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Dreharbeiten wie hier in Babelsberg sind größtenteils untersagt, deshalb sind zwei große US-Produktionsfirmen abgereist.

©  Bernd Settnik/dpa

„Feuert sie alle“: 800 Filmschaffende aus Berlin und Brandenburg verlieren ihren Job

Im Frühjahr sollten zwei Hollywood-Drehs in Babelsberg stattfinden. Die wurden infolge der Coronakrise abgesagt. Die Filmemacher sind nun in Not.

Von Katharina Wiechers

Sie sollten an zwei der wichtigsten Hollywood-Produktionen beteiligt sein, die dieses Jahr in Deutschland gedreht werden sollten: „Matrix 4“ und „Uncharted“. Doch nun haben rund 800 Filmschaffende aus Berlin und Brandenburg wegen der Coronakrise ihre Jobs verloren.

Sie seien von einer Tochterfirma von Studio Babelsberg außerordentlich gekündigt worden, sagte Rechtsanwalt Steffen Schmidt-Hug am Montag, der Betroffene vertritt. Die Studio Babelsberg AG bestätigte die Kündigungen auf Nachfrage und verwies auf die allgemein schwierige Situation der Branche in der Krise.

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Noch am 16. März habe man morgens damit angefangen, in Babelsberg für „Girona“ – hinter dem Arbeitstitel verbirgt sich der Film „Uncharted“ – aufzubauen, berichtete ein Tonmann am Montag bei einer kurzfristig anberaumten Online-Pressekonferenz mit Betroffenen. Später am Tag seien dann per Mail die Kündigungen angekommen. Am 19. März folgte dann die Kündigung für „Ice Cream“ – der Projektname für „Matrix 4“, für den der erste Teil der Dreharbeiten in den USA bereits abgeschlossen ist.

Die Vertreter der US-amerikanischen Produktionsfirmen Warner Bros. („Matrix 4“) und Sony Pictures („Uncharted“) sollen die deutschen Kollegen bei ihrer überstürzten Abreise angewiesen haben, allen Mitarbeitern zu kündigen. „Fire them all“ – feuert sie alle, habe es geheißen, sagte Anwalt Schmidt-Hug.

Die Studio-Babelsberg-Tochterfirma „Central Scope“, die die Mitarbeiter eigens für die beiden Hollywood-Produktionen angeheuert hatte, folgte diesem Rat dann auch – aus Sicht des Anwalts war dies aber nicht rechtens. Zwar handele es sich in den meisten Fällen nur um zweckbefristete Verträge wie in der Kulturbranche üblich, sagte Schmidt-Hug. Allerdings endeten diese erst mit Erreichen des Zwecks, und dieser sei aus seiner Sicht die Fertigstellung des Films.

Die rund 90 Festangestellten arbeiten weiter

Studio Babelsberg ist anderer Meinung und hat Zweifel, ob die Dreharbeiten bald fortgesetzt werden können. „Da angesichts der aktuellen Lage nicht mit Sicherheit prognostiziert werden kann, wann, ob oder in welchem Umfang die Arbeiten wieder aufgenommen werden können, mussten die zeitlich befristeten Arbeitsverhältnisse der freien Filmschaffenden gekündigt werden“, sagte Carl Woebcken, Vorstandsvorsitzender der Studio Babelsberg AG, auf Anfrage.

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Studio Babelsberg sei, wie weltweit alle Unternehmen der Filmbranche, ebenfalls von der aktuellen Krise und den damit verbundenen Verzögerungen und Abbrüchen betroffen. Die rund 90 Festangestellten versuchen die Arbeit in den Studios und Werkstätten laut Woebcken „so weit wie erforderlich und möglich unter Einhaltung aller notwendigen Vorsorgemaßnahmen aufrechtzuerhalten“. Kurzarbeit sei für diese Mitarbeiter nicht beantragt worden.

Der Haupteingang vom Studio Babelsberg in Potsdam. Hier arbeiten rund 90 Festangestellte.
Der Haupteingang vom Studio Babelsberg in Potsdam. Hier arbeiten rund 90 Festangestellte.

© Andreas Klaer

Die befristeten Filmschaffenden, die nun gekündigt wurden, wollen sich indes wehren. Mehr als 300 von ihnen haben sich zu der Gruppe „Wir sind Babelsberg“ zusammengeschlossen und lassen sich von Schmidt-Hub vertreten. Es habe auch schon Gespräche mit Central Scope beziehungsweise Studio Babelsberg gegeben, berichtete der Tonmann, der seinen Namen nicht nennen wollte.

„Wir fallen durch das Raster“

Dabei habe es geheißen, Kurzarbeitergeld sei nicht möglich, da es sich um befristete Arbeitsverhältnisse handele. Außerdem seien die Fördermittel von Kulturstaatssekretärin Monika Grütters (CDU) noch nicht ausbezahlt worden, weil keine sogenannte Fertigstellungsversicherung vorlag. „Wir fallen durch das Raster“, sagte der Tonmann.

 Mehr als 300 Filmschaffende haben sich zu der Gruppe „Wir sind Babelsberg“ zusammengetan.
Mehr als 300 Filmschaffende haben sich zu der Gruppe „Wir sind Babelsberg“ zusammengetan.

© Andreas Klaer

Mit der Pressekonferenz hoffen die Betroffenen und Schmidt-Hub, den Druck auf Studio Babelsberg zu erhöhen und doch noch Gagen für die Mitarbeiter erwirken zu können. Eine Anfrage an die Staatsministerin blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Carl Woebcken vom Studio sagte: „Wir sind im ständigen Dialog mit den betroffenen Filmschaffenden und unseren langjährigen US-amerikanischen Partnern und bemühen uns mit Nachdruck, Lösungen zu finden.“ Das Studio Babelsberg appelliere an alle, diese schwierige Situation „konstruktiv und nicht polemisierend zu meistern.“

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