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Wachsende Bedrohung. Fünf Berliner Schulen meldeten der Polizei im vergangenen Jahr antisemitische Übergriffe. Alle wissen: Die Dunkelziffer ist hoch.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Fachtagung in Berlin: Was können Schulen gegen Antisemitismus tun?

"Jude" ist als Schimpfwort weit verbreitet. Eine Fachtagung in Prenzlauer Berg geht der Frage nach, wie Lehrer gegen Feindseligkeiten vorgehen können.

Was können Schulen gegen Antisemitismus tun? Vor welchen Herausforderungen stehen Lehrkräfte – und wie können sie mit dem Thema umgehen? Diese Fragen stehen im Zentrum einer zweitägigen Fachtagung, die gestern im Pfefferwerk in Prenzlauer Berg eröffnet wurde. Ausgerichtet wird die Veranstaltung mit dem Titel „Antisemitismus an der Schule – ein beständiges Problem?“ vom Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).

Zur Eröffnung sprach Heiko Geue vom Bundesfamilienministerium. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) musste kurzfristig wegen Erkrankung absagen. Geue wies darauf hin, dass Antisemitismus ein wachsendes Problem ist, gerade auch an Schulen. Er erinnerte an den Fall des jüdischen Schülers, der im Frühjahr in Friedenau von Mitschülern beleidigt, bedroht und attackiert wurde und schließlich die Schule verließ. „Und das ist nur ein Fall, von dem wir etwas mitbekommen haben“, sagte Geue. Viele antisemitische Vorfälle würden nicht gemeldet.

"Jude" ist als Schimpfwort weit verbreitet

Im April wurde im Bundestag der Antisemitismusbericht eines unabhängigen Expertenkreises veröffentlicht. Demnach geben rund dreiviertel der befragten Jüdinnen und Juden an, dass sie am Arbeitsplatz oder in der Schule mit Antisemitismus konfrontiert worden sind. Besonders aggressiv und direkt geht es demnach in der Schule zu: „Jude“ ist als Schimpfwort weit verbreitet.

Daneben kommt es immer wieder zu gezielten Provokationen von Mitschülern, die sich positiv auf den Nationalsozialismus beziehen. Einem jüdischen Mädchen wurde ein Zettel zugesteckt, auf dem stand „Du dreckige Jüdin! Magst du Zyklon B?“. Und oftmals würden auch stark antiisraelisch geprägte Haltungen von Lehrkräften und Mitschülern zum Ausdruck gemacht. Manchmal werden jüdische Schüler aufgefordert, sich stellvertretend für Israel zum Nahostkonflikt zu erklären.

Präventions-Angebote müssen die Regel sein

Marina Chernivsky, die das Kompetenzzentrum am ZWST leitet, betonte, dass antisemitische Vorfälle oft verharmlost werden. Konsequenzen blieben vielmals aus. Lehrkräfte müssten aber die Brisanz und Relevanz des Themas anerkennen, und zwar als gegenwärtiges, nicht nur als historisches Problem. „Und dann müssen die Betroffenen unbedingt geschützt werden, Lehrer sollten ihnen ihre unbedingte Solidarität zeigen“, sagte Chernivsky. Danach müsse der Vorfall systematisch aufgearbeitet werden, nach Motiven gefragt werden, aber auch die eigene Haltung oder Abwehrhaltung hinterfragt werden.

Pädagogische Programme zur Prävention gegen Antisemitismus müssen zum Regelangebot werden, es müsse flächendeckend Fortbildungen geben, forderte Chernivsky. Momentan laufe fast alles über punktuelle Projekte. Und sie machte noch auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Die Perspektive der jüdischen Schüler und Eltern fehle meist: „Antisemitismus wird zu oft ohne Juden verhandelt.“

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