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RBB-Abendschau-Reporter Ulli Zelle wird am 19. Juni 70 Jahre alt.

© rbb/Gundula Krause

Fernseh-Legende Ulli Zelle wird 70: Der Mann, der jedes Eis zum Schmelzen bringt

Ulli Zelle ist das Gesicht der „Abendschau“. Zu seinem runden Geburtstag verkündet Berlins Universalreporter: „70 ist das neue 50.“

Mal Ulli Zelle anrufen. „Ja hallo“, sagt er, „ich habe mir grad ein Eis gekauft, das esse ich auf, dann melde ich mich“. Macht er dann auch umgehend, vorher kommt ein Foto vom Becher, das Eis war Salzkaramell, und schon hat er eine Anekdote am Start über das Eis namens „Verrückt“, das er auf Lanzarote mal gegessen hat. Verrückt? Es war Nuss sagt er, aber da hat jemand „Nuts“ falsch übersetzt, und dann wurde eben „verrückt“ draus. Ulkig, nicht wahr?

Nicht, dass dieser Dialog wichtig gewesen wäre. Aber er zeigt eben doch so nebenbei, wie das läuft mit Ulli Zelle, dem Universalreporter der RBB-„Abendschau“: Man kommt ins Quatschen, das hilft nichts, er gibt fast ebenso viel von sich preis, wie er aus seinem Gegenüber herausholt, und das ganz unabhängig davon, ob Kamera und Ton dabei sind oder nicht.

Er macht das überwiegend in seinem angestammten Biotop zwischen Wannsee und Marzahn, aber vermutlich würde er nichts anderes tun, wenn er irgendwo in Uganda mit dem Fallschirm landen müsste. Hier haben wir es mit einem neugierigen, offen zuhörenden Menschenfreund zu tun, einer Kombination, die ihn wohl automatisch in den Beruf führte, den er seit fast 40 Jahren ausübt.

Es ist enorm viel geschrieben worden über ihn in Berlin, mit der Zeit anschwellend. Denn dass einer dabei ist, im Fernsehen seine eigene Marke zu werden, das kommt ja erst allmählich heraus, auch wenn es dann hinterher immer alle vorher gewusst haben wollen. Am heutigen Sonnabend kommt noch mal allerhand hinzu, denn dann wird Ulli Zelle 70 Jahre alt. Sogar sein Sender spendiert ihm eine Sondersendung, aber er selbst? Arbeitet. Na, nicht abends, da wird dann doch gefeiert, im heimischen Garten gleich neben der Gatower Mühle.

Aber er scheint doch auch ganz froh zu sein, dass ihm niemand eine große Gala mit langen Reden aufs Auge drückt. Urgestein, Legende, Kultgestalt, einer wie die Currywurst, das hat er alles schon x-mal gehört und wirkt auch nur ganz wenig kokett, wenn er sich selbst als „kleinen Reporter“ bezeichnet. „Ich bin bekannt, nicht berühmt“, hat er seinen Söhnen mal erklärt, „berühmt wird man nur dafür, dass man etwas ganz Besonderes geleistet hat“.

Öffi-Mitarbeiter müssen zum Rentenalter aufhören – eigentlich

Große Investigation war nie seins, um die Politik hat er weitgehend einen Bogen gemacht, Kohl und Gorbi mal ausgenommen, um Sport ganz und gar, obwohl er zumindest den Berlin-Marathon von beiden Seiten kennt, als Reporter und Teilnehmer. Linksliberal hat er sich mal genannt, aber das schlägt in keinem seiner Berichte durch.

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Aber warum arbeitet er überhaupt noch? „Schauen Sie mal in die Kneipen am Stutti“, sagt er, „da sitzen ehemalige Kollegen schon nachmittags um vier beim Bier, das habe ich nie gewollt.“ Auf den Stuttgarter Platz, den er sein zweites Wohnzimmer nennt, kommen wir gleich noch, denn erst einmal muss klargestellt werden, dass Mitarbeiter der Öffis grundsätzlich zum Rentenalter aufhören müssen. Das gilt sogar für Freie, wie Zelle einer ist, der jeden Beitrag einzeln abrechnet, nie angestellt war, nicht mal als Pauschalist, und der sich ums Verrecken keine Karriere als Hierarch und Konferenzbewohner vorstellen mochte.

Berliner Stars: Abendschau-Reporter Ulli Zelle besucht Knut.
Berliner Stars: Abendschau-Reporter Ulli Zelle besucht Knut.

© RBB

Es wurde also eine große Ausnahme gemacht, die immer noch gilt. „Es wird nichts übers Knie gebrochen“, habe ihm sein Chefredakteur jetzt bedeutet, die Parole laute: Laaaangsam auslaufen lassen. Er selbst ist da vorsichtig, weiß, dass mancher Kollege ihm diesen Sonderstatus neidet, und es soll ja auch Zuhörer geben, die sich abwenden, wenn er auf Sendung ist, dieser Zelle schon wieder!

Mit der halben Mauerstadt gab er sich nicht zufrieden

Er kommt aus der Schaumburger Ecke westlich von Hannover. Anfang der Siebzigerjahre kam er zum Studieren nach Berlin, Gesellschaftskommunikation, irgendeinen Namen musste die Sache ja haben, später, als Berlin ihn ganz geschnappt hatte, legte er Publizistik nach und bildete sich zum Stadt-Auskenner, der sich nicht mit der halben Mauerstadt zufriedengab. Und später wenig dazulernen musste, als die Mauer fiel: Am Alex die Marx-Engels-Werke kaufen, Silly und Karat hören, im Müggelsee baden – ganz normal.

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Sein erster Radio-Beitrag für den damaligen SFB ereignete sich 1984, ein Jahr später wechselte er zum Fernsehen. Der Rest ist Geschichte. Er war seitdem in absolut jeder Ecke der Stadt, hat Stars und Obdachlose und alle dazwischen interviewt, stand am 9. November 1989 auf der Bornholmer Brücke, hat sich auf der WM-Fanmeile eine Bierdusche eingefangen, ist durch die Menschenmengen der Silvesterpartys und durch die Tiefen der Kanalisation gewuselt und hat doch Zeit gefunden, immer wieder am Stuttgarter Platz Halt zu machen, wo er so eine Art ehrenamtlicher Bürgermeister ist, seit damals, als es das „Lentz“ noch gab.

Natürlich hat er auch Kreuzberg drauf, aber mit zunehmendem Alter kommt die Neigung zum Bürgerlich-Gelassenen, da ist Charlottenburg dann doch der bessere Rahmen, Gatow bleibt für die Familie. Verheiratet ist er mit der Politologin Niki Sarantidou, zwei Söhne, keine Skandale. Und dass er häufig zum Einsatz eilen musste, wenn die Nachbarn den Grill anheizten, das war eben nun mal so.

Ulli Zelle und Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt auf der Checkpoint-Party 2019.
Ulli Zelle und Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt auf der Checkpoint-Party 2019.

© Kai-Uwe Heinrich

Auf einen langen Abend am Stutti geht natürlich auch die Sache mit den „Grauen Zellen“ zurück. Im Jahr 2001 saß er da mit Leuten zusammen, ein paar Berufsmusiker waren dabei, und es entstand die Idee, eine Band für seinen 50. Geburtstag zusammenzustellen – Gitarre, Bass, Schlagzeug, Tasten – und das Zeug von damals zu spielen: Beatles, aber lieber Stones, Kinks, Otis Redding, Rio Reiser, Udo Lindenberg.

„70 ist das neue 50.“ Tja, was soll man da sagen?

Auch diese Band ist nun schon volljährig, Ulli Zelle gibt immer noch die Rampensau im Brokatsakko, völlig aus der Zeit gefallen und hochaktuell lustig. Die Corona-Delle scheint vorüber, erste Termine sind anberaumt, diese Truppe hat offenbar nicht die Absicht, es langsam auslaufen zu lassen.

Im September, so erzählt er, hat ihm sogar der RBB für einen Auftritt die Dachterrasse überlassen. „Das haben die Beatles auch mal gemacht“, sagt er, „auf dem Dach des Abbey-Road-Studios“. Pause. „Aber die haben nur 45 Minuten gespielt.“ Irgendwann hat er dann auch noch den passenden Satz zu seiner Lebenslage parat: „70 ist das neue 50.“ Tja, was soll man da sagen? Er verkörpert das ja in Vollendung.

„Ein Leben für die Abendschau“ läuft Sonnabend, den 19. Juni um 16:20 Uhr im RBB-Fernsehen. Mit den „Grauen Zellen“ tritt Ulli Zelle Sonnabend, den 14. August, in der Zitadelle auf.

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