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In keiner Region der Welt hat sich die Lage der Pressefreiheit 2018 so sehr verschlechtert wie in Europa.

© Florian Kleinschmidt/dpa

Exiljournalisten in Berlin: Frei, aber nicht sicher

Exiljournalisten üben ihren Beruf in Berlin aus. Doch Geheimdienste drohen ihnen auch hier.

Das Versprechen eines freien und selbstbestimmten Lebens ist der Ruf, dem jedes Jahr Menschen aus allen Teilen der Welt nach Berlin folgen. Manche von ihnen kommen, wie der türkische Journalist Can Dündar, aus dem bescheidenen Wunsch, ihren Beruf weiter auszuüben. Unabhängig, ohne Zensur, ohne mit Tod bedroht zu werden – Wünsche, bei denen nur schwer vorstellbar ist, dass sie auch heute nicht zur Lebensrealität vieler Journalisten weltweit gehören.

Doch zwei Dinge werden auf der Podiumsdiskussion der re:publica am Mittwoch mit dem Titel „Berlin als Standort für Exilmedien und Digitaljournalismus aus aller Welt“ deutlich: Erstens, dass auch Europa nicht mehr sicherer Hort der Pressefreiheit ist. Und zweitens, dass die Bedrohung für Exiljournalisten in Berlin keineswegs gebannt ist. Mit auf dem Podium diskutieren Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, Can Dündar, die brasilianische Journalistin Marie Declercq, Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt und die Vorstandsvorsitzende von Reporter ohne Grenzen, Gemma Pörzgen. Autorin Sumi Somaskanda moderiert die Runde.

Besorgniserregende Entwicklung in Europa

Wenige Tage ist es erst her, dass Reporter ohne Grenzen den jährlichen Index der Pressefreiheit veröffentlicht hat – mit besorgniserregendem Ergebnis: In keiner Region der Welt hat sich die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr so sehr verschlechtert wie in Europa. Entwicklungen, die man seit Jahren schon in autokratischen Regimen erkennen könne, seien nun auch in Europas Mitte angekommen, berichtet Gemma Pörzgen auf dem Podium und verweist auf die Journalistenmorde in der Slowakei und auf Malta, aber auch auf die Einschüchterungsversuche der Österreichischen Regierung gegen einen ORF-Journalisten.

Eine Möglichkeit, Journalisten weltweit ein freies Arbeiten zu ermöglichen, könnte in dem Stipendienprogramm der Berliner Wirtschaftsverwaltung und Reporter ohne Grenzen liegen, in dem Medienschaffende in Themen digitaler Sicherheit geschult werden. Zwar verhindern Länder wie der Iran oder China durch Internetzensur eine freie Meinungsbildung, gleichzeitig liegt beispielsweise in verschlüsselter digitaler Kommunikation eine Chance, Informanten und Berichterstatter vor Ort zu schützen. Im aktuellen Doppelhaushalt sind dafür 500 000 Euro eingeplant, auch die Journalisten Marie Declercq und Can Dündar profitieren von dem Projekt.

Auch in Berlin sind nicht alle Journalisten sicher

Doch dass Journalisten, die in Berlin Zuflucht suchen, weil sie in ihren Heimatländern verfolgt werden, auch hier nicht sicher sind, machen Can Dündar und Lorenz Maroldt deutlich: „Wir empfangen Exiljournalisten mit offenen Armen, aber dass sie in Berlin tatsächlich einer realen Gefahr ausgesetzt sind, machen wir uns oft nicht klar“, sagt Maroldt. Die Netzwerke ausländischer Geheimdienste reichten oft bis nach Deutschland, im Falle des türkischen MIT sogar bis in die Berliner Polizei, wie im vergangenen August bekannt wurde.

Dündar betont, er sei zwar momentan durch seinen Aufenthalt in Deutschland vor einer Haftstrafe in der Türkei geschützt, doch Erdogans Anhänger in der deutschen Diaspora seien radikaler als in der Türkei und der türkische Geheimdienst sei in Deutschland sehr aktiv. „Berlin ist einer der gefährlichsten Orte für mich“, sagt Dündar, dessen Frau weiterhin an der Ausreise aus der Türkei gehindert wird. Jeder Artikel den er schreibt, sagt Dündar, könne ihr Leben weiter gefährden.

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