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Soli-Fete im Hinterhof. Das Fest auf der Freifläche hinter dem Tacheles-Bau sollte auch eine Demonstration sein. An sich war ein „Richtfest“ für das neue Gelände geplant.

© Kai-Uwe Heinrich

Feiern am Rand der Ruinen: Deal um neues Tacheles-Areal am Nordbahnhof geplatzt

Aus den Plänen für ein neues Tacheles-Areal am Nordbahnhof wird nichts. Trotzdem feiern die Künstler und ihre Gäste am Sonnabend auf dem Freigelände am alten Standort

Eigentlich wollten die Künstler des Tacheles an diesem Wochenende schon an ihrem neuen Standort am Nordbahnhof feiern. „Ein Richtfest“ solle es werden, hatte Hüseyin Arda vom Verein „Art pro Tacheles“ noch vor zwei Wochen gesagt, zwei Tage waren es da nur noch bis zur geplanten Schlüsselübergabe. Doch daraus wurde nichts: Der Deal am Nordbahnhof ist geplatzt.

Am 3. April bekam der Verein die Nachricht, dass das Gelände den Besitzer gewechselt hat. Die Künstler hatten den Vertrag mit einem Untervermieter abgeschlossen, der das Gelände wiederum von der Bahn gepachtet hatte. Die aber verkaufte das Gelände nun an einen Charlottenburger Immobilienverwalter, der die Künstler zur sofortigen Räumung des Geländes aufforderte. Hüseyin Arda, als Gründungsmitglied des Tacheles das Kämpfen gewohnt, sieht keine Chance für seinen Verein: „Wir wollen keinen Ärger, wir wollen nur Kunst machen.“

Genau das tun er und seine Künstlerkollegen dann an diesem Samstagnachmittag. Auf dem Freigelände hinter dem Tacheles an der Oranienburger Straße stehen die Skulpturen aus der Metallwerkstatt, deren Mitglieder trotz des harten Winters in ihren Hütten weitergearbeitet haben. Rostige Riesenbuchstaben, die das Wort Tacheles bilden, dienen als Sockel für die weitaus kleineren glänzenden Eisengebilde, dazwischen verkaufen Druckkünstler Jutebeutel und T-Shirts: „Gentrification“ steht auf einem.

Die Stimmung ist gedrückt. Passend zur schlechten Nachricht vom Nordbahnhof hängen am frühen Nachmittag noch dunkle Wolken über dem Skulpturengarten. Nur vereinzelt schlendern Besucher umher, hauptsächlich Mittzwanziger mit Ray-Ban-Brillen und Spontis, die im Kreis sitzen und würzig riechende Zigaretten rauchen. Doch ab und zu trifft man auch auf gesetztere Semester und Familien. Hans Schwarz ist mit seiner Frau gekommen. „Es ist Wehmut, deswegen bin ich hier“, sagt er. Er kennt das Tacheles noch von früher. „Das war ein lebendiges Haus“, erinnert er sich, „da geht eine Menge Kultur verloren.“

Nun könnte die letzte Bastion des Tacheles fallen. Denn auch das Freigelände mit seinen urigen Hütten ist bedroht. Der Verein steht vor Gericht, nachdem der Zwangsverwalter ihn auf Herausgabe verklagt hatte. „Die Künstler selbst können nicht verklagt werden“, erklärt Hüseyin Arda den verzwickten juristischen Sachverhalt. „Ich glaube nicht, dass wir geräumt werden können.“ Arda ist abgeklärt, ein Mann, der sich von langen Querelen die Freude an seinem Lebensprojekt nicht vermiesen lässt. Er nimmt einen Schluck aus der Bierflasche, bietet frisch gegrillte Köfte an. Rauch zieht durch die Luft hinüber zum Tisch, wo frisch geschnittener Salat bereitliegt. Noch wabert Radiomusik umher, später gibt es Livemusik

Es ist Frühling, die Luft warm und wenn man will, kann bei einem hageren Männchen einen Quadratmillimeter verfüllten Rasen kaufen und Bürger von „Kappa-Land“ werden. Als eine französische Schülergruppe ankommt, füllt sich der Garten. Die jungen Berlin-Besucher staunen, denn in einem hat sich das Tacheles nicht verändert: Es ist eine begehbare Utopie, ein wild wuchernder Garten, der jedem Gärtner trotzt.

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