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Eine Stimmabgabe für das Europäische Parlament.

© dpa

Europawahl in Berlin: Raus mit Ihnen, happy Wahlsonntag!

Immer mehr Menschen stimmen lieber per Brief, nicht so unsere Autorin. Eine Liebeserklärung an den Wahlsonntag.

Dass der Brief noch einmal zum Massenphänomen wird, hätte so auch niemand erwartet. Selbst Liebesbriefe werden heute (wenn überhaupt) digital überliefert, unten im Kasten liegen zwischen den Prozentschlachten des Einzelhandels höchstens noch Rechnungen, Geburtskarten, Mahnungen – und alle paar Jahre mal die Wahlbenachrichtigung. Immer mehr Menschen antworten darauf in einer eigentlich klassischen, wahlmäßig allerdings eher innovativen Art und Weise: per Brief.

Wenn Berlin heute Europa wählt, werden viele von Ihnen nicht deswegen zu Hause bleiben, weil sie die Nase voll haben von den Nasen da oben oder sonstige (immer falsche!) Gründe vorbringen können, warum Sie die Wahl nicht haben wollen. Nein, mehr als eine halbe Million Menschen in dieser Stadt bleiben heute entspannt am Frühstückstisch sitzen, weil sie ihre Stimme schon abgegeben haben.

Seit der Wende ist der Anteil der Briefwähler von gut 9 Prozent auf fast 30 bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 gestiegen. Es werden diesmal wieder ein paar mehr sein. Die Wahlleiter sehen diese Entwicklung immer kritischer, was sie vor allem mit dem Verlust des gemeinsamen Stichtags und der möglichen Beeinflussung begründen.

Demokratie live erleben

Doch es gibt noch einen anderen Aspekt, der im Umschlag verloren geht: der Wahlsonntag als Happening. Diese fröhliche Pilgerstimmung auf den Straßen, schließlich müssen alle irgendwie raus, ob Hagel oder Heiterkeit (Prognose: bewölkt, 21 Grad). Habt ihr schon oder wollt ihr noch? Wie, ihr geht gar nicht? Geht gar nicht! Nachbarn auf der Straße treffen, nach der Urne kurz’n Kaffee? Lange nicht gesehen, wie geht’s denn so? Das Anstehen an den Listen, wo die wenigen zu vielen werden und man denkt: Hey, wir könnten vielleicht doch etwas verändern. Überhaupt die Listen! Wo die Welt noch analog ist, macht Gerda Häkchen, bis die Kulimine streikt, „nicht zu zweit in die Kabine“, murmelt Gunther. Du weißt ja, was du wählen sollst, haste dir gemerkt? Den Fuffi kriegste später. Kein Witz, der hier noch nicht gemacht wurde.

Demokratie live erleben, diese Chance hat man nur am Wahlsonntag. Den Nachwuchs mitnehmen (nein, Gunther, nicht in die Kabine!), erklären, diskutieren, vorbereiten auf dieses Privileg, diese Pflicht, das Kribbeln am Kreuz spüren – bloß keinen Fehler machen! – das geht nicht am Küchentisch. Also raus mit Ihnen, happy Wahlsonntag!

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