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Sonnenschein über dem Fernsehturm. Viele Berliner ächzen unter der Sommerhitze.

© Jens Büttner/dpa

Extremwetter in Berlin: Das ist doch nicht mehr normal!

Dieser Eindruck über den Hitzesommer trifft leider zu. Über die meteorologischen Hintergründe einer Wetterlage, die so bald wohl nicht verschwinden wird.

33 Grad an diesem Montag dürften für viele ein Grund sein, über die Hitze zu stöhnen: Schon wieder! Meteorologen sehen dahinter ein weitaus ernsteres Problem: Immer noch! Die aktuelle Wetterlage ist dieselbe, die sich im Februar etabliert hat. Damals setzte sich ein Hoch über Nordeuropa fest und schaufelte bis in den März hinein eisige trockene Luft nach Berlin und Brandenburg. Im Spätwinter war diese aus Sibirien und Skandinavien kommende Luft extrem kalt, weil die Landmassen mangels Energiezufuhr durch die tief stehende Sonne viel schneller und stärker abkühlen als der Atlantik. Die wachsende Kraft der Sonne im Frühjahr heizte das Land schnell auf – und verschafft uns nun einen Temperaturrekord nach dem anderen, weil wiederum die dämpfende Wirkung des Ozeans fehlt.

Seit dem Wochenende macht sich in Gestalt des Westwindes immerhin eine wacklige Ausnahme innerhalb dieser Gemengelage bemerkbar, die aber insgesamt derart festgefahren ist, dass sie zunehmend dramatisch wird. Denn im Sommer wie im Winter ist diese aus Osten – je nach exakter Position des Hochs kann es auch Süd- oder Nordosten sein – kommende Luft zu trocken, um ergiebigen Regen zu bringen. In ihr entstehen höchstens lokale Gewitter, deren Sturzregen die dünne Humusschicht vom märkischen Sandboden wäscht, aber die Grundwasserspeicher nicht auffüllt.

Den Tiefs fehlt die Antriebsenergie

„In meinen 25 Berufsjahren ist das noch nie vorgekommen“, sagt Jörg Riemann, meteorologischer Leiter der Wettermanufaktur in Tempelhof. Nach alter Meteorologenschule rauscht eine Höhenströmung von West nach Ost um die Nordhalbkugel und wird dann und wann von Hochs über Nordeuropa gebremst. Dabei wachsen die Temperaturgegensätze zwischen Subtropen und Nordpolargebiet binnen weniger Wochen so weit, dass sich ungefähr über Island ein Sturmtief bildet. Die Tiefs werden von der Höhenströmung aufs europäische Festland getrieben. Sie bringen vom Atlantik her reichlich Regen mit, der es etwa bis ins Baltikum und nach Polen schafft. Über Russland sterben die Tiefs dann ab und das Spiel beginnt von vorn.

In diesem Jahr aber fehle den Tiefs die Antriebsenergie, berichtet Riemann: Die Höhenströmung habe sich abgeschwächt und bringe zudem milde Luft ungewöhnlich weit nach Norden. Zugleich kühle der Atlantik nahe dem Äquator seit Jahren leicht ab, so dass der Temperaturgegensatz immer geringer werde. Ohne diesen Gegensatz kein Tief – und ohne Tief kein Landregen. „Ehrlich gesagt gibt es keine Anzeichen, dass sich das grundlegend ändert“, sagt Riemann.

Hitzerekorde knapp verfehlt

Erst zum Winter hin wachse durch den tiefen Sonnenstand der Temperaturgegensatz zwischen Arktis und Subtropen automatisch wieder, so dass die Atlantiktiefs endlich kräftiger werden könnten. Wenn sie es auch dann nicht mehr bis zu uns schaffen, verschärft sich das Dürreproblem zur Katastrophe. Zumal sich neues Grundwasser in Berlin und Brandenburg erfahrungsgemäß fast nur im Winter bilden kann.

Den Trend zu langlebigeren, eher von östlichen Winden geprägten Wetterlagen beobachten Meteorologen in Berlin seit langem. Selbst das vergangene Jahr mit seinem Rekordregen passt laut Riemann in dieses Schema: Da kamen die Atlantiktiefs, die es einst bis Russland schafften, gerade noch bis zu uns und regneten über Berlin und Brandenburg ab. So wurde 2017 das erste im langjährigen Vergleich zu nasse Jahr nach drei viel zu trockenen.

Und 2018? Die Hitzerekorde wurden ganz knapp verfehlt, aber das Temperaturniveau insgesamt ähnelt dem des Jahrhundertsommers 2003 (der übrigens zu den schwersten Naturkatastrophen der europäischen Geschichte zählt). „Was das Niederschlagsdefizit betrifft, sieht es jetzt schon schlimmer aus als 2003“, sagt Riemann. 251 Liter pro Quadratmeter kamen etwa in Potsdam seit Jahresbeginn vom Himmel. Damit fehlen im Vergleich zum langjährigen Mittel rund 100 Liter. Noch schlimmer: Etwa die Hälfte des spärlichen Nachschubs kam als Sturzregen. Davon mag mancher Rasen profitieren. Aber kein alter Baum – und auch nicht die Bevölkerung, die beispielsweise in Gestalt des Durchschnittsberliners knapp 120 Liter Wasser pro Tag benutzt.

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