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Faszination Monopoly.

© Tim Brakemeier/dpa

Fluch der Spieleabende: „Mensch ärgere Dich nicht? Doch!“

An Spieleabenden können Freundschaften zerbrechen, nichts langweilt mehr als Würfel, Figuren und Karten. „Lasst uns was spielen!“ – ein Satz zum Davonlaufen.

Das war’s. Der Sommer ist weg. Der Herbst kommt. Und mit ihm Regen, Wind, Dunkelheit, Figürchen, Kärtchen, Würfelbecher. Als wäre es Gesetz, werden überall gleichzeitig mit den Gummistiefeln auch die Brettspiele aus den Kellern geholt. Plötzlich sind Einladungen zum Kaffee am Wochenende nicht mehr harmlos. Der letzte Kuchenkrümel liegt noch auf der Zunge, da kommt er, dieser Satz: „Lasst uns doch etwas spielen.“ Für mich Zeichen zum sofortigen Aufbruch. Ein bisschen Scrabble am Freitagabend? Ohne mich. Spieleabende sind eine Erfindung von Menschen, die auch das erste Treffen mit den Schwiegereltern für das Größte hielten. Mensch ärgere Dich nicht? Doch!

Laut Statistik spielen 56 Prozent der jungen Erwachsenen in Deutschland Gesellschafts- und Kartenspiele. Leute, was ist los mit euch? Schaut auf die Ruheständler, da spielen nur noch acht Prozent. Die haben es begriffen – das ist total öde. Es gibt so vieles, was ich an einem grauen Herbsttag lieber mache, als Klötzchen über eine Pappe zu schieben: ein Buch lesen, Serien gucken, kochen, Musik hören. Oder mich unterhalten, einfach so.

Vorsicht vor schlechten Verlierern!

Auch treten beim Spielen Eigenschaften meiner Freunde zutage, von denen ich lieber nichts wüsste. Krampfhafter Ehrgeiz zum Beispiel. Oder sie sind schlechte Verlierer, schummeln und schmollen. Der niederländische Philosoph Johan Huizinga schrieb Ende der 1930er Jahre, das Spiel sei eine der Grundlagen der Zivilisation. Doch sei es auch Selbstzweck. Und Möglichkeit, herauszutreten aus dem ernsten, wirklichen Leben. Da habt ihr es: Insolvenz beim Monopoly ist kein Grund, eine jahrelange Freundschaft infrage zu stellen. Pappe zu, Deckel drauf.

Vor ein paar Jahren habe ich einen ernsthaften Versuch unternommen, meine Abneigung zu überwinden. An der Hand einer Freundin betrat ich ein Café, das regelmäßige Spieleabende anbietet. Wir fanden eine Gruppe netter Menschen, bestellten Tee. Sie begann, die Regeln des ausgewählten Spiels vorzulesen. Ich nickte weg. Es war irre komplex. Konzentriert brüteten alle über Häufchen kleiner Karten und einem Spielfeld, dessen Illustration sich mir nicht erschloss. Das sei das Spannende am Spielen, erklärte meine Freundin, das Nachdenken, die Strategie. Da diskutiere ich doch lieber die Lösung der Rentenfrage.

Keine Flucht nach Sagaland

Natürlich erkenne ich die Vorteile des Spielens. Auf dem Brett sind alle gleich. Rund um ein Spiel kommen an Küchentischen Familien zusammen; oder in Spielecafés Menschen, die sich vorher nicht kannten. Sie alle reden miteinander, was schön ist. Gemeinsames Spielen verbindet. Es hat seine Gründe, dass Weihnachten schon immer die meisten Gesellschaftsspiele gekauft und verschenkt wurden. Fest der Liebe, lasst uns doch … 2016 lag der Jahresumsatz für Spiele und Puzzles bei 450 Millionen Euro, seit Jahren wächst er stetig. Sechs bis zehn Spiele gebe es in jedem Haushalt, sagt die Statistik. Nur in meinem nicht.

Wenn die Welt um uns herum auseinanderfällt, müssen wir zusammenrutschen, ich bin dabei. Aber eine Flucht nach Sagaland ist keine Option.

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