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Mit der Aktion wollen Aktivist:innen den Berichten aus griechischen Flüchtlingslagern Gesichter geben und die Betrachtenden zum Nachdenken anregen. Europa müsse endlich hinsehen, lautet ihre Forderung. Fotos: Kitty Kleist-Heinrich

© Kitty Kleist-Heinrich

Fotoaktion am Tempelhofer Feld in Berlin: 155 Portraits sollen auf die Situation an Europas Grenzen aufmerksam machen

Aktivist:innen haben Menschen in einem griechischen Geflüchtetenlager fotografiert. Ihre Bilder sollen den Nachrichten nun ein individuelles Gesicht geben. 

Kimiya, eine junge Frau mit gepunktetem Tuch und Sonnenbrille im Haar, die in die Kamera lächelt. Opanga, von dessen Gesicht hinter Käppi, Brille und Gesichtsmaske nur die Augen hervorlugen. Sanam, ein Mädchen mit Elchköpfen am Haarreifen, die schüchtern grinst.

155 schwarz-weiße Fotos hängen seit Samstag am Zaun der ehemaligen Geflüchtetenunterkunft am Tempelhofer Feld. Sie zeigen die Gesichter von 155 Menschen, die in dem Flüchtlingscamp Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos leben. 

Sie schauen die Betrachtenden direkt an, fordern sie dazu auf, ihnen in die Augen zu sehen. „Europe look me in the eyes“, Europa, sieh mir in die Augen, ist auch der Titel der Fotoaktion, die zeitgleich in 18 europäischen Städten stattfindet. Neben Berlin hängen die gleichen Fotos unter anderem in Lissabon, Frankfurt, Barcelona und Brüssel.

Initiiert wurde die Aktion von einer Gruppe Aktivist:innen, die sich auf Lesbos kennengelernt haben. In Berlin organisiert Frederike Drössler die Kampagne. „Nach dem Brand im Flüchtlingscamp Moria haben sich mehrere Aktivistinnen getroffen“, erzählt Drössler am Telefon. Sie seien damals auf das Projekt „Inside out“ des bekannten französischen Fotografen JR gestoßen. 

JR hatte 2011 einen mit 100 000 Euro dotierten Preis gewonnen und investierte das Geld in ein partizipartives Kunstprojekt, mit dem er die Welt verändern wollte – indem er sie von innen nach außen dreht, also „Inside out“. Seither hängen mehr als 1200 Gruppen schwarz-weiße Porträts in 127 verschiedenen Ländern auf, um auf Themen wie Diversität, Klimawandel und Gewalt aufmerksam zu machen.

Hinter jedem der 155 Portraits verbirgt sich eine persönliche Lebensgeschichte.
Hinter jedem der 155 Portraits verbirgt sich eine persönliche Lebensgeschichte.

© Kitty Kleist-Heinrich

„Europe look me in the eyes“ ist eine Art Neuauflage von „Inside Out“. „Wir haben JR kontaktiert, er hat zugestimmt und dann wurde die Aktion ganz schnell viel größer, als wir dachten“, erzählt Frederike Drössler. Die Aktivist:innen porträtierten die Geflüchteten direkt im oder vor dem Lager. „Wir möchten, dass den Menschen in die Augen geschaut wird, dass einfach klar wird: Das sind keine Zeltnummern, das sind Menschen. Jeder soll sehen, was an den europäischen Außengrenzen passiert.“

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Finanziert wurde die Aktion von den Aktivist:innen selbst. „Auf dem Tempelhofer Feld haben wir das Glück, dass die Bilder vom Security Team geschützt und, wenn sie zum Beispiel bei starkem Wind abfliegen, wieder befestigt werden“, sagt Frederike Drössler. 

In anderen Städten, etwa in Lyon, seien Fotos von Gegner:innen abgerissen worden. „Aber wir bleiben da hartnäckig und hängen die wieder auf. Wir wollen, dass das gesehen wird“, sagt Drössler.

Die Aufnahmen hängen am Rande des ehemaligen Flughafengebäudes in Tempelhof, das zwischenzeitlich als Unterkunft für Geflüchtete diente.
Die Aufnahmen hängen am Rande des ehemaligen Flughafengebäudes in Tempelhof, das zwischenzeitlich als Unterkunft für Geflüchtete diente.

© Kitty Kleist-Heinrich

Ziel sei es, die Menschen dazu zu bewegen, stehen zu bleiben, die Porträts zu betrachten und zum Nachfragen anzuregen. „Wir haben da in den vergangenen Tagen schon tolle Begegnungen gehabt“, sagt Frederike Drössler. Die Aktion soll dazu führen, dass Druck auf die europäischen Regierungen ausgeübt wird, damit diese Maßnahmen ergreifen, um die Geflüchteten zu unterstützen. 

[Weitere Infos zur Aktion gibt es unter www.insideoutproject.net]

„Auf unseren Portraits sieht man Menschen, die Fürchterliches erlebt haben, die ihre Heimat verlassen haben auf der Suche nach einem sicheren Ort. Sie alle sind Menschen wie du und ich“, sagt Drössler. 

Die abgebildeten Menschen sollen zu einer Art Vergrößerungsglas für all jene Geschichten und Schicksale werden, die sich an den europäischen Außengrenzen abspielen: Geschichten über Menschenhandel, Gewalt, überfüllte Lager, unmenschliche sanitäre Bedingungen und Abschiebungen in zerrüttete Länder. „Europa kann vor dieser humanitären Katastrophe nicht länger die Augen verschließen“, sagt Frederike Drössler.

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