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Soll man "Gesundheit" wünschen, wenn ein anderer niest?

© Heiko Wolfraum/dpa

Fallstricke des Alltags: Darf man noch „Gesundheit“ wünschen?

Soll man nicht mehr „Gesundheit“ wünschen, wenn jemand niest? Das rät unsere Kolumnistin.

„Wenn jemand niest, sage ich normalerweise „Gesundheit“. Kürzlich wurde ich jedoch von Umstehenden darauf aufmerksam gemacht, dass man das inzwischen nicht mehr sagt. Höflich sei es vielmehr, gar nicht zu reagieren, wenn jemand niest. Das kommt mir aber komisch vor. Wie ist es denn nun richtig? Sage ich etwas, oder sage ich nichts?", fragt Reinhard

Wie manche traditionellen Sitten, steht der gute Wunsch zum „Hatschi“ derzeit auf dem Prüfstand. Dabei geht es im Grunde um die Frage, ob es überhaupt höflich sein kann, die körperlichen Äußerungen eines anderen zu kommentieren. Gibt man zu erkennen, dass man das Niesen und damit vielleicht die ganze veritable Erkältung wahrnimmt, dann stellt man den Menschen ja als Kranken dar. Manche Experten finden das unfein.

Der äthiopische Prinz Asfa-Wossen Asserate, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, etwa goutiert es in seinem 2003 erschienenen Werk „Manieren“ gar nicht, während Moritz Freiherr Knigge, der – wenn auch nicht in direkter Linie – aus der Familie des berühmten Adolph Freiherr Knigge stammt, darin eine durchaus statthafte Kurzform für den Wunsch „Gute Besserung“ sieht.

Entstanden ist dieser Wunsch nach übereinstimmender Lesart etwa im 14. Jahrhundert in Zeiten der Pest. Ob diejenigen, die damals „Gesundheit“ sagten, diese für sich selber beschwören wollten oder sie den Niesenden wünschten, ist bis heute ungeklärt.

Ein Segen für den Niesenden

Eindeutiger ist die Sache im anglo-amerikanischen Sprachraum, wo man statt „Gesundheit!“ eine Art Segen spricht: „Bless you“. Das klingt unter Umständen noch freundlicher und nicht ganz so dahingebellt. Es wird Situationen geben, in denen man die immer häufiger zu hörende Entschuldigung des Niesenden mit einem lächelnden Nicken quittiert und nicht weiter darauf eingeht. Der frühere Botschafter Wolfgang Schultheiß weist in seinem Buch „Umgangsformen“ allerdings darauf hin, dass Niesen früher auch als glücksbringend galt, und man es deshalb auch nicht einfach ignorieren sollte wie andere Körpergeräusche.

In Zeiten, da Erreger wie das Coronavirus die Menschen erschrecken, mag man sich an den Ursprung von „Gesundheit!“ verstärkt erinnert fühlen. Es wird gerade heute auch Menschen geben, die es unhöflich finden, wenn man ihnen nicht „Gesundheit!“ wünscht, wenn sie niesen. „Von Fall zu Fall“-Entscheidungen machen den Alltag zwar etwas komplizierter. Ein fröhliches, offenes Niesen sollte man aber jederzeit kommentieren. Geht jemand verschämt damit um und will seine akute gesundheitliche Einschränkung offensichtlich am liebsten verbergen, sieht man am besten darüber hinweg.

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