zum Hauptinhalt
Hinterlassen. Ungeöffnete Briefe, die an Verstorbene adressiert sind, sollte man zurückschicken.

© Niehoff/Imago

Fallstricke des Alltags: Soll man Briefe zurückschicken?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten Situationen so umgeht, dass es keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Seit einiger Zeit wühle ich mich durch den papierenen Nachlass meiner unlängst im stattlichen Alter verstorbenen Eltern. Dazu gehören auch zahllose private Briefe, die sie im Laufe ihres langen Lebens erhalten und bis zum Schluss aufbewahrt haben. Ich kenne die Regel, dass in einem solchen Fall die Hinterbliebenen die Briefe an den Absender zurückschicken – sofern Letztere noch am Leben und lokalisierbar sind. Ein Zurückschicken durch den Empfänger noch zu seinen Lebzeiten besiegele hingegen als eher unfreundlicher Akt die formale Beendigung eines Kontaktes. Wird auch in heutiger Zeit ein Zurückschicken erwartet?

Boris, korrekt

Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.
Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Glückliche Eltern, die einen Sohn erzogen haben, der sich mit solcher Sorgfalt um ihren Nachlass kümmert. Das ist ja keineswegs selbstverständlich. So mancher, der zu Lebzeiten nichts wegwerfen konnte, wird sich später im Grabe herumdrehen müssen angesichts des großen Containers, der seine geliebten Besitztümer nach dem Ableben ohne weitere Umschweife verschlingen muss, weil niemand Zeit oder Lust hat, sich intensiver zu kümmern. Insofern verhalten Sie sich schon vorbildlich.

Das richtige Maß

Mit Nachlässen ist das so eine Sache. Man muss das richtige Maß finden, darf sich nicht zu wenig, sollte sich aber auch nicht im Übermaß mit ihnen befassen. Es wäre schade, wenn zu viel der eigenen Lebenszeit in das gelebte Leben der eigenen Eltern fließt.

Ich glaube eigentlich nicht, dass sonderlich viele Menschen erwarten, dass ihnen alte Briefe von den Erben zurückgeschickt werden. Eine Regel, dass dies zu tun ist, würde sich vermutlich ein ziemliches Stück weit von der Realität einer ohnehin hektischen Zeit entfernen. Es ist ja so schon so mühsam, all die vielen Dinge, die sich im Laufe zweier Leben ansammeln, noch einmal anzuschauen und dann möglichst gewissenhaft zu entsorgen. Sicher wäre es freundlich, größtmögliche Diskretion bei den Briefen zu verwenden, indem sie zum Beispiel nicht in den nächsten Papiercontainer, sondern lieber in einen Aktenvernichter geworfen werden.

Nach der Beisetzung reden

Sollte jemand seine Briefe zurückhaben wollen, kann er das ja von sich aus sagen. Sie werden doch bestimmt Freunde und Bekannte über den Tod informieren. Die Möglichkeit, Briefe zurückzuerhalten, könnte eventuell im Anschluss an die Beisetzung auch noch mal mündlich thematisiert werden.

Lediglich all die Briefe, die der Empfänger, dem sie zugedacht waren, nicht mehr öffnen konnte, sollten tatsächlich mit einem entsprechenden Vermerk zurückgeschickt werden. Deren Zahl wird sich aber ganz gewiss in Grenzen halten.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false