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Beim Mais erwartet Gerloff einen Totalausfall, bei anderen Sorten mindestens 50 Prozent Ernteeinbuße.

© Felix Hackenbruch

Folgen der Dürre für die Landwirtschaft: "Hier wächst nichts mehr"

Die Dürre hat seine Ernte gekostet. Für Bauer Gerloff aus Teetz in Brandenburg wird es finanziell eng. Jammern will er aber nicht.

Jens Gerloff stapft über sein ausgedörrtes Maisfeld. „Normalerweise“, sagte er und streckt den Arm über den Kopf, „normalerweise wäre der Mais jetzt so hoch“. Gerloff läuft weiter, die braunen Maispflänzchen streifen seine Knöchel, etwas Staub wirbelt auf. Ein bisschen tiefer im Feld findet er ein paar Pflanzen, die ihm bis zur Hüfte reichen. Er öffnet die Rispe einer Pflanze und zeigt den Kolben. Nicht größer als sein Daumen. „Hier wächst nichts mehr“, sagt er und wischt sich Schweiß von der Oberlippe. Es ist kurz nach 10 Uhr morgens, doch das Thermometer zeigt bereits über 30 Grad. Ernten wird der 54-jährige Bauer hier nicht, seine Kühe will er in ein paar Tagen auf das Feld lassen. Damit spart er sich immerhin etwas Futter, denn auch das wird langsam knapp.

Im vergangenen Jahr kosteten ihn Starkregen die Ernte

So einen Sommer hatten wir noch nie“, sagt Gerloff. Dann überlegt er kurz und fügt hinzu: „Das habe ich letztes Jahr aber auch schon gesagt.“ Waren es im vergangenen Jahr Starkregen, die ihn die Ernte kosteten, ist es in diesem Jahr die nicht enden wollende Dürre. „Anfangs erwartete ich nur Verluste beim Getreide, aber es kam einfach kein Regen“, sagt der Landwirt. Seit April hatte es bei ihm nicht mehr richtig geregnet, bei den sandigen Böden fatal. Beim Mais erwartet er nun einen Totalausfall, bei anderen Sorten mindestens 50 Prozent Ernteeinbuße.

Seinen Hof hat Jens Gerloff in Teetz, einem 160-Einwohner-Ortsteil von Kyritz tief in der Prignitz. Auf der Fahrt dorthin hagelt es auf den schmalen Alleen immer wieder Eicheln auf das Autodach. Selbst die Eichen mit ihren tiefen Wurzeln trennen sich nun von überflüssigem Ballast – zwei Monate früher als üblich. Der Ort selbst ist ein verschlafenes Idyll. Außer einer Bushaltestelle gibt es nur einen Briefkasten und eine Backsteinkirche. An der Straßenkreuzung in der Dorfmitte haben die Anwohner eine überdachte Bierbankgarnitur aufgestellt. „Teetzer Stammtisch“, steht darüber. Samstags treffen sie sich hier um 18 Uhr, auf dem Tisch steht ein Porzellanelefant.

„Ein Wirt würde im Dorf nicht überleben“, sagt Gerloff. Teetz schrumpfte in den vergangenen Jahrzehnten. Viele Bewohner gingen, andere starben, Häuser drohten zu verfallen. Ein paar Familien kommen nun zurück, inzwischen fährt der Schulbus wieder regelmäßig. Gerloffs Familie lebt seit Generationen in Teetz, auch er selbst wollte nie weg. „Ich bin der Tradition wegen Bauer geworden“, sagt er. Den Hof hat er von seinem Vater übernommen, der hatte ihn von seinem. Früher hatte er einen Milchbetrieb, doch nachdem die Preise abrutschten, stellte er sich um. Heute hat er 130 Rinder und etwa 300 Hektar Grün- und Ackerfläche. Ein klassischer Familienbetrieb, wie es in Brandenburg rund 4000 gibt.

Bauernverband fordert Hilfen

Viele davon leiden wie Gerloff unter der Dürre, manche sind gar existenziell bedroht. Der Deutsche Bauernverband forderte bundesweit unlängst Hilfen in Höhe von einer Milliarde Euro. Selbst der Brandenburger Bauernbund, dem auch Jens Gerloff angehört, hat sich nach langer Überlegung in dieser Woche für Hilfen ausgesprochen, solange sie fair und unbürokratisch verteilt werden.

„Grundsätzlich würde ich Hilfen annehmen“, sagt Gerloff nach einigem Zögern. Bis vor ein paar Wochen hatte er noch eine andere Meinung, doch die anhaltende Hitze lässt ihm keine andere Wahl mehr. Im vergangenen Jahr hatte er keinen Antrag auf Hilfsgelder gestellt. „Für meinen kleinen Betrieb wäre das zu viel bürokratischer Aufwand gewesen“, sagt Gerloff. Tatsächlich muss man als Betrieb Ernteverluste von mindestens 30 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren nachweisen. Keine einfache Aufgabe, 2017 wurde der Fördertopf nicht vollständig ausgeschöpft.

Gerloff findet das System ungerecht. „Warum sollte mein Nachbar mehr bekommen als ich“, fragt er. Immerhin regne es überall gleich wenig. „Wenn ein Betrieb in der Existenz bedroht ist, dann hat das nicht allein mit der Dürre zu tun“, sagt er und kritisiert die Großbetriebe, die mit viel Fremdkapital zu viel Wachstum erwirtschaften wollten. Er fürchtet, dass die Gelder zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen könnten. Viele der Ackerparzellen werden alle vier Jahre neu vergeben. Wer am meisten bietet, bekommt die besten Flächen. In der Prignitz, die Brandenburgs sandigste Böden hat, ein entscheidender Faktor.

Bauern versuchen, auf den Klimawandel zu reagieren

Längst haben Landwirte in der Region mit anderen Möglichkeiten versucht, auf den Klimawandel zu reagieren. Auf einem Nachbarfeld bewässert ein Landwirt seine Möhren. „Da wurde das Grundwasser angebohrt“, berichtet Gerloff. 60 Meter tief ist der Brunnen. Der falsche Weg, findet er und befürchtet, dass mit dem Verlust der Wasserreserven das ganze Dorf austrocknen könnte. Gerloff hat einen anderen Plan. Er denkt über neue Anbautechniken nach. „Vielleicht baue ich mehr Gras an und ernte nicht mehr jedes Jahr“, sagt er. Sicher ist er sich noch nicht. Auch eine Bio-Produktion hat er sich schon überlegt, aber Aufwand und Auflagen sind hoch. „Manchmal fragt man sich schon, warum man sich das noch antut“, sagt er. Sein Bruder, mit dem er sich den Hof teilt, fährt inzwischen im Winter Lkw. „Ich habe das Glück, dass meine Frau als Lehrerin Geld verdient.“

Trotzdem fällt es ihm schwer, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Gerloff hat in der DDR erlebt, wie der Staat die Betriebe kontrollierte. Seine Unabhängigkeit ist ihm wichtig, doch schon jetzt kommt er ohne Zuschüsse nicht über die Runden. „Es ist nicht schön, jedes Jahr Bauern-Hartz-IV zu beantragen“, sagt er und berichtet von Bekannten, die sich über ihn lustig machen.

Gerloff will nicht wie ein jammernder Bauer wirken. Seine Worte wählt er mit Bedacht, man merkt, wie es in ihm arbeitet. „Manchmal frage ich mich, wie mein Urgroßvater oder mein Großvater solche Sommer überstanden hätten“, sagt er nachdenklich zum Abschied. Vermutlich seien sie mit weniger zufrieden gewesen, meint er. Vielleicht, so der Bauer, liegt darin das Problem der modernen Landwirtschaft. „Alles ist auf immer mehr Wachstum ausgelegt, dabei bleibt unsere Erde doch immer gleich groß.“

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