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Mit gelben Badekappen stürzten sich beim 4. Flussbad-Pokal hunderte Tapfere in den Spreekanal.

© Thilo Rückeis TSP

Flussbad-Pokal an der Spree: Badespaß an der Museumsinsel

Beim vierten Flussbad-Pokal am Sonntag durften auch Hobbyschwimmer starten. Ein Erfahrungsbericht aus der urbanen Tiefsee.

Ob die Chemikerin im Publikum ist, die sich vor ein paar Tagen in der Redaktion gemeldet hat, damit der Tagesspiegel doch bitte vor diesem gesundheitsschädlichen Unfug warnen möge? Jedenfalls ist da oben am Geländer über der Ufermauer kein Platz frei. Dicht an dicht stehen die Leute, um jenen zuzuschauen, die sich an diesem Sonntag in den Spreekanal stürzen, also in jenen Arm des Flusses, der auf knapp zwei Kilometern von der Fischer- bis zur Museumsinsel reicht, wo er sich an der Monbijoubrücke wieder mit der Stadtspree vereint.

Hier vor dem Bodemuseum sind mittags zunächst 123 angemeldete Sportler gestartet: Flussbad-Pokal, der vierte, veranstaltet vom gleichnamigen Verein, in dem sich Träumer und Sachverständige mit gemeinsamem Enthusiasmus dafür engagieren, dass man in diesem Teil der Spree wieder baden kann. Kann, nicht muss. Aber sollte man? Ja, und zwar jetzt!

Die wahren Sportler haben also die 1000 Meter – von der Monbijoubrücke bis zur Wendeboje am Lustgarten und zurück – in einer Viertelstunde erledigt, der Schnellste in 12:49. Dafür gibt es Applaus und ein Badetuch mit dem rettungsberingten Berliner Bär, dem Maskottchen des Flussbadvereins. Doch nun rufen die Amateure: „Wir wollen rein, wir wollen rein!“ Ab 15 Uhr war freies Schwimmen versprochen; mehr als 400 Leute haben sich teils noch spontan angemeldet. Jetzt endlich dürfen die ersten die schmale Treppe am Brückensockel hinabsteigen. Köpper – und los.

Tagesspiegel-Redakteur Stefan Jacobs vor dem Start am Bodemuseum.
Tagesspiegel-Redakteur Stefan Jacobs vor dem Start am Bodemuseum.

© Thilo Rückeis

Erste Erkenntnis: Von unten sehen Ufermauern doppelt so hoch aus wie von oben. Die Perspektive aus dem Wasser ähnelt der der Erdmännchen im Zoo. Hoffentlich wirft keiner Brotstücke herunter. Aber jetzt aufs Wesentliche konzentrieren: aufs Wasser. Seit Jahrzehnten ist das Baden in der Stadtspree verboten, und mehr als ein Jahrhundert lang war es ungesund. Richtig lecker wirkte es von oben auch heute nicht – aber aus der Nähe sieht es besser aus. Leicht militärischer Grünton, aber wenn man sich ins Wasser stellt wie ein Seepferdchen, sind die Füße noch zu erahnen.

Die Oberfläche ist abgesehen von einem woher auch immer angeschwemmten Seerosenblatt, das sich unvermittelt und kalt auf die Schulter legt, ohne Befund, und vom Boden hat das Technische Hilfswerk vorab die Einkaufswagen und Fahrräder abgefischt, die in Berlin halt so ins Wasser fallen. So schwimmt man zufrieden los, guckt hoch zur Bahnbrücke, wo gerade der Interregio-Express vorbeirollt und ein Junge am Fenster winkt. Beim Zurückwinken schwappt prompt eine Kostprobe in den Mund. Schmeckt neutral; Glück gehabt. Am Donnerstag hatten die Wasserbetriebe zwei Proben genommen. Samstag kamen die mit dem Befund „ausgezeichnete Badewasserqualität“ aus dem Labor.

Gegenüber dem Pergamonmuseum fällt die Ufermauer ab, aber zwei Meter sind genauso schlecht wie vier, wenn man eine Pause braucht. Interessanter Aspekt, über den man als Umlandplanscher gar nicht nachdenkt. Während Ehrgeizlinge vorbeikraulen, teilt man also seine Kräfte ein, nickt den Rettungsschwimmern zu und versucht, den gelegentlichen Geruch zu definieren, der irgendwo zwischen Bauschutt, Steakhaus-Abluft und Neuköllnisch Wasser liegt. Nicht intensiv, aber markant.

Links ragt das Weltkulturerbe zum Himmel hoch (man guckt von unten ins Regenfallrohr), rechts das Kanzlerinnenwohnhaus. Und geradezu beflügeln die Figuren der Schlossbrücke nicht nur sich selbst, sondern auch die Schwimmer. Die sehen mit ihren gelben Badekappen aus wie Quietscheenten, und vielen ist auch zum Quietschen zumute: Welch erhabenes Gefühl, die Mitte Berlins auf diese Weise zu erobern!

Während die viel gepriesene Lässigkeit sonst zum Laissez-faire verkommen ist, kann Berlin hier noch einmal richtig cool sein. Nicht, dass es ein Menschenrecht auf Planschen am Weltkulturerbe gäbe. Aber eines auf sauberes Wasser in dem Fluss, an dem vor fast 800 Jahren zwei Käffer namens Cölln und Berlin in den Sumpf gebaut wurden. Und seitdem fließt durch sie die Spree, die einem nie so nahe war wie in diesem Moment.

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