zum Hauptinhalt
Klingt nach was. Hajo Toppius und Dariya Kryshen mit ihren Instrumenten.

© Thilo Rückeis

Festival in Moabit: Hier können Sie Instrumente selbst bauen

Workshops, Performances und Diskussionsrunden – das Festival für selbstgebaute Musik widmet sich erfinderischen Klängen.

Ein altes Rohr, ein Schlauch, ein Luftballon und etwas Klebeband. Eine Gartenharke, Seitan und ein selbstgebauter Holzkasten. Aus diesen Materialien Musik machen? Schwer vorstellbar. Hajo Toppius bläst kräftig in den Gartenschlauch, der über einen Luftballon an das Rohr angeschlossen ist und erzeugt einen Ton, der an den Klang einer Trompete erinnert.

Analog statt digital

Dariya Kryshen zupft an den Saiten, die an der Gartenharke befestigt sind. Der Holzkasten dient als Resonanzkörper, um die Klänge zu verstärken. Auch der Sound klingt vertraut – er erinnert an eine Bassgitarre. Erstaunliche Klänge erzeugen ebenfalls ein alter Flüssigkeitsbehälter aus einem Labor und ein großer, rostiger Schraubenschlüssel aus der früheren Sowjetunion. Klopft man gegen den Schraubenschlüssel, entsteht ein sanfter Klang wie von einer Glocke.

Toppius und Kryshen gehören zum Veranstalterteam des Festivals für Selbstgebaute Musik. Sie verstehen sich aber nicht nur als Veranstalter, sondern auch als Künstlergruppe, die auf dem Festival mit selbstgebauten Instrumenten vertreten ist. „Wir kommen aus der musikalischen Ecke und haben immer viel selbst gebaut“, sagt Toppius.

„Wenn ein Schlagzeug gefehlt hat, dann haben wir Instrumente gebaut, die auch cool klingen.“ Fehlende Instrumente könnten auch zum Selberbauen motivieren, vor allem seien es aber Neugier und Spaß am Basteln, wie Toppius und Kryshen übereinstimmend erklären.

„Wenn man etwas selber baut und es entsteht ein Sound oder Klang, das ist dann ein magischer Moment“, beschreibt Toppius. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Sichtbarkeit. „Es fasziniert die Leute, zu sehen, wie Musik erzeugt wird“, sagt Toppius – auch mit Blick auf die Digitalisierung, die vor der Musik nicht Halt macht. Trotzdem versteht man sich nicht als Kontrapunkt „zum bösen Digitalen“, sondern als analoge Ergänzung.

Musik zum Selbermachen

Das kommt an. Toppius und Kryshen registrieren, dass das Interesse an selbstgebauter Musik stetig wächst, wie auch das Festival selber. „Angefangen hat alles als kleines Nachbarschaftsfest, mittlerweile ist das eine Spur größer geworden, auch internationaler“, blickt Toppius zurück. Erstmalig wird das Festival auch vom Hauptstadtkulturfonds gefördert.

„Selbstgebaute Musik kann jeder machen, dafür muss man nicht zehn Jahre Gitarre gespielt haben“, sagt Toppius. Genau das spiegelt sich auch in dem Festival wider. Es gibt nicht nur eine Bühne, auf der Konzerte gespielt werden, sondern viele Workshops und praktische Angebote zum Selberbauen und Musikmachen. Das wiederum trifft den von Toppius beschriebenen Grundansatz des Bauens von Musikinstrumenten: „Die Sachen selber in die Hand nehmen.“ Die Workshops werden auch von anderen Künstlergruppen angeboten; sie zeigen nicht nur ihre selbstgebauten Instrumente, sondern bauen welche mit den Besuchern.

[Festival für selbstgebaute Musik. 13. bis 15. September, Zentrum für Kunst und Urbanistik, Siemensstraße 27]

Politische Debatten nicht bloß Nebensache

Bei einigen Workshops gibt es zum Ende mit den selbstgebauten Instrumenten, die auch aus Lebensmitteln entstehen können, ein Konzert mit einer spontanen Performance zwischen den Künstlern und den Besuchern. Auch gesellschaftliche Themen kommen nicht zu kurz. Am Samstag gibt es einen Talk, in dem Künstlerinnen über Feminismus in der Szene sprechen.

Und auch das Thema Nachhaltigkeit ist natürlich präsent. So ist Kunststoff e.V. mit einem Stand auf dem Festival vertreten und zeigt, wie aus übrig gebliebenem Material Musikinstrumente gebaut werden. „Man scannt seine Bewegung nach Klang ab“, sagt Toppius, angesprochen auf Instrumente aus recyceltem Material.

Tim Spark

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false