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Weltmeisterin Anja Mittag von RB Leipzig am Ball in einem Regionalliga-Spiel beim Steglitzer FC Stern 1900 in Berlin.

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Frauenfußball: Mehr Publikum verdient

Geld haben die anderen, doch die Fußballerinnen vom Steglitzer FC Stern 1900 halten sich in einer Liga mit RB Leipzig und dem 1. FC Union.

Von David Joram

Weil der Fußball für sich in Anspruch nimmt wie das Leben zu sein, hat sein Lieblingssport Yves Rahmoune einfach einen Streich gespielt. Rahmoune, 40, koordiniert beim Steglitzer FC Stern 1900 die Mädchenabteilung. Der Streich besteht darin, dass er selbst nicht genau weiß, wie er überhaupt zu diesem Posten kam. „Das hat sich einfach so ergeben“, sagt Rahmoune.

Zufällig kam er nach Steglitz, weil seine Tochter auf der Suche nach einem geeigneten Fußballverein war. Sie landete beim SFC Stern, Rahmoune gleich mit. Weil er sowieso immer da war, wollte ihn die Trainerin schnell zu ihrem Co-Trainer machen. Kam dann auch so, doch dabei blieb es nicht. Vom Co-Trainer stieg Rahmoune schnell zum Chef auf – und vor zwei Jahren übernahm er eben gleich die gesamte Leitung der Mädchenfußballabteilung.

Wer wissen will, warum das Vereinswesen im Fußball mal besser und mal schlechter funktioniert, findet in Rahmoune genau den richtigen Ansprechpartner. Immer noch hängt sehr vieles vom Engagement Einzelner ab, die zufällig in einem Klub landen – oder eben nicht.

Rund 1,7 Millionen Fußball-Ehrenamtliche gibt es laut Deutschem Fußball-Bund (DFB), Tendenz seit Jahren: fallend. Am meisten trifft das im Männerfußballland Deutschland die kickenden Frauen. „Die Strukturen sind so aufgebaut, dass erst die Jungs kommen und dann die Mädchen, etwa wenn es um Platzzeiten geht“, sagte Christine Lehmann dem Tagesspiegel unlängst. Lehmann sitzt im Ausschuss für Frauen- und Mädchenfußball des Berliner Fußball-Verbands (BFV), sie weiß um die Sorgen und Nöte der Fußballerinnen.

Torraumszene im Stadion Lichterfelde beim Spiel zwischen den Fußballerinnen von Viktoria Berlin und dem Steglitzer FC Stern 1900.
Ein Bezirksderby gibt's, wenn die Steglitzerinnen (hier in den dunklen Trikots) zu Viktoria nach Lichterfelde fahren.

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Menschen wie Rahmoune sind umso mehr willkommen – der „koordiniert statt alles sich selbst zu überlassen“. Immerhin drei Teams mit insgesamt rund 50 Juniorinnen hat Rahmoune im Blick, die ab dem 2008-er Jahrgang in eigenen Ligen spielen. Die jüngeren Mädchen kicken bei den Jungs mit.

Top-Adresse für Fußballerinnen in Berlin

Der SFC Stern gilt damit als eine Topadresse im Berliner Frauenfußball – was neben der Jugendarbeit auch mit dem ersten, zweiten und dritten Team zusammenhängt. Die „Dritte“ spielt Landesliga (Kleinfeld), die „Zweite“ ebenfalls (Großfeld) und die „Erste“ sogar in der Regionalliga. Die kommt direkt nach Bundesliga und Zweiter Liga und dort misst sich Stern 1900 unter anderem mit umsatzstarken Größen wie dem 1. FC Union oder RB Leipzig – und reist zu Spielen nach Leipzig, Jena oder zum Magdeburger FFC, wo es zum Rückrundenstart am vergangenen Sonntag eine 1:7-Niederlage setzte. Abstiegskampf kann wehtun. Im nächsten Heimspiel geht es mit besseren Chancen gegen Erzgebirge Aue (22. März, 13 Uhr, Sportplatz Schildhornstraße, Eingang Kreuznacher Straße 29).

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So hoch wie die Steglitzerinnen spielen im Bereich des BFV nur noch Union, Viktoria und Hohen Neuendorf – wobei vor allem Union und Viktoria wesentlich finanzstärker sind. Umso bemerkenswerter, dass sich Stern 1900 seit drei Jahren in der Regionalliga hält.

Freistoß für die Fußballerinnen von Viktoria Berlin im Spiel gegen den Steglitzer FC Stern 1900.
In einer Liga: Viktoria und Stern spielen drittklassig. Die Regionalliga kommt bei den Frauen direkt nach der ersten und der zweiten Bundesliga.

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„Das gibt dem gesamten Verein Prestige“, sagt Rahmoune über die Ligazugehörigkeit des Frauenteams, auch wenn die Zuschauerzahlen überschaubar bleiben. 20 bis 30 Zuschauer kommen zu normalen Heimspielen, immerhin 150 bis 200, wenn RB Leipzig mit Weltmeisterin Anja Mittag gastiert. Keine berauschenden Zahlen also, die Sponsorensuche gestaltet sich schwierig, Jahr für Jahr geht es darum, einen funktionierenden Finanzplan zu basteln. Ob der teuren Angelegenheit haben die Fußballerinnen nicht nur Fürsprecher im Verein, sondern, wie Rahmoune berichtet, „vor allem an den Stammtischen“ auch Nörgler. „Klar, gibt es manchmal Misstöne aus dem Verein, weil wir eben nicht die Mittel wie zum Beispiel Union haben“, sagt Rahmoune.

Frauen Regionalliga, Männer Berlin-Liga

Hinter Köpenickerinnen und Leipzigerinnen stehen Männerabteilungen, die ein Budget von rund 40 Millionen (Union) und 110 Millionen (Leipzig) für ihre Bundesliga-Kicker bereitstellen. Die Stern-Männer kicken sechstklassig in der Berlin-Liga, dort mit an der Spitze, und waren auch schon mal Berliner Pokalfinalist.

Die Aussichten für die Frauenteams bei Union und Leipzig könnten noch besser sein, würden die Klubs einen Bruchteil abzweigen. Immerhin: Leipzig, Tabellenführer in der Regionalliga, plant mit dem Red-Bull-Geld nun den Durchmarsch in die Erste Liga. Wenn alles normal läuft, werden die Brausekickerinnen am 24. Mai in Leipzig das vorerst letzte Mal auf den SFC Stern treffen – und im Anschluss an das letzte Saisonspiel eine kleine Meisterinnenfeier organisieren.

Für Stern wäre es ein großer Erfolg, erneut in der Liga zu bleiben. „Wir wollen uns in dieser Klasse stabilisieren“, sagt SFC-Teammanagerin Saskia Steiger – und das mit einem klaren Konzept. Einem „mittelmäßigen Aufwand“ (Steiger) soll der maximale Erfolg gegenüberstehen, wobei mit mittelmäßigem Aufwand vor allem der finanzielle gemeint ist. Etwa 30.000 Euro beträgt das Budget der Steglitzerinnen pro Saison, die Hälfte geht für Busfahrten und Schiedsrichter (250 bis 300 Euro pro Spiel) drauf. „Es wäre schön, einen Sponsor zu finden, der die Reisekosten auffängt“, sagt Steiger. Vom Verband wünscht sie sich eine Subventionierung der Schiedsrichterkosten, „so wie das bei den Männern bis zur Regionalliga der Fall ist“.

Fußballerinnen des Steglitzer FC Stern 1900 bejubeln ein Tor.
Gibt's im nächsten Heimspiel wieder was zu bejubeln für die Steglitzerinnen? Es steigt gegen Erzgebirge Aue (22. März, 13 Uhr, Sportplatz Schildhornstraße, Eingang Kreuznacher Straße 29).

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Trotz der hohen Hürden strebt Steiger nach dem Optimum: attraktiver Regionalliga-Fußball mit Hobbyspielerinnen. Zweimal wird unter der Woche trainiert; wenn Prüfungen anstehen, fehlen auch mal ein paar Studentinnen. „In der Regionalliga verdient keine Spielerin Geld, da gehen Job und Studium vor“, sagt Steiger. Die 26-Jährige trat einst selbst für die Blau-Gelben gegen den Ball, musste ihre Karriere nach einer Verletzung aber vorzeitig beenden. Sie wechselte ins ehrenamtliche Management und buhlt seither um Sponsoren, bestellt Trainingsanzüge oder macht die Pressearbeit.

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Menschen wie Saskia Steiger halten die Frauen- und Mädchenabteilung beim SFC Stern zusammen. „Das Rezept ist, dass wir es freiwillig und aus Liebe heraus machen – und viel Spaß dabei haben. Ohne Spaß geht es nicht“, sagt Steiger. Ohne Kontinuität auch nicht. Die handelnden Akteure beim SFC Stern engagieren sich in vielen Fällen schon viele Jahre im Verein, manche, wie Steiger, die seit 18 Jahren Mitglied ist, haben Stallgeruch. Bei anderen, wie Yves Rahmoune, hat es sich einfach so ergeben.

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