschlag für die Liste veröffentlicht. Petra Pau, seit 1998 Mitglied des Bundestags und seit 2006 Vizepräsidentin, soll auf Platz eins antreten, gefolgt von Ex-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf. Wolf hat mit seiner Co-Vorsitzenden Carola Bluhm hatten Mitte 2020 ihren Fraktionsvorsitz abgelegt. Wolf hatte im August bekannt gegeben, in Pankow als Direktkandidat anzutreten. Diesen Wahlkreis hatte bisher Stefan Liebich 2009, 2013 und 2017 gewonnen. Liebich tritt nicht mehr erneut für den Bundestag an.

Auf Platz drei der Bundestagsliste wird wohl Gesine Lötzsch kandidieren. Lötzsch ist seit 2002 Bundestagsmitglied und zog seitdem fünf Mal mit einem Direktmandat in Lichtenberg in den Bundestag ein. Auf Platz vier wird wohl Pascal Meiser antreten, seit 2017 Bundestagsabgeordneter und seit 2018 stellvertretender Landesvorsitzender. Evrim Sommer ist auf Platz fünf vorgesehen. Sommer ist seit 2017 Bundestagsabgeordnete und tritt im Wahlkreis Spandau-Charlottenburg Nord an. Ihre Liste für das Abgeordnetenhaus will die Linke Ende April nominieren.

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