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Müllbeseitigung im Tiergarten - eine von vielen Aktionen.

© Mike Wolff

Freiwillige Helfer: Ihr seid der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält

Gesellschaftliches Engagement schützt vor Intoleranz und Fremdenhass. Jeder freiwillige Einsatz ist eine Demonstration guten Bürgersinns. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Chemnitz ist eine Zäsur; die bösen Bilder des Hasses und des Rassismus sind eine Schande für eine offene und tolerante Gesellschaft. Es ist ein Warnzeichen für die Gefahr eines gespaltenen Landes. Was hält ein Land zusammen, ist eine Frage, die der Sommer des Verdrusses über den endlosen Streit der Politik über die Flüchtlingsfrage stellt.

Eine Antwort ist die Einladung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier an 4000 ehrenamtlich Engagierte ins Schloss Bellevue. Sie stehen für Millionen Menschen, die sich in Deutschland täglich freiwillig einbringen.

Nicht wegschauen und abwenden, sondern Menschen helfen

Auch die Aktionstage "Gemeinsame Sache", zu denen der Tagesspiegel seit sieben Jahren aufruft, verdeutlichen, wie wichtig Gemeinsinn ist für eine demokratische und solidarische Gemeinschaft. Nicht wegschauen und abwenden, sondern Menschen helfen, die Hilfe benötigen, das macht aus Nebeneinander Gemeinsinn und aus Fremden neue Nachbarn.

Das gilt umso mehr in einer Millionenstadt wie Berlin, in der sich seit dem Mauerfall durch Umbrüche und Aufbrüche, durch Verdrängung und rasantes Wachstum ganze Bezirke komplett gewandelt haben und die Anonymität gewachsen ist. Die Stadt lebt in ganz besonderer Weise davon, dass Menschen Verantwortung wahrnehmen und sich einbringen.

Es ist auch den vielen Neuberlinern zu danken, die sich einbringen

Denn eine Stadt ist nur so lebenswert, wie Menschen sich dafür interessieren, dass ihre Kieze gepflegt sind und Menschen in Notlagen geholfen wird. Es ist auch den vielen Neuberlinern zu danken, die sich an ihrem neuen Lebensmittelpunkt einbringen, dass Helfen in Berlin immer mehr zum guten Ton gehört und überall Initiativen Verantwortung für ihr Lebensumfeld übernehmen.

Oft genug sind die Freiwilligen dabei auch Seismografen für neue Herausforderungen an die Verwaltung, wie sich in der Flüchtlingskrise zeigte, als beim Komplettausfall der Berliner Ausländerbehörde die Freiwilligen einsprangen. Aber jenseits dessen, was eine funktionierende Verwaltung leisten muss, darf niemand einen vollversorgenden Sozialstaat erwarten.

Freiwillige sind der Kitt für ein solidarisches Gemeinwesen

Das bedeutet freilich, dass die Politik jedes Engagement erleichtern und ermöglichen muss – und dafür zu sorgen hat, dass dauerhafte Strukturen dort entstehen, wo sie benötigt werden. Andernfalls werden Menschen, die sich einbringen, als billige Hilfskräfte missbraucht.

Dabei sind Freiwillige der unverzichtbare Kitt, ohne den ein solidarisches Gemeinwesen zerbröckelt. Wer hilft, steht nicht am Rand der Gesellschaft, sondern steht für etwas ein. Bürgerschaftliches Engagement schützt deshalb die Gemeinschaft vor Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit.

Bei mehr als 230 Aktionen Verantwortung für die Stadt gezeigt

Die mehrere tausend Berliner, die bei der "Gemeinsamen Sache" bei mehr als 230 Aktionen Verantwortung für ihre Stadt zeigen, demonstrieren mit diesem "Flashmob der Solidarität", wie es der Regierende Bürgermeister Michael Müller nannte, wie wichtig Gemeinsinn ist.

Die Feier zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober, die in Berlin stattfindet, steht unter dem Motto "Nur mit euch". Wie lange es dauert, die tiefe Spaltung zwischen beiden Deutschlands zu heilen, war in der Freude der neu gewonnenen Einheit niemandem bewusst. Die Erkenntnis, dass es "nur mit euch" geht, ein weltoffenes Land zu sein und zu bleiben, ist heute aktueller als je. Jeder freiwillige Einsatz in diesem Land ist deshalb auch eine Einübung in die Tugend des Miteinanders und der Empathie und eine Demonstration des guten Bürgersinns.

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