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Häusliche Gewalt (Symbolbild)

© picture alliance / dpa

Fall Franziska aus Cottbus: Mutter und Lebensgefährte müssen sich vor Gericht verantworten

Mutter und Lebensgefährte sollen 12-Jährige monatelang eingesperrt haben. Am Dienstag beginnt der Prozess in Cottbus.

Von Sandra Dassler

Mit betroffen wirkendem, verhärmtem Blick hatte die Mutter das Foto ihrer am 15. Oktober vergangenen Jahres „verschwundenen“ 12-jährigen Tochter in die Kamera gehalten – gemeinsam mit ihrem ebenfalls traurig schauenden Lebensgefährten. Ihr Appell ging an alle: Die Tochter sollte zurückkehren, eventuelle Entführer Einsicht zeigen, die Öffentlichkeit vielleicht Hinweise geben.

Doch es war alles gelogen. Am 18. März dieses Jahres entdeckte die Polizei die inzwischen 13-jährige Franziska in der elterlichen Wohnung in Groß Schacksdorf bei Cottbus. Ab Dienstag müssen sich ihre Mutter und deren Lebensgefährte vor dem Cottbuser Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen „schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes und Entziehung eines Minderjährigen“ vor.

Mädchen soll sexuell von den Angeklagten missbraucht worden sein

Sie sollen das Mädchen, das vor den Taten bereits seit mehreren Jahren in einer Kindereinrichtung lebte, in ihrer Wohnung versteckt gehalten und bei mehreren behördlichen Kontrollen angegeben haben, den Aufenthaltsort von Franziska nicht zu kennen. Dies sollen sie sogar mit einem Brief belegt haben, in denen Franziska angeblich mitteilt, dass sie sich bis zu ihrem 18. Geburtstag versteckt halten wolle, um nicht mehr ins Heim zu müssen. Am 15. Oktober 2017 war sie von einem Arztbesuch nicht in die Kindereinrichtung zurückgekehrt.

Tatsächlich soll sich das Mädchen ab diesem Zeitpunkt ohne Kontaktmöglichkeit zu anderen Personen in der Wohnung der Mutter aufgehalten haben und von den Angeklagten sexuell missbraucht worden sein.

Zweimal hatten die Behörden, die frühzeitig an den Angaben der Eltern zweifelten, die Wohnung aufgesucht, aber nichts gefunden. Erst bei einer dritten, diesmal offenbar unangekündigten, sogenannten Fahndungsmaßnahme, wurde das Kind entdeckt. Die damals 52-jährige Mutter und ihr 46-jähriger Lebensgefährte waren zunächst verhaftet worden, die Mutter kam später wieder frei. Gegenüber einer Boulevardzeitung hatte sie die Vorwürfe praktisch bestätigt und behauptet, dass die sexuellen Handlungen mit dem 12-jährigen Kind „einvernehmlich“ erfolgt seien. Der Lebensgefährte der Mutter, der wegen einer unter Drogen begangenen schweren Straftat bereits im Gefängnis saß, befindet sich immer noch in Haft.

Die Tat erinnert an den Fall Natascha Kampusch

Das Gericht hat für den Prozess mehrere Verhandlungstage bis März 2019 angesetzt. Man erwartet ein reges Medieninteresse – auch weil die Tat von manchen mit dem Fall der Österreicherin Natascha Kampusch verglichen wird, die im Alter von zehn Jahren entführt und mehr als acht Jahre im Haus eines Nachrichtentechnikers in der Nähe von Wien gefangen gehalten wurde.

Unklar ist noch, ob der Prozess aus Gründen des Opferschutzes zumindest teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wird. Bereits während der Ermittlungen waren Details des mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs von der Staatsanwaltschaft Cottbus zurückgehalten worden, um Franziska zu schützen. „Die Möglichkeit eines teilweisen Ausschlusses der Öffentlichkeit besteht in jedem Fall“, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Sonntag dem Tagesspiegel. Unbedenklich sei hingegen die öffentliche Verhandlung des Tatvorwurfs der „Entziehung einer Minderjährigen“.

Mutter lebte mit ihren Töchtern in Berlin

Franziskas Mutter hatte laut Medienberichten vor mehr als neun Jahren das Sorgerecht für Franziska und deren jüngere Schwester entzogen bekommen. Damals soll es viele Schwierigkeiten in der in Berlin lebenden sozial schwachen Familie gegeben haben, unter anderem habe der eigentliche Kindsvater unter einem massiven Alkoholproblem gelitten. Die Mädchen kamen in ein Berliner Kinderheim.

Nachdem ihre Mutter gegen die Betreuer schwere Vorwürfe erhob, kamen sie in das Heim nach Cottbus und durften die Wochenenden bei der inzwischen in Groß Schacksdorf lebenden Mutter verbringen. Dabei soll es nach Auffassung der Staatsanwaltschaft, die das auch angeklagt hat, bereits im Mai 2017, also fünf Monate vor dem Verschwinden von Franziska, zu sexuellem Missbrauch gekommen sein. Zumindest in einem, wenn nicht sogar in mehreren Fällen. Möglicherweise legen die Mutter und ihr Lebensgefährte dazu vor Gericht ein Geständnis ab. Für beide soll ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben worden sein.

Dass Eltern oder Stiefeltern ihre eigenen Kinder missbrauchen, kommt immer wieder vor. Seltener sind Fälle, in denen sie vor der Polizei und dem Jugendamt versteckt werden. Das tun häufiger Mütter oder Väter, die im Sorgerechtstreit unterlegen sind.

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