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Die ehemalige Inhaberin Dale Carr (li.) und Antje Blank, neue Inhaberin vom Laden "Broken English" ; im neuen Laden in Berlin-Kreuzberg.

© Thilo Rückeis

Feinkostladen „Broken English“ wieder da: Verliert Boris Johnson, gibt's eine Party in Kreuzberg

Der Feinkostladen „Broken English“ macht im Bergmannkiez weiter. Zuvor hatte die Betreiberin das Geschäft aus Sorgen um den Brexit geschlossen.

„Do you know, where we moved to?“, fragt Antje Blank, neue Besitzerin von „Broken English“, einen Anrufer. Jetzt, wo es auf die Festtage zugeht, fragen viele Leute nach dem „Christmas Pudding“, typischer Bestandteil des britischen Weihnachtsessens. Doch manche Kunden haben noch die alte Adresse im Kopf und landen in der Kreuzberger Körtestraße. Der Laden für Spezialitäten und Geschenkideen aus Großbritannien hatte Ende Oktober Neueröffnung in der Arndtstraße beim Chamissoplatz.

Der drohende Austritt Großbritanniens aus der EU bewog die ehemalige Inhaberin Dale Carr dazu, den Laden dichtzumachen. Zu hoch würden die Zölle und der Verwaltungsaufwand für den Import der Waren, befürchtete die Frau aus Sheffield. Jetzt stehen ehemalige und neue Besitzerin gemeinsam im Laden – dem Brexit zum Trotz. „Immer, wenn man etwas Englisches brauchte, war Dale in der Körtestraße“, erinnert sich Blank. Die 51-Jährige Anglistin lebte selbst lange in Großbritannien und erfuhr in den Medien, dass Carr den Laden aufgeben wollte. „Wir haben gemeinsam nach Lösungen gesucht, daraus ist eine Freundschaft entstanden.“

Mince Pies sind ein Klassiker

Mit dem neuen Gewerberaum hätten sie nach monatelanger Suche „unheimlich viel Glück“ gehabt. Die Vormieterin wollte sich verkleinern, die Konditionen seien leistbar. Im Schaufenster des grün gefliesten Ladens stapelt sich die britische Weihnachtsfeinkost: Neben den Puddings, die traditionell flambiert und mit Brandy Butter bestrichen werden, gibt es Mince Pies – mit Rosinen gefüllte Mürbeteigküchlein. „Die sind wie bei uns Lebkuchen“, erklärt Blank.

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Viele Stammkunden steuern wissend auf die neun Kühltruhen im Nebenraum zu und entnehmen Sausages für das englische Frühstück oder Crumpets, pancakeartige Toasties. „Im Keller lagert noch mal genauso viel“, sagt die Ladeninhaberin. Nicht nur wegen des Weihnachtsgeschäfts werden dem Laden alle vier Wochen Waren im Umfang von einer Tonne geliefert.

Der Feinkostladen „Broken English“ macht im Bergmannkiez weiter.
Der Feinkostladen „Broken English“ macht im Bergmannkiez weiter.

© Thilo Rückeis

[Arndtstraße 29. Geöffnet Mo-Sa, 11-18 Uhr. Am 22. Dezember von 14-17h, am 24.12. von 10-14h. Wiedereröffnung nach Weihnachten am 27.12.]

„Wir hangeln uns von Deadline zu Deadline“, sagt die Inhaberin und meint damit einen möglichen Brexit. Vor jeder Deadline bestelle sie alles für den Laden auf Vorrat. So wie Branston Pickle, ein Relish, das auf einem englischen Cheddar-Sandwich nicht fehlen darf. Die letzte Deadline wurde von Ende Oktober auf Ende Januar verschoben, das britische Parlament war mit dem Zeitplan von Premier Johnson nicht einverstanden.

Eine Deadline vor der Deadline ist die nächste UK-Wahl am 12. Dezember. Dann entscheidet sich, ob sich Johnson oder sein Herausforderer Jeremy Corbyn von der Labour Party durchsetzt. Auf Johnson sind die beiden Frauen von „Broken English“ nicht gut zu sprechen, denn der Premier verfolgt eisern seine Brexit-Pläne. Das hätte auch Auswirkungen auf „Broken English“. Dann lieber „strategisch Corbyn wählen“, denkt Carr.

Betroffene teils ohne Wahlrecht

Blank ist der Optimismus in Bezug auf den Brexit schon länger vergangen. „Ich denke, er wird kommen“, meint sie. Es wäre sicherlich schwierig, die zum Teil 20-jährigen Beziehungen mit den britischen Lieferanten weiterzuführen. Im „worst case“ müsse man Produkte aus Irland beziehen. Eine große Ungerechtigkeit sieht Carr darin, dass die Expats nicht mit entscheiden dürften. „Der Brexit wäre anders ausgegangen, hätten die etwa zwei Millionen Betroffenen gewählt.“ Menschen wie sie, die länger als 15 Jahre außerhalb des Landes leben, hätten kein Wahlrecht.

Bleibt nur abwarten und Schwarztee trinken – davon gibt es bisher bei „Broken English“ noch genug. „Wenn Johnson verliert, mache ich eine Party und hisse die Union Jack“, kündigt Blank an. Bislang läuft der Laden, das Bio Lemon Curt von Prince Charles’ Ländereien ist wie immer ausverkauft. Im „worst case“ stehen die Paletten mit der würzigen Pickle-Tunke im Vorratsregal.

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