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74 000 Alkoholtote gibt es pro Jahr in Deutschland.

© dpa/Alexander Heinl

Fehlende Warnhinweise für Alkohol: Hört auf, die Trinker zu benachteiligen!

Beim Tabakkauf werden Raucher über Gefahren informiert. Alkoholkäufern enthält man dieses Wissen absichtlich vor. Sind ihre Leben etwa weniger wert?

Mein Späti hat eine schöne und eine hässliche Seite. An der einen Wand, hinter der Theke, stehen die Zigarettenpackungen mit ihren Horrorbildern und Warnungen: Rauchen verursacht Schlaganfälle und Behinderungen, Rauchen lässt Ihre Haut altern, Rauchen ist tödlich.

Auf der anderen Seite des Ladens reihen sich die Alkoholflaschen im Kühlregal, dort gucke ich deutlich lieber hin. Auf den Etiketten sind romantische Weingüter abgebildet, Früchte und fröhliche Bäuerinnen. Als gäbe es hier Traubensaft.

Warum werden Tabakkäufer vor bestehenden, wissenschaftlich gesicherten Risiken gewarnt, Alkoholkäufer jedoch nicht? Am Grad der Schädlichkeit kann es nicht liegen. In Deutschland sind 1,7 Millionen Menschen alkoholsüchtig, jedes Jahr gibt es 74 000 Alkoholtote, und dies sind nur jene, deren Ableben unmittelbar aufs Trinken zurückzuführen ist. Ehrliche Warnungen wären: Alkohol verursacht Leberzirrhose und Krebs, Alkohol macht schwer abhängig, Alkohol ist tödlich.

Solche Hinweise wären weder Verbot noch Einschränkung, sondern im Gegenteil ein Service. Ein Zusatzangebot für den mündigen Bürger – damit er für sich persönlich abwägen kann zwischen Genuss und Risiko. Weshalb enthält der Staat Trinkern diese Chance vor?

Dass Hinweise wirken, ist längst bewiesen

Das Argument, im Grunde wisse eh jeder über die Gefahren Bescheid, Hinweise seien also unnötig, wird durch den Erfolg der Tabakwarnungen widerlegt. Seit 2003 sind die Texte auf Kippenpackungen EU-weit Pflicht, seit Frühjahr 2016 auch Fotos, jedenfalls in Deutschland. Vor allem Letztere hinterlassen Eindruck, ermöglichen eine bewusste Entscheidung, wie etwa das Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg festgestellt hat.

Andere Studien attestieren, dass Jugendliche effektiv vor Erstkonsum und Ex-Raucher vor Rückfällen bewahrt werden. Vor zwei Jahren befasste sich auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags mit der Wirksamkeitsfrage und sah erhebliche positive Effekte. Anfängliche Einwände der Tabakindustrie („hoher technischer Aufwand für den Druck“, „Verletzung von Markenrechten“) erwiesen sich, wer hätte es ahnen können, als substanzloses Mimimi.

These: Dass ein derartiges Erfolgsrezept nicht auf alkoholische Produkte angewendet wird, liegt vermutlich an einer Mischung aus Feig- und Unehrlichkeit. Kein Politiker will beim Bürger als Spaßverderber oder als Gefährder der deutschen Trinkkultur gelten, auch nicht die hiesigen Brauereien verärgern.

Eine erstaunliche Untätigkeit

Hat überhaupt schon mal jemand den Versuch unternommen, die Einführung von Warnhinweisen zumindest anzuregen? Das Gesundheitsministerium und die dort angesiedelte Drogenbeauftragte der Bundesregierung erklären auf Anfrage, sie seien nicht zuständig – man solle sich stattdessen an das Ernährungsministerium werden. Jenes wiederum antwortet, nein, es verhalte sich genau umgekehrt.

Das muss man sich vorstellen: Eine Drogenbeauftragte, die sich für Alkoholfragen nicht zuständig fühlt. Einig sind sich alle Nichtverantwortlichen nur in einem Punkt – Warnhinweise seien keineswegs angedacht.

Probehalber habe ich trotzdem schon mal auf Google nach Leberzirrhose-Bildern gesucht. Mein Gott. Die würden definitiv funktionieren.

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