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Projekt 64,6 Prozent. Friedhelm Boginski hat als Bürgermeister von Eberswalde ein Ergebnis für die FDP geholt, von dem sie woanders nicht einmal zu träumen wagt.

© Thilo Rückeis

FDP-Bürgermeister in Eberswalde: Friedhelm Boginski - Der letzte große Gelbe

Als Liberaler holte Friedhelm Boginski bei der Kommunalwahl 64,6 Prozent und verteidigte damit sein Amt als Eberswaldes Bürgermeister. Die Deutung eines liberalen Traums.

Selbstverständlich ist er stolz auf dieses Ergebnis. „Das gab es noch nie, dass jemand mit mehr Stimmen wieder gewählt worden ist“, sagt Friedhelm Boginski, 58, Bürgermeister von Eberswalde, gerade mit 64,6 Prozent im Amt bestätigt – und das als Mann der FDP. Als wolle er sich selbst erden, sagt Boginski, da seien aber auch „4000 Leute, die mich nicht gewählt haben“.

Gewiss, es war eine Kommunalwahl in einer kleinen Stadt. Die Wahlbeteiligung war mit 39,9 Prozent nicht gerade hoch. Und Boginski hatte auch keine starken Gegenkandidaten. Doch anderswo können Liberale von solchen Ergebnissen nicht mal mehr träumen: Exitus im brandenburgischen Landtag, ebenso im thüringischen. Liberale Abgeordnete sitzen jetzt nur noch in sieben Landtagen.

In Berlin, wo die FDP vor drei Jahren mit 1,8 Prozent der Stimmen geradezu versenkt worden ist, fixieren sich die Aktiven auf die Hamburg-Wahl im Februar 2015. Sie hoffen auf Zeichen einer Trendwende. Unterdessen arbeiten sie an ihrer „Empathiefähigkeit“, um 2016 die Chance einer Rückkehr ins Abgeordnetenhaus zu haben. „Empathiefähigkeit“ gilt als Gegenbegriff zum Image der als eiskalt verschrienen FDP der Westerwelles und Röslers.

Boginski sieht das alles mit großem Abstand. Dass er als FDP-Mann antrat, habe ihm schon vor acht Jahren, bei seiner ersten Kandidatur nicht genutzt. Eberswalde mit seiner Vergangenheit als Arbeiter- und Industriestadt liegt im roten Finowtal, wie sie hier sagen. 2006, sagt Boginski, habe es gegen ihn als FDP-Mann „viel Widerstand“ gegeben – und auch, weil er von Beruf Lehrer war. Aber acht Jahre seien eine Amtszeit, „da kannst du eine Sache anfangen und sie auch zu Ende bringen“.

Eberswalde hat sich ganz gut entwickelt

Seltsam: Heute erklären Eberswalder Kommunalpolitiker Boginskis Erfolg gerade damit, dass er als Lehrer und Schulleiter großes Ansehen genoss. Karen Oehler, Chefin der Grünen in der Stadtverordnetenversammlung, sagt, Lehrer, Ärzte, Apotheker würden eben viele Leute kennen. Carsten Zinn vom Alternativen Wählerbündnis spöttelt, Boginski sei eben ein „anerkannter Realschullehrer, immer im gepflegten Dress“.

Ganz so einfach ist es nicht. Eher könnte es sein, dass ein politisch Spätberufener auf Anhieb verstanden hat, wie Stadtpolitik funktioniert. Auch denen, die seinen Wahlerfolg nicht erfreulich finden, fallen nicht viele Vorwürfe gegen Boginski ein. Karen Oehler muss überlegen. Dann fällt ihr der Ausbau der Promenade am Finowkanal ein, 4,7 Millionen Euro habe der gekostet, Geld aus dem EU-Strukturfonds für ein Projekt, das an der „Grenze zur Verschwendung“ liege. Aber war das Boginskis Fehler? „Andere Städte hätten es nötiger“, sagt Karen Oehler.

Eberswalde hat sich ganz gut entwickelt. Kurz nach dem Untergang der DDR schien die Stadt am Ende zu sein. Tausende wurden aus den Großbetrieben entlassen. Es gab eine Neonazi- und Skinhead-Schlägerszene; 1990 prügelten vier junge Männer den aus Angola stammenden Arbeiter Amadeu Antonio tot.

Wie ein vitales Provinzstädtchen

Von dieser Szene ist so gut wie nichts übrig. Touristen kommen in die Stadt, per Rad oder per Kanu über den Finowkanal, und Studenten, die an der (Fach-)Hochschule für nachhaltige Entwicklung lernen. Am Markt liegt ein moderner Öko-Bau, das sogenannte Paul-Wunderlich-Haus, eine Kombination aus Verwaltungs-, und Ausstellungsgebäude, das den 1927 in Eberswalde geborenen Künstler ehrt. Die Arbeitslosenquote ist mit fast elf Prozent deutlich höher als etwa in Potsdam (7,5 Prozent), doch fühlt sich Eberswalde in seinen ansehnlichen Vierteln jetzt an wie ein vitales Provinzstädtchen, nicht mehr wie eine Sammlung untergehender Großbetriebe.

Dass Eberswalde heute nicht mehr nach Absturz aussieht, sondern eher nach Zukunft, verbinden die Leute mit Boginski. Der Bürgermeister „hat es geschafft, vielen in der Stadt ein anderes Gefühl zu geben“, sagt Daniel Kurth. Der SPD-Politiker ist ein guter Analytiker der Entwicklung. Jahrelang hat er, wie Boginski, Stadtpolitik für Eberswalde gemacht, am vergangenen Sonntag gewann er direkt ein Landtagsmandat. Als Sozialdemokrat hat er erlebt, wie Boginski „geschickt“ Mehrheiten gegen die SPD-Pläne zur Rekommunalisierung der Energieversorger organisierte. Als Kommunalpolitiker hat er gesehen, dass der Bürgermeister genau wie er selbst eher an die Stadt gedacht hat als an sein Parteibuch.

Dass es ein Filmfest gebe und ein kleines Kulturereignis auf dem Markt, mal Lesungen, mal Musik, an jedem einzelnen Samstag im Jahr, „das ist nicht allein sein Verdienst, aber auch“, sagt Daniel Kurth. Überhaupt hat der SPD-Mann nichts gegen den Liberalen: „Er ist mit Sicherheit kein Karrierist. Er sei „eloquent, ehrlich, strebsam, arbeitsam“. Wie viel FDP in ihm stecke, werde sich zeigen, wenn die Stadtverordneten mal über den Rückkauf der Energiebetriebe diskutierten.

Eigenverantwortung eine bürgerliche Tugend

Boginski grübelt ein wenig über die Frage, was an seiner Kommunalpolitik denn liberal sei. „Schwierige Frage“, sagt er: „Mir ist die Eigenverantwortung wichtig.“ Wer mit guten Vorschlägen zu ihm komme, die Geld kosten, dem sage er: „Bringe Sponsoren, dann ist die Stadt mit dabei.“ Eigenverantwortung ist für Boginski eine bürgerliche Tugend. Er glaubt, das sei inzwischen bei den Leuten angekommen. Am Anfang habe er „immer nur gehört, wie Scheiße Eberswalde ist“. Jetzt sagten die Leute, „man kann ja nicht meckern, aber...“ Dann gehe es zum Beispiel um Dreck – und er zitiere Goethe mit „Ein jeder kehr’ vor seiner Tür...“

Das mit der Eigenverantwortung hält Boginski für grundlegend bei der Reanimierung der FDP. Die Partei müsse zu ihren Kernthemen zurück: Freiheit, Eigenverantwortung, Steuergerechtigkeit. Vor allem müsse sie verlässlich sein. Ihm selbst ist das FDP-Image vor der Wahl wohl unheimlich gewesen. Auf Boginski Plakaten sei nichts von FDP zu sehen gewesen, sagen Konkurrenten. Die seien in den gleichen Grüntönen gehalten gewesen wie der Auftritt der Stadt im Internet, erinnert sich SPD-Mann Kurth. „Es gab auch - ich sage nicht, von wem! – die Idee, auf seine Plakate FDP-Aufkleber zu kleben“, sagt Kurth und grinst. Und vermutet: Das hätte Boginski allenfalls zwei oder drei Prozent gekostet.

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