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Bitte alle Türen benutzen: Das Einsteigen in Berlins Busse ist oft mit viel Gedränge verbunden.

© IMAGO

Fahrscheinkontrolle bei der BVG: Ich will im Bus hinten einsteigen!

Im BVG-Bus hinten einsteigen dürfen, das haben Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag versprochen. Passiert ist nichts: An den Türen herrscht Anarchie. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Es gibt Momente, in denen man sich so richtig blöd fühlt. Wenn man volle Einkaufstaschen in den Bus schleppt und dann in seinem Rucksack oder der Handtasche nach dem Ticket wühlen muss, um dem Fahrer die Fahrkarte zu zeigen. Oder bei Regen. Ein wunderbares Gefühl, wenn man an der Haltestelle nach dem Fahrschein kramt und sich dann mit nassem Schirm, Tüten und gezücktem Ticket in den Bus zwängt. Von den älteren Fahrgästen ganz zu schweigen, die mit Rollator oder Stock die Treppe beim Fahrer unfallfrei zu erklimmen versuchen. Wer das geschafft hat, den schreckt nichts mehr.

Zum Glück will die rot-rot-grüne Koalition mit diesem Unsinn aufräumen. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Linke und Grüne beschlossen, dass man bei der BVG den Einstieg an den hinteren Türen wieder erlauben will. Das spart Zeit und erleichtert den Fahrgästen das Leben. Gute Idee. Nur leider ist es bislang bei der Idee geblieben. Der Vertrag wurde im November vergangenen Jahres geschlossen. Passiert ist seitdem – nichts. Warum? Man sei in Gesprächen mit der BVG, teilt die Senatsverwaltung für Verkehr auf Anfrage mit.

Hier kann die Politik beweisen, dass sie handlungsfähig ist

In Gesprächen mit der BVG? Was ist so schwer daran, die Verkehrsbetriebe auf die Spur zu setzen? Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen) ist Chefin des BVG-Aufsichtsrats, die Verkehrsbetriebe sind ein Landesunternehmen. Sicher, unter den Problemen, die es in Berlin zu lösen gibt, die Wohnungsnot etwa, gehört diese Sache zu den geringeren. Doch wo, wenn nicht hier, könnte die Berliner Politik beweisen, dass sie handlungsfähig ist? Allzu viele Erfolgsgeschichten kann der Senat ja bislang nicht vorweisen. Wäre es nicht schön, wenn man wenigstens das eine oder andere abarbeiten würde? Beim Landesmindestlohn gelingt das, warum nicht beim Bus?

Die Senatsverwaltung müsste dazu jedoch Handlungsfähigkeit beweisen. Denn die BVG hat kein Interesse daran, den Einstieg beim Fahrer abzuschaffen. Immerhin habe man durch die Umstellung seinerzeit über vier Millionen Euro Mehreinnahmen gehabt, heißt es auf Anfrage. Schwarzfahren wird nun mal schwieriger, wenn man durch die Einlasskontrolle muss. Obwohl, Hand aufs Herz: Welcher Fahrer hat schon Zeit, sich auf den Einzelpapiertickets den Zeitstempel anzusehen? Und bei den Straßenbahnen geht das ja auch. Da kann man nicht nur die hinteren Türen, sondern sogar die hinteren Wagen nehmen, ohne dass ein Hahn danach kräht.

Fahrgäste werden unter Generalverdacht gestellt

Beim Bus war das früher übrigens auch so. Bis 2004 konnte man alle Türen nehmen. Fahrgäste werden seitdem unter den Generalverdacht der Schwarzfahrerei gestellt, gegängelt und schikaniert. Dabei verbietet ja niemand der BVG, Fahrscheinkontrolleure nicht nur in die U-Bahn, sondern auch in die Busse zu schicken.

Natürlich könnte man auch zur Selbsthilfe greifen. Viele machen das. Wenn die hinteren Türen offen stehen, steigen sie einfach ein. Die Kühnen machen das ohne jegliche Hemmungen und schnappen so den rechtstreuen Vorneeinsteigern die Plätze weg. Andere recken zumindest noch halbherzig Papiere in die Luft, die nach Fahrscheinen aussehen. Oft geht das gut, aber nicht immer. Denn Busfahrer können die hinteren Türen freigeben, müssen das aber nicht. Regelstrenge oder schlecht gelaunte Fahrer picken sich dann schon mal gern einen Regelbrecher heraus und lassen ihn vorne antanzen.

Regeln sind wertvoll. Ändert sie!

Ich habe darauf keine Lust, und ich sehe das auch nicht ein. Ich unterstelle, dass sich die Landespolitiker etwas dabei gedacht haben, als sie sich der Busfrage angenommen haben. Die Freiheit und Bequemlichkeit der Fahrgäste, vermute ich, werden Pop, Klaus Lederer von der Linken und Michael Müller höher bewertet haben als die Bekämpfung der Schwarzfahrerei. Aber, liebe Regierende, dann handelt auch danach – kommt endlich in die Busspur! Denn ich finde Regeln in einer Gesellschaft wertvoll, deshalb halte ich mich an sie. Als Grundlage der Zivilisation. Sie schaffen Gleichbehandlung. Sie sind eine Errungenschaft. Schade, dass der Senat sie nicht endlich an die Wirklichkeit anpasst.

Dieser Text erschien zuerst am 1. Juli 2017 im Tagesspiegel-Samstagsmagazin Mehr Berlin.

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