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Kontrollverlust. Im Film „Swallow“ entwickelt die schwangere Protagonistin das Bedürfnis, gefährliche Dinge zu schlucken.

© promo

Feministisches Filmfestival in Berlin: Gutes Wedding, gruseliges Wedding

Das Festival „Final Girls“ wirft eine weibliche Perspektive auf das männlich dominierte Genre des Horrorfilms – und verbindet es mit aktuellen Themen.

Das Teenagerdasein ist der blanke Horror. Im wahrsten Wortsinn: Charlie fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut, kapselt sich ab. In der Schule wird sie aufgrund ihres androgynen Äußeren gemobbt – ein Mitschüler bewirft sie mit Dreck. Als sich unter der heimischen Badewanne eine geheime Höhle auftut, findet Charlie darin etwas, das die Lösung für ihre Probleme sein könnte: Eine andere Identität, in Form einer neuen Hülle aus Haut.

Audrey Rosenbergs mittellanger Coming-of-Age-Horrorthriller „Skin“ läuft bei der fünfte Ausgabe des Filmfestivals „Final Girls“. Das startet am heutigen Donnerstag im City Kino in Wedding. Psychologisch überzeugend und filmisch elegant zeigt „Skin“, wie gut sich das lang erprobte Genre für die Darstellung von Identitätsfragen eignet: Jemand, der sich seines geschlechtlichen Selbst nicht sicher ist, würde sich in einer anderen Haut vielleicht wohler fühlen. Der Horror spielt sich genauso äußerlich wie innerlich ab.

Themen wie Genderidentität, Missbrauch und Sexismus, aber auch die klassischen, mit Schauergenre verbandelten Sujets Tod, Trauer und Verlust stellt das von den Direktorinnen Elinor Lewy und Sara Neidorf kuratierte Festival vor – aus Frauensicht. Schon lange äußern Filmfans Kritik an Erzählstrukturen, in denen die weiblichen Figuren vorzugsweise Opfer, die männlichen Täter sind.

Ein einseitiger Blick auf Frauen von den meist männlichen Machern der Filme. Das „Final Girl“, das am Ende des Gemetzels übrig bleibt und das Monster konfrontiert, steht exemplarisch für diese in den frühen Horrorfilmen der 60er Jahre etablierten Strukturen. Sie ist meist nicht nur tapfer und pflichtbewusst, sondern lebt klassischerweise auch enthaltsam.

„Es gibt Fortschritte, aber wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagt Horrorfan Lewy, die seit 2007 in Berlin lebt, zu der Entwicklung auf dem Female-Horrormarkt. Man könne auf dem viertägigen Festival jedes Jahr mehr kurze, mittellange und lange Premieren zeigen, freut sich die Veranstalterin – aber das veranschauliche auch, „dass diese Filme keine Möglichkeit zu großen Aufführungen bekommen“.

Eine anrührende Geschichte um Verlust und Tod

Gabriela Amaral Almeidas zweiter Langfilm „The Father’s Shadow“ ist schon erfolgreich auf Festivals getourt. Der konzentrierte, mit einer überzeugend ambivalenten kindlichen Hauptdarstellerin ausgestattete Familienhorror dreht sich um ein kleines Mädchen, das nach dem Tod der Mutter zu ungewöhnlichen Maßnahmen greift, um sie zurückzubekommen, und den Vater aus seiner Depression zu holen.

In nahen Einstellungen und ohne jeglichen Kitsch inszeniert die Brasilianerin ihre anrührende Geschichte um Verlust und Tod – und lässt einen immer stärker darum bangen, ob es wirklich eine gute Idee ist, eine seit zwei Jahren tote Mutter wieder auferstehen zu lassen.

Aus dem Archiv. Auch der Trash-Streifen „Slumber Party Massacre“ von Amy Holden Jones aus dem Jahr 1982 steht auf dem Programm.
Aus dem Archiv. Auch der Trash-Streifen „Slumber Party Massacre“ von Amy Holden Jones aus dem Jahr 1982 steht auf dem Programm.

© promo

Um Horror in der eigenen Familie geht es auch in „Swallow“. Die schwangere Protagonistin Hunter (Haley Bennett) entwickelt eine Obsession dafür, gefährliche Dinge zu schlucken – was ihren Ehemann veranlasst, sie noch mehr unter Druck zu setzen und ihr damit die Kontrolle über ihren eigenen Körper völlig zu entziehen.

Thematisierung von MeToo und sozialen Missständen

Soziale Missstände und die MeToo-Debatte werden auch in Kurzfilmblöcken thematisiert: In „Gaslight“ erfährt ein Vampir dass die Zeit der weiblichen Opfer vorbei sein könnte. Ebenfalls im Rahmen des Festivals stattfindende Gespräche zu „Märtyrer*innen im Horror“ oder „Weiblichen Monstern“ können zudem helfen, die diesbezüglichen eigenen Klischees zu überprüfen.

Auch ältere Filme sind zu sehen, am Sonnabend zum Beispiel „Slumber Party Massacre“ von Amy Holden Jones aus dem Jahr 1982. Die Slasherfilmparodie führt den üblichen „male gaze“ ad absurdum – und verspritzt dabei eine Menge Blut.

„Final Girls Berlin“, City Kino Wedding, 6. bis 9. Februar, alle Infos zu Kurzfilmblöcken und Spielzeiten unter www.finalgirlsberlin.com

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