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Frauen-Netzwerk. Betuchte Damen gründen 1905 in der Potsdamer Straße den Lyceum-Klub, der Frauen im Berufsleben unterstützen soll. Schirmherrin des Vereins ist die Königin von Rumänien.

© Berliner Leben

Fraktur! Berlin-Bilder aus der Kaiserzeit: Damen und Herrenmenschen

Betuchte Damen gründen 1905 in der Potsdamer Straße den Lyceum-Klub. Die Frauenvereinigung soll die Karrieren von Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen fördern.

Ein illustrer Kreis von behüteten, soll heißen: Hüte tragenden Damen hat sich in den vornehmen Räumen des Hauses Potsdamer Straße 118 b versammelt. Anlass ist die Eröffnung des Berliner Lyceum-Klubs, wie im November 1905 in der Zeitschrift „Berliner Leben“ zu lesen ist. Die neue Vereinigung setzt sich das Ziel, die moderne Frau zu bilden und ihre Teilnahme am Berufsleben zu fördern. Ein Forum für den Austausch soll hier entstehen, ein Frauen-Netzwerk, um – gefördert durch die Spenden einflussreicher Gattinnen – ein Institut zu schaffen, das insbesondere Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen etwa bei Ausstellungen und Veröffentlichungen unterstützen soll.

Schirmherrin des Frauen-Netzwerks ist die Königin von Rumänien

Die Frauenvereinigung folgt einem angelsächsischen Vorbild. Zur Eröffnung der Klubräume ist die Mitbegründerin des Londoner Lyceum Clubs, Constance Smedley, nach Berlin angereist. Die kleine Frau sitzt lächelnd auf dem Sofa in der Bildmitte, rechts von ihr hat Ellen von Siemens, die Frau des Unternehmers Arnold von Siemens, Platz genommen. Links von Smedley sitzt, halb abgewandt vom Betrachter, die erste gewählte Präsidentin des Berliner Lyceum-Klubs, Hedwig Heyl. Ihrer Einladung sind eine Reihe wohlmögender Damen der Berliner Gesellschaft in das gediegene Ambiente zwischen Perserteppichen und Palmpflanzen gefolgt. Schirmherrin des Klubs ist die Königin von Rumänien, Prinzessin Elisabeth zu Wied.

Die Vorstandsdamen entfalten in der Folgezeit eine rege Vereinstätigkeit. In den Räumen an der Potsdamer Straße, an die sich eine aufwendig gestaltete Gartenanlage anschließt, finden Salongespräche und Vorträge zur Frauenfrage, zu Kultur, Wissenschaft und Forschung statt. Internationale Kontakte werden gepflegt. Ab 1906 erscheint eine Vereinszeitung, die über die Klub-Aktivitäten informiert. Zu den Mitgliedern gehören bald wichtige Protagonistinnen der Frauenbewegung wie die Juristin Marie Rasche, die Schriftstellerin und Pazifistin Bertha von Suttner, Frauenrechtlerinnen wie Gertrud Bäumer und Alice Salomon, später auch die Politikerin Marie-Elisabeth Lüders und die Künstlerin Käthe Kollwitz.

Besonders die Präsidentin Hedwig Heyl macht sich in den Anfangsjahren um das Ansehen des Lyceum-Klubs verdient. 1908 organisiert sie mit großem Erfolg eine Internationale Volkskunstausstellung im Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz, 1912 folgt eine Schau mit dem Titel „Die Frau in Haus und Beruf“ in den Ausstellungshallen am Zoo. Die Gattin des Charlottenburger Farbenfabrikanten Georg Heyl, mit dem sie fünf Kinder hat, ist eine Pionierin der Frauen- und Sozialpolitik. In den 1880er Jahren gründet sie auf dem Firmengelände ihres Mannes einen Kindergarten für die Arbeiterfamilien, dann eine Koch- und Haushaltsschule für Frauen, schließlich folgt 1890 die erste Gartenarbeitsschule für Frauen in Marienfelde. 1904 organisiert sie einen Internationalen Frauenkongress in Berlin, der große öffentliche Beachtung findet.

Doch mit den Träumen des Kaiserreichs vom „Platz an der Sonne“ fällt ein Schatten auf die Biografie der Frauenrechtlerin. 1910 wird Hedwig Heyl Vorsitzende des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft. Ihre vornehmste Aufgabe sieht sie nun darin, einer drohenden „Verkafferung“ deutschen Blutes vorzubeugen. Um Mischehen zwischen Deutschen und fremdrassigen Frauen in den „Schutzgebieten“ zu verhindern, wirbt sie in der Heimat um deutsche Frauen als Exportware. „Auswanderungs- und heiratswillige Mädchen“ sollen für die Kolonialherren in die Fremde gehen.

Alle Beiträge unserer Serie mit Berlin-Bildern aus der Kaiserzeit unter www.tagesspiegel.de/fraktur

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