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Thomas Mielmann (weißer Spargel) und Anton Rose (grüner Spargel) gründeten ihre Band im Rahmen eines Seminars.

© Thilo Rückeis

Fest in der Oberhafenkantine: So schräg feiert Berlin die Spargel-Saison

Das Berliner Duo Xiroi performt einen Trash-Schlager-Song über das liebste Gemüse der Deutschen. Donnerstag laden die Musiker zum schrägen Spargelfest.

Der Beat ist hart, das Thema ist klar: „Aus der Erde in die Sonne – Spargel – Freund der Erde, Freund der Sonne – Spargel.“ Im Video des Berliner Duos Xiroi geht es um des Deutschen liebstes Stangengemüse, Frauen in Tracht zeigen volle Erntekörbe, zwei Männer treten in Spargelkostümen auf, weiß und grün, schön trashig. Gedreht wurde der Clip mit dem überraschenden Titel „Spargel“ unter anderem in Beelitz, an Original-Schauplätzen sozusagen, und er fasst den Gemüsewahnsinn gut zusammen.

Aber die Band geht noch weiter, widmet ihm gleich ein ganzes Fest in der Oberhafenkantine schräg vor dem Festsaal Kreuzberg – und das nun bereits zum dritten Mal.

Die Idee zum Spargel-Song kam Thomas Mielmann, Filmemacher, Autor und weißer Spargel bei Xiroi, ganz spontan. „Ein Mädchen hat mir von ihrem Vater erzählt, der als Spargelverkäufer arbeitet. Plötzlich hatte ich die erste Zeile im Kopf. Dann habe ich Anton angerufen und wir haben das Lied weiter getextet.“ 2015 war das. Mit Hilfe von Freunden produzierten sie den Song und drehten das Video, das mittlerweile mehr als 30.000 Klicks auf Youtube hat.

Ein Jahr später folgte die Premiere des Spargelclips in der Oberhafenkantine inklusive Auftritt der beiden in ihren Kostümen. „Ein Dankeschön an die Menschen, die uns geholfen haben. Im darauffolgenden Jahr wurden wir öfter gefragt, ob wir wieder ein Spargelfest machen und so gingen wir alles größer an“, erzählt Anton Rose, Theaterschaffender, Autor und grüner Spargel.

Eine Band, entstanden im Dilettantismus-Seminar

Sie luden die amtierende Beelitzer Spargelkönigin sowie die ebenfalls lokale Tanztruppe „Die Spargelfrauen“ ein, entwarfen ein Spargel-Automaten-Spiel, stellten eine Spargel-Fotowand auf und servierten Spargel-Dogs vom Grill, eine vegetarische Hot-Dog-Variante. Ein Xiroi-Auftritt gehörte natürlich auch dazu.

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2017 wurde das Line-up durch die Nürnberger Quatsch-Schlagerband Himpfelshofer Herzensbrecher ergänzt, deren Lieder so schmalzige Titel tragen wie „Jalapeño Girl“ oder „Festes (für eine Nacht)“. Im vergangenen Jahr kam ein Spargelwettschälen hinzu und jede Menge weitere Gimmicks und Gäste, dieses Jahr etwa Future Franz, der mit seinem Song „Rauchen“ der Vorliebe für andere Stangen Ausdruck verleiht – immer etwas augenzwinkernd, so wie das ganze Spargelfest. „Wir haben einfach Lust, das, was uns Spaß macht, mit anderen zu teilen“, sagt Thomas Mielmann.

Ihm und Anton Rose kann es gar nicht schräg genug sein: Ursprünglich aus Hamburg treten die Kindheitsfreunde seit 2011 als Xiroi auf, benannt nach einem Hotel auf Mallorca, in dem sie einst wild gefeiert haben. „Wir haben beide an der Universität Hildesheim Kulturwissenschaften studiert, und dort ein Dilettantismus-Seminar belegt, im Rahmen dessen wir unseren ersten Song performt haben.“

In „Goodbye Goodbye“ geht es um eine gescheiterte Beziehung, was für sie genauso amüsant sein kann als eine Spargelhymne. Seither sind einige Lieder dazu gekommen, wie „Zweite Kasse“ über das Warten im Supermarkt bei nur einer geöffneten Kasse, der Song „Dreißig“ zur Angst vor dem runden Geburtstag behandelt, oder „Frosch im Hals“, der einen ärgert und ins Bett zwingt, obwohl man doch Abendpläne hatte.

Beim Beelitzer Fest wurden sie mit Spargel bezahlt

Warum die beiden Mittdreißiger ausgerechnet Trash-Schlager machen? „Mit Schlager können wir Themen, die uns umgeben und beschäftigen, aufgreifen. Es müssen ja nicht immer die großen Weltprobleme sein“, erklärt Anton Rose. „Schlager versucht nicht mehr zu sein als er ist“, ergänzt Thomas Mielmann. „Oft habe ich bei deutschsprachigem Pop das Gefühl, dass er nur behauptet, tief und emotional zu sein, dabei sind die Lieder meistens total flach.“ Als musikalische Vorbilder nennen Xiroi Roland Kaiser oder auch Adriano Celentano mit seinem italienischen Schlagerpop.

Beim Beelitzer Spargelfest Anfang Mai traten sie auch auf – und wurden in Stangengemüse bezahlt, den sie gleich für ihr eigenes Spargelfest verwerteten. Auch sonst geben sie ab und zu Konzerte, wobei das Publikum nicht nur amüsiert auf die Spargelbarden reagiert.

„Im Vorfeld werfen uns manchmal Leute vor, dass wir Schlager aus so einem ironischen Hipstergestus heraus machen. Wenn sie uns dann aber gesehen haben, wissen sie, dass das nicht stimmt. Umgekehrt sehen uns in Beelitz manche etwas komisch an, die vielleicht eher klassischen Schlager erwarten, aber den machen wir auch nicht.“ Auf der Bühne begleiten sie sich eher schlicht mit einem E-Piano und wenn sie nicht gerade in ihren Spargelkostümen stecken, haben sie Kapitänsmützen auf.

Eine Petition für Spargel-Emojis

„Spargel ist schon etwas sehr Deutsches“, sagt Thomas Mielmann. „Bei uns zuhause gab es in der Saison immer Spargel“. Und Anton Rose fügt hinzu: „In der Spargelzeit steht die Gastronomie Kopf.“ Anders als die meisten anderen Gemüse, nimmt der Spargel oft eine Hauptrolle auf dem Teller ein.

Buch-Autorin und Kolumnistin Margarete Stokowski bezeichnete ihn kürzlich gar als „alten weißen Mann der Kulinarik“, erinnert daran, dass es vor allem polnische und rumänische Erntehelfer seien, die die Stangen aus der deutschen Erde ziehen und forderte ein Ende des Spargel-Hypes. Das war FDP-Bundeschef Christian Lindner eine Replik wert, beim Parteitag Ende April sprach er sich für die deutsche Spargelvorherrschaft aus.

Gehört der Spargel in eine Reihe mit Autos, Vollkornbrot und Gartenzwergen? Warum er bei vielen so beliebt ist, können Anton Rose und Thomas Mielmann nur vermuten – auch da kann man sich fragen, wie ernst sie es meinen: „Vielleicht, weil er nicht nur gut schmeckt, sondern auch andere Sinne anspricht, so riecht der Urin stark nach ihm und optisch hat er etwas Phallisches an sich.“

Sogar eine Petition für Spargel-Emojis haben die beiden gestartet. Bald soll ihr Song auf der Streamingplattform Spotify zu hören sein. Dann kann man den Spargel auch außerhalb der Saison genießen.

Spargelfest am Donnerstag, 30. Mai, ab 15 Uhr in der Oberhafenkantine, Am Flutgraben 2. Eintritt 6 Euro. Infos unter auf Facebook und unter www.oberhafenkantine-berlin.de.

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