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Mehr als 50 Personen aus dem islamistischen Spektrum wurden 2017 bundesweit abgeschoben, davon waren knapp 40 als Gefährder eingestuft

© Daniel Maurer/dpa

Freigelassener Drogendealer: Innenausschuss will Geisel wegen Fathi Ben M. anhören

Der Fall des ausreisepflichtigen und kriminellen Tunesiers wird ein Nachspiel haben. Die Berliner Polizei hatte Fathi Ben M. beim Dealen erwischt, danach aber wieder laufen lassen.

Von Fatina Keilani

Der jüngst bekannt gewordene Fall des Tunesiers Fathi Ben M., den die Berliner Polizei hat laufen lassen, obwohl er vollziehbar ausreisepflichtig ist und von den Behörden gesucht worden war, wird ein Nachspiel im Parlament und in der Sitzung des Innenausschusses am 19. Februar haben. Innensenator Andreas Geisel (SPD) wollte dazu am Freitag nicht Stellung nehmen, die Polizei auch nicht. Eine Sprecherin der Innenverwaltung teilte lediglich mit, man äußere sich derzeit nicht zu dem konkreten Einzelfall. „Der Sachverhalt wird gerade gründlich für die nächste Sitzung des Innenausschusses aufbereitet.“ Dort wollen insbesondere die Oppositionsfraktionen dem Senator Dampf machen.

Der Fall

Fathi Ben M. kam 2014 unter dem falschen Namen Kamal Mustafa nach Deutschland und beantragte Asyl. Er gab sich teils als Libyer, Marokkaner, Algerier aus, und das sowohl in Italien, der Schweiz und Deutschland. Gegen ihn laufen mehrere Ermittlungsverfahren, sein Asylantrag ist wirksam abgelehnt, er ist vollziehbar ausreisepflichtig. Obwohl er im Dezember in Friedrichshain beim Dealen erwischt wurde, ließ die Berliner Polizei ihn laufen, statt ihn in Sicherungshaft zu nehmen. Dabei hatte es zuvor drei Abschiebeversuche gegeben, die alle gescheitert waren, weil der Mann nicht greifbar gewesen war.

Die Politik

„Die Koalition hält Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam grundsätzlich für unangemessene Maßnahmen und wird sich deshalb auf Bundesebene für deren Abschaffung einsetzen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Auch die Zahl der Abschiebungen generell ist unter Rot-Rot-grün stark gesunken, wie aus einer neuen Anfrage des CDU-Innenpolitikers Burkard Dregger hervorgeht. Danach sank die Zahl der Abschiebungen von 2016 auf 2017 um gut 19 Prozent auf 1638, die Zahl der freiwilligen Ausreisen sei sogar um 62 Prozent auf 3629 gesunken. Dregger regt das auf, er will den Innensenator „wachrütteln“. Er verweist auf zwei Mordfälle der jüngeren Zeit, die von Ausreisepflichtigen begangen wurden. Dregger fordert ebenso wie der AfD-Innenpolitiker Karsten Woldeit die sofortige Schaffung eines Abschiebegewahrsams.

Gefährder und dann?

„Gefährder“ ist ein polizeipraktischer Begriff. Ist jemand als Gefährder eingestuft, so steht der Polizei ein Maßnahmenkatalog zur Verfügung. Dann schaut sie, ob jemand da wohnt, wo er angibt, oder sie überwacht sein Handy, je nach Verdachtslage. Nicht jeder Gefährder ist gefährlich. Für die Einstufung der Gefährlichkeit gibt es einen eigenen Katalog, das Radar-iTE, ein Risikoerkennungsinstrument. Mehr als 70 Kriterien werden bewertet, um Schlüsse zur Gefährlichkeit von Personen ziehen zu können. Positiv wirkt etwa, wenn jemand sozial eingebunden ist, Arbeit hat, sich in einem rechtstreuen Milieu bewegt. Negativ wirkt, wenn er zu Gewalt neigt oder waffenaffin ist.

Abschiebungen

Bundesweit sind derzeit laut Innenministerium mehr als 750 Personen als Gefährder eingestuft; in Berlin ist es laut Innenverwaltung eine „hohe zweistellige Zahl“. Mehr als 50 Personen aus dem islamistischen Spektrum wurden 2017 bundesweit abgeschoben, davon waren knapp 40 als Gefährder eingestuft. Berlin hat fünf Gefährder abgeschoben. Der Paragraph 58a des Aufenthaltsgesetzes wird dabei meist nur genutzt, wenn es nicht anders geht. Berlin hat von ihm noch keinen Gebrauch gemacht, andere Länder durchaus. Ob Fathi Ben M. ein Gefährder ist oder ob er gefährlich ist, dazu sagt derzeit niemand etwas.

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