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Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bei ihrer Rede beim "Wirtschaftspolitischen Frühstück" der IHK am 4. April 2019.

© Amin Akhtar/IHK Berlin

Update

Familienministerin bei der IHK Berlin: Viel Applaus, aber keine Fragen zur Doktorarbeit

Franziska Giffey war am Donnerstag Gast der Berliner IHK. Das brisanteste Thema kam nicht zur Sprache. Doch dann äußerte sie sich in der "Abendschau".

Seit Jahren begrüßt die lokale Industrie- und Handelskammer (IHK) alle paar Wochen einen prominenten Gast aus Wirtschaft, Politik oder Kultur zum "wirtschaftspolitischen Frühstück". Der Ablauf im Charlottenburger Ludwig-Erhard-Haus ist immer ähnlich: Nach der Begrüßung durch Kammerpräsidentin Beatrice Kramm spricht der Gast eine Halbe- bis Dreiviertelstunde lang am Pult. Dann wird er von IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder befragt - und von IHK-Mitgliedern. Am Donnerstag war mit Giffey die aktuell wohl beliebteste Politikerin der Berliner SPD geladen, der Andrang war entsprechend groß. Die IHK zählte später rund 230 Besucher.

Giffey erntete nach Eders Einschätzung im Vergleich zu früheren Gästen sehr viel Applaus. Dabei sind die politischen Aussagen, die die Ministerin laut IHK-Sprecherin gemacht hat, sicher nicht Teil des Kanons der bei Unternehmern beliebtesten Aussagen der Wirtschaftspolitik. Nun ist Giffey aber keine originäre Wirtschaftspolitikerin, sondern "Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend", so der volle Titel. Insofern konzentrierte sie sich auf die Schnittstelle zur Wirtschaftspolitik: Fragen der Arbeitswelt. "Familienorientierte Unternehmenskultur als Motor des Erfolgs", lautete das gesetzte Thema.

Die 40-Jährige sprach sich für eine Frauenquote aus, die es seit 2016 lediglich für die Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen gibt. Giffey wünscht sich diese auch für Vorstandsgremien und kritisierte, dass viele Unternehmen als Ziel einen Frauenanteil von "Null" angeben würden. So wünscht die Ministerin, dass Unternehmen wenigstens verpflichtet werden, wenigstens eine Begründung zu liefern, warum sie offenbar keine Frauen in wichtigsten operativen Führungsgremium beschäftigen möchten.

Giffey wurde vor vier Jahren einer größeren Berliner Öffentlichkeit bekannt. Damals löste sie den langjährigen Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (ebenfalls SPD) im Amt ab. 2018 wurde sie dann für viele überraschend in das Bundeskabinett berufen. „Das war nicht so geplant – ich war selbst überrascht!", sagte sie laut IHK-Protokoll am Donnerstag. "Am Tag davor hatte ich noch an einer Pressekonferenz teilgenommen, in der es um renovierte Schultoiletten ging. Aber ich habe gemerkt, dass man als Bezirksbürgermeisterin nicht so vieles verbessern kann. Deshalb habe ich angenommen. Weil ich mehr zum Guten ändern will!"

Giffey gilt als mögliche Müller-Erbin

Spätestens seit ihrer Berufung ins Merkel-Kabinett räumen viele im landespolitischen Berlin Giffey auch gute Chancen ein, eines Tages Michael Müller (SPD) an der Spitze der Berliner SPD zu beerben. Und damit womöglich auch Berlins erste Regierende Bürgermeisterin zu werden - sofern es ihr gelänge, die SPD wieder zur stärksten Partei bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl 2021 zu machen. Laut Umfragen steht die SPD im Land Berlin derzeit stabil auf dem vierten Platz der Wählergunst.

Der passenden Frage Eders ihre persönliche politische Zukunft betreffend, wich Giffey aus. Sie sei niemand, der sich Gedanken mache, was in zweieinhalb Jahren sei.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey von der SPD beim "Wirtschaftspolitischen Frühstück" der IHK Berlin: Ihre Gastgeber registrierten überdurchschnittlich viel Applaus.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey von der SPD beim "Wirtschaftspolitischen Frühstück" der IHK Berlin: Ihre Gastgeber registrierten überdurchschnittlich viel Applaus.

© Amin Akhtar/IHK Berlin

Als Anspielung an Giffeys Marotte, ihren Gesetzen keine juristischen, sondern betont allgemeinverständliche Namen zu verpassen ("Starke-Familien-Gesetz" oder "Gute-Kita-Gesetz"), fragte Eder, wann man denn mit dem "Gute-SPD-Gesetz" rechnen dürfe. Giffey räumte ein: „Dies war die Partei der Arbeitenden – und noch heute gibt es prekäre Arbeitsverhältnisse". Die SPD müsse besser herausstellen, für wen sie da ist. Sie wolle sich in ihrer Arbeit nicht von den Debatten um die Koalition aufhalten lassen: „Einer muss mal anfangen! Man darf sich nicht kaputt reden lassen, einfach anzufangen, Bedingungen zu schaffen, die für die Menschen richtig sind!“

Giffey: FU prüft "mit ihrer wissenschaftlichen Kompetenz"

Ein für Giffeys politische Zukunft eher schwieriges Thema, das seit Februar gärt, spielte auf der IHK-Veranstaltung offenbar keine Rolle: Die Plagiatsvorwürfe mit Blick auf ihre Doktorarbeit, die sie an der FU Berlin eingereicht hatte. Der Tagesspiegel hatte am Mittwoch einen Zwischenstand zur Plagiatsprüfung von Giffeys Dissertation abgegeben. Auf der Plagiatsplattform "VroniPlag Wiki" ist nun an 96 Stellen dokumentiert, dass Giffey gegen wissenschaftliche Zitierstandards verstoßen habe. Die Sichtung der Arbeit sei aber noch nicht abgeschlossen. Auch eine Gewichtung und Beurteilung der mutmaßlichen Fehler durch die Freie Universität, die die Arbeit offiziell überprüft, steht noch aus.

Ich hoffe wirklich, dass Frau Giffey nicht deswegen zurücktritt. Egal, was die Universität zu der Doktorarbeit sagt! In einer Demokratie haben Wähler zu entscheiden und nicht Zitierregeln und opportun 'getimte' Plagiatsvorwürfe! 

schreibt NutzerIn M_K

Dazu äußerte sich Giffey dann am Donnerstag gegenüber der "Abendschau", die sie um eine Reaktion auf die jüngsten Berichte gebeten hatte. Wie mehrfach zuvor sagte Giffey dem "rbb", sie habe die Arbeit "vor zehn Jahren beendet und in bestem Wissen und Gewissen geschrieben". Sie habe die Universität "von mir aus" um Klärung gebeten. Fest steht allerdings: Mit Bekanntwerden des Plagiatsvorwurfs musste die Freie Universität ohnehin reagieren.

Zum Stand des Plagiatsverfahrens betonte Giffey am Donnerstagabend, die Universität prüfe die Arbeit jetzt, "mit ihrer wissenschaftlichen Kompetenz". Giffey weiter: "Das Ergebnis steht aus, es ist abzuwarten. Wir haben da keinen neuen Sachstand."

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