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Evrim Sommer. Ihre kurdische Familie floh einst aus der Türkei.

© promo

Evrim Sommer vor der Wahl 2016: Linke möchte Macht in Lichtenberg

Evrim Sommer sitzt für die Linke im Abgeordnetenhaus. Ab 2016 aber möchte sie Bezirksbürgermeisterin werden. Die einstige Schönebergerin könnte zum heterogenen Ost-Bezirk passen.

Passt diese Frau in diesen Bezirk? Evrim Sommer streicht ihre langen Haare in den Nacken, reißt ihre ohnehin schon großen Augen auf und fragt eher laut als leise: „Wieso nicht, bitte schön?“ Also gut, reden wir über Lichtenberg.

Knapp 270 000 Einwohner hat der äußerst heterogene Bezirk. Hier treffen sich in einer Erdgeschosskneipe die Hells Angels, während oben Rentner ihre Balkon- Blumen gießen. Hier ragen 20-geschossige Plattenbauten neben putzigen Kleingartenlauben in den Himmel. Hier ist von den einst zahlreichen Neonazis nicht mehr viel zu sehen, bald kommt jeder fünfte Lichtenberger aus einer Einwandererfamilie. Und hier steht Birgit Monteiro (SPD) zwar an der Spitze des Bezirksamtes, eigentlich ist Lichtenberg aber eine Linken-Hochburg.

„Super Bezirk“, sagt Sommer. „Er könnte aber noch besser werden.“ Und das würde sie gern selbst machen: Sommer will 2016 Bürgermeisterin werden.

Lichtenberg hat alles: Altbauten, Schrebergärten und Plattenbauten - wie das Gustavo-Haus in der Franz-Jacob-Straße am Bahnhof Storkower Straße.
Lichtenberg hat alles: Altbauten, Schrebergärten und Plattenbauten - wie das Gustavo-Haus in der Franz-Jacob-Straße am Bahnhof Storkower Straße.

© Thilo Rückeis

Vor 44 Jahren wurde sie als Evrim Baba in Varto geboren. In der osttürkischen Stadt leben vor allem Kurden. Varto gilt als Hochburg der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, die sich in diesen Tagen wieder Kämpfe mit der türkischen Armee liefert. Wie viele Intellektuelle flohen ihre Eltern vor der türkischen Militärregierung. Evrim Baba wuchs in Schöneberg auf. Sie ließ sich zur Dolmetscherin ausbilden und engagierte sich bald in der Neuköllner PDS. 1999 wurde sie ins Abgeordnetenhaus gewählt.

Baba zog vor zehn Jahren nach Lichtenberg – auch, weil sie genau dort antreten wollte. Sie lernte Robert Sommer kennen, einen erfolgreichen Historiker, der im Osten der Stadt aufgewachsen ist. Es folgten Hochzeit, Tochter und Häuschen in Alt-Hohenschönhausen im Lichtenberger Norden. Für die Linke, die bis 2007 PDS hieß, gewann Sommer ihren Lichtenberger Wahlkreis.

Bald schließt Sommer ihr Studium ab: Gender Studies und Geschichte. Im Abgeordnetenhaus ist sie Frauenexpertin ihrer Fraktion. Vom nächsten Jahr an will sie also im Bezirk bleiben, den Sitz im Landesparlament gibt sie dafür auf.

20 Prozent der Lichtenberger sind armutsgefährdet

Zwar stellt die Linke in der Bezirksverordnetenversammlung die größte Fraktion, doch die anderen Parteien einigten sich auf SPD-Frau Monteiro als Bürgermeisterin. Die SPD lag mit 29 Prozent nur vier Punkte hinter der Linken. Sommer wird also mehr Stimmen brauchen, als die Linke 2011 bekommen hat. Die Chancen stehen nicht schlecht, schon weil SPD und CDU im Senat eher als Getriebene denn als Regierende wirken.

Mit der S-Bahn braucht man von Schöneberg eine Stunde bis in die Zingster Straße, wo sich ihr Wahlkreisbüro befindet: Hier, 200 Meter von der Brandenburger Landesgrenze entfernt, teilt sich Sommer eine kleine Plattenbauwohnung mit Gesine Lötzsch, Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag.

Lange war Bausenator Andreas Geisel (SPD) Lichtenberger Bürgermeister. Er sprach von jungen Familien und neuen Investitionen im Bezirk. Doch zuletzt stiegen auch in Lichtenberg die Sozialhilfeausgaben, 20 Prozent der Einwohner sind armutsgefährdet. Sommer sagt: „Und bei 1000 schwer vermittelbaren Jugendlichen ist es falsch, dass der Bezirk ausgerechnet bei Projekten der Jugendberufshilfe sparen will.“

Doch Lichtenberg ist kein Sozialfall. Seit einigen Jahren ziehen verstärkt Neuberliner nach Lichtenberg, schon weil in der Innenstadt freie Wohnungen fehlen. Dadurch aber steigen die Mieten – und zwar derart, dass in den Altbaukiezen etwa im Kaskelkiez am Ostkreuz genauso von Gentrifizierung geredet wird wie in Schöneberg oder Pankow. „Wir brauchen ein Mietenmoratorium und eine konsequente Überprüfung des Zweckentfremdungsverbotes“, sagt Sommer. Sie will das „Bündnis für Wohnen“ ausbauen, das 2012 vom Bezirksamt gegründet wurde. "Dem Bündnis müssen endlich die Mieterverbände angehören, sonst ergibt das wenig Sinn." Wegen des Zuzuges fehlen zudem Schulplätze. Wie aktuell bei der Schule an der Victoriastadt, sagt Sommer, seien Ergänzungsbauten nötig.

Evrim Sommer hat den rot-roten Senatskurs mitgetragen: "Ein Fehler."

Lichtenberg ist übrigens Linken-intern von zentraler Bedeutung: 1500 der 7500 Berliner Parteimitglieder sind Lichtenberger. Von Flügelkämpfen in der Partei hat sich Sommer zuletzt ferngehalten. Unterstützer hat sie inner- und außerhalb des Bezirks. Pascal Meiser, Linken-Chef in Friedrichshain-Kreuzberg, sagt: „Ich schätze sie sehr als erfahrene und durchsetzungsfähige Politikerin mit unverkennbarem sozialen Profil.“

Andere wünschen ihr viel Erfolg, lassen aber nicht unerwähnt, dass Sommer den Kurs des rot-roten Senats mitgetragen habe, und der habe massenhaft Stimmen gekostet. Die Linke hatte 2006 und 2011 Stimmen verloren – eine Quittung für den Sparkurs des rot-roten Senats: Mit den Stimmen der Linken wurden landeseigene Wohnungen verkauft und Stellen in den Ämtern gestrichen. „Das war ein Fehler“, sagt Sommer heute.

Immerhin, rechnen ihr einige an, habe sie sich der Stimme enthalten, als ihre Fraktion 2007 der Verschärfung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes zustimmte. Sommer ist viel im Bezirk unterwegs, auf Festen und Vereinstreffen. Um die Lichtenberger zu überzeugen, hat sie nun elf Monate Zeit.

Was es zum Bezirk sonst zu sagen gibt? Der mit 160 Hektar größte Zoo Europas, Tierpark Friedrichsfelde, lohnt immer einen Besuch.

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