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Ein Demonstrant von "Pulse of Europe" am Gendarmenmarkt in Berlin.

© Kai-Uwe Heinrich

Europawahl: Wo bleibt das flexible Wahlrecht für Ausländer?

Die Zahl derer schrumpft, die in Berlin bei der EU-Wahl teilnehmen dürfen. Auch Ausländer sollten wählen - aber erst auf kommunaler Ebene üben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wir stellen uns mal vor, dass alle Berliner wie gebannt auf den 26. Mai schauen. Dann wird das Europaparlament neu gewählt – und es wäre doch schön, wenn die Wahlbeteiligung jenseits der 50-Prozent-Hürde läge. Beim letzten Mal waren es 48,1 Prozent – aber nur deshalb, weil das Volksbegehren zur Befreiung des Tempelhofer Feldes so viele Menschen an die Urnen zog. Irgendetwas müssen wir also noch finden, um die Begeisterung der chronisch überreizten Berliner auf jenen Wahlsonntag zu lenken. Europa geht uns schließlich alle an.

Wirklich alle? Die Landeswahlleiterin in Berlin hat nun überraschend vermeldet, dass die Zahl derer, die an der EU-Wahl in Berlin teilnehmen dürfen, schrumpft. Genauer gesagt sind es 17 941 Wahlberechtigte weniger als bei der letzten Wahl vor fünf Jahren. Ein Blick ins Melderegister legt die Vermutung nahe, dass sich dies zu einem Trend ausweiten könnte. Denn die Hauptstadt wächst zwar explosiv, doch die wahlberechtigten Deutschen nehmen an diesem Wachstumsprozess kaum mehr teil.

Es sind die Zuwanderer aus Nah- und Mittelost, aus den Armenhäusern Europas und den afrikanischen Bürgerkriegszonen, die Berlin auf die Vier-Millionen-Grenze zutreiben lassen. Sie dürfen bei uns wohnen, essen und lernen, gelegentlich sogar arbeiten, aber wählen dürfen sie nicht. Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus, sagt das Grundgesetz – aber nicht jeder in Deutschland ist Deutscher. Es ist auch durchaus nachvollziehbar, nicht jeden Zuwanderer sofort ins nächste Wahllokal zu schicken.

Zwar haben die Europawahlen, die es seit 40 Jahren gibt, den Kreis der Wahlbürger erstmals internationalisiert: Das EU-Parlament wird von EU-Bürgern gewählt, ganz gleich, wo sie wohnen. Aber das Grundproblem, dass in Ländern mit hoher Einwandererquote der Anteil jener Menschen spürbar wächst, die am staatsbürgerlichen Leben nur sehr eingeschränkt teilnehmen dürfen, ist damit nicht gelöst.

Der Hinweis des Seehofer’schen Innen- und Heimatministeriums, dass sich Ausländer ja in Vereinen, Bürgerinitiativen und Gewerkschaften engagieren können, ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Das gilt ebenso für den Vorschlag, sich (frühestens nach acht Jahren) einbürgern zu lassen, weil man dann deutsch genug ist, um wählen zu gehen. Deutschland könnte ja mal ein bisschen üben: mit einem kommunalen Ausländerwahlrecht.

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