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Teurer Tanz: Für die Staatliche Ballettschule scheute die Bildungsbehörde keine Kosten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Fragwürdiger Umgang mit Berliner Steuergeldern: Wirtschaftsprüfer beanstanden hohe Ausgaben der Staatlichen Ballettschule

Der Leiter der Staatlichen Ballettschule unternahm zahlreiche Reisen, die er sich von seiner Stellvertreterin genehmigen ließ. Vorschriftsmäßig war das nicht.

Die Affäre um die Leitung der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik in Berlin weitet sich zunehmend zu einem Skandal um die Schulaufsicht aus. Denn inzwischen geht es nicht mehr nur um das vielfach berichtete „Klima der Angst“ an der Schule, sondern auch um den Umgang mit Steuergeldern. Am Freitag gibt es dazu einen ersten Termin vor dem Arbeitsgericht.

Die finanzielle Dimension ist aufgetaucht im Rahmen einer dritten fristlosen Kündigung, die die Senatsverwaltung für Bildung gegen den langjährigen Leiter der Ballettschule, Ralf Stabel, ausgesprochen hatte: Diese Kündigung wurde damit begründet, dass Stabel sich seine zahlreichen Dienstreisen – etwa in die USA, nach Mexiko und Kuba – nicht von der Schulaufsicht, sondern nur von seiner eigenen Stellvertreterin genehmigen ließ.

Am Montag wies allerdings Stabels Anwalt Jens Brückner darauf hin, dass es von 2007 bis Januar 2019 ein „Einvernehmen“ mit der Schulaufsicht gegeben habe, die Dienstreisen durch Stabels Stellvertretung genehmigen zu lassen. Das habe sich erst mit einer Schulleitersitzung am 30. Januar 2019 geändert.

Brückner zitiert aus einem Protokoll dieser Sitzung, wo es zum Thema „Dienstreiseanträge“ hieß, dass „die derzeitige Praxis“ keine Anwendung mehr finde. Anträge müssten „immer über die Stabstellenleitung“, also über die Schulaufsicht, gehen.

Allerdings hat sich Stabel dennoch auch nach dem 30. Januar nochmals Dienstreisen durch seine Stellvertreterin abzeichnen lassen. Brückner begründet das damit, dass die Stabstellenleitung „aufgrund ihrer internationalen Aktivitäten nicht immer erreichbar“ gewesen sei. Daher seien zwei „kurzfristige Anträge entsprechend der über zwölfjährigen Verwaltungspraxis von der stellvertretenden Schulleitung genehmigt worden“.

Dienstreisen in Höhe von 60.000 Euro

Warum die Verwaltung im Januar 2019 die Genehmigungspraxis plötzlich thematisierte, lässt sich nur vermuten, da sich die Bildungsverwaltung zu „laufenden Verfahren“ nicht äußert. Möglicherweise hängt der Zeitpunkt damit zusammen, dass sich die Reisekosten zwischen 2015 und 2018 auf rund 60.000 Euro fast verdreifacht hatten. Dies geht nach Tagesspiegel-Informationen aus einem Bericht von Wirtschaftsprüfern hervor, der im Auftrag der Bildungsverwaltung erstellt wurde. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Eliteschulen zu diesem Zeitpunkt von der Schulaufsicht der berufsbildenden Schulen in die Verantwortung Stabsstelle wechselten

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Der Bericht hält nicht nur fest, dass es „zahlreiche Verstöße gegen das Bundesreisekostengesetz“ gegeben habe, sondern gibt auch Aufschluss über den sonstigen Umgang mit öffentlichen Geldern. So habe es eine „formlose Vergabe“ von Mitteln für Feste wie die Jubiläumsgala zum einjährigen Bestehen des Landesjugendballetts gegeben, die die Prüfer für eine „öffentliche Bildungseinrichtung“ als „überdimensioniert“ einstufen. Es seien auch massenhaft kostenlose „Ehrenkarten“ vergeben worden. Zudem seien Aufträge in vierstelliger Höhe – etwa für Fotos für einen Flyer – vergeben worden, ohne Vergleichsangebote einzuholen.

Ein Schulleiter beim Spanischkurs

Auch für die Anschaffung zahlreicher iPads waren öffentliche Gelder da, und die Schulaufsicht hatte offenbar nichts dagegen, dass Stabel zwei Spanischkurse abrechnete, um die Ballettschule im Ausland besser vertreten zu können. Einer der Kurse fand dem Bericht zufolge sogar in der "Kernarbeitszeit" eines Schulleiters von 9 bis 12 Uhr statt. Warum die Schulaufsicht auch dies durchgehen ließ, dürfte ebenso noch zu klären sein wie die Frage, warum sie keinen Anstoß daran nahm, dass Stabel allein 2019 viermal ohne Schüler auf Staatskosten nach Havanna flog. Auch Fernreisen nach Japan, Moskau und Brasilien fanden ohne Schüler statt. Ob dies "mit einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung" im Einklang stehe, sei zu prüfen, empfiehlt der Bericht.

Mehrfach auf Staatskosten nach Havanna

Obwohl die Wirtschaftsprüfer den Berichtsauftrag von der Bildungsverwaltung erhalten hatten, wird Kritik an deren Schulaufsicht deutlich formuliert. So heißt es auch in Bezug auf kostspielige Veranstaltungen der Schule, dass eine "verstärkte Kontrolle der sparsamen Mittelvergabe durch das Aufsichtsorgan" angeraten sei.

Auch an einer anderen Stelle wagen sich die Wirtschaftsprüfer weit vor. So formulieren sie den "Eindruck, dass der Bildungsauftrag der Einrichtung im Zusammenhang mit der Durchführung von Auftritten zunehmend hinter die Einnahmeerzielungsabsicht zurücktritt“ .

Die Vorkommnisse an der Ballettschule werden seit vielen Monaten untersucht.
Die Vorkommnisse an der Ballettschule werden seit vielen Monaten untersucht.

© Stephanie Pilick dpa

Die Gepflogenheiten im Umgang mit öffentlichen Geldern dürfte nicht nur den Bund der Steuerzahler interessieren, sondern auch die übrigen öffentlichen Schulen. So berichtet der Leiter des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums in Pankow, Ralf Treptow, dass etwa seine Anträge auf Zuschüsse zu Jubiläumspublikationen allesamt abgelehnt wurden.

Ein Cocktailempfang in New York

Auch sonst gibt sich die Bildungsverwaltung eher knauserig, wenn Schulen kleine Wünsche vorbringen: "Als eine Schule aus Restmitteln ihres Verfügungsfonds mal ein Büfett veranstaltete, war das für die Schulaufsicht ein großes Thema, erinnert sich ein Schulleiter. Ganz anders bei der Ballettschule: Sie bekam anlässlich einer Reise nach New York sogar noch rund 204,80 Euro für einen "Cocktailempfang" für mitreisende Schüler und Lehrer erstattet. Die "dienstliche Notwendigkeit" erschließt sich den Wirtschaftsprüfern nicht.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) muss daher mit Fragen rechnen: Etwa der, warum die Ballettschule derart bei der Mittelvergabe bevorzugt wurde.

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Vor Gericht geht es diese Woche allerdings nicht um die Sonderbehandlung der Ballettschule durch die Schulaufsicht, sondern um die drei fristlosen Kündigungen Stabels. Bei der ersten ging es um den Vorwurf, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten der Kinder – nach den abendlichen „Nussknacker“- Aufführungen in der Lindenoper – nicht eingehalten worden seien. Zudem habe Stabel seine Unterrichtsverpflichtung nicht erfüllt. In dieser Sache findet am Mittwoch das Hauptsacheverfahren statt.

Ein Schulleiter - drei Kündigungen

In einer weiteren Kündigung vom Juni wurde Stabel vorgeworfen, in zwei Fällen Abschlusszeugnisse ausgestellt zu haben, ohne dass die entsprechenden Voraussetzungen für den Abschluss erfüllt oder dokumentiert waren. Sein Anwalt wies allerdings auf Anfrage darauf hin, dass der „Vorsitzende des Prüfungsausschusses der zuständige Schulaufsichtsbeamte der Senatsverwaltung für Bildung war, der auch das Zeugnis unterzeichnet habe“. Diese Verhandlung steht noch aus. Für diesen Freitag schließlich wurde der Gütetermin zu den Dienstreisen anberaumt.

Ebenfalls vor dem Arbeitsgericht anhängig ist eine Klage von Gregor Seyffert, dem Leiter des Landesjugendballetts, dem die Bildungsverwaltung ebenfalls gekündigt hatte. Der Gütetermin verlief im Mai ohne Einigung, der Kammertermin ist auf den 28. Januar 2021 angesetzt, wie sein Anwalt auf Anfrage mitteilte. Auch er wird von Jens Brückner vertreten. Seyffert hat ebenso wie Stabel hat seit März Hausverbot.

Stabels Stelle ist längst ausgeschrieben. Die Geschäfte führt zwischenzeitlich der angesehene ehemalige Berufsschulleiter Dietrich Kruse. Er wird bis zur Besetzung der Stelle die Reformen anstoßen müssen, die Scheeres in Gang setzen möchte.

Um dafür den richtigen Weg zu finden, hatte die Senatorin eine Expertenkommission beauftragt. Dem Vernehmen nach soll sie ihren Bericht kommende Woche vorstellen.

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