zum Hauptinhalt
Ein Stück Berlin, ein Stück Freiheit. Späti-Betreiber kämpfen für das Recht auf Sonntagsöffnung.

© Thilo Rückeis

Update

Es geht nicht nur um Spätis: Der erbitterte Kampf um Öffnungszeiten in Berlin

Die Spätis müssen schließen, die verkaufsoffenen Sonntage wurden gekippt. Gleichzeitig gibt es immer wieder Ausnahmen. Eine Übersicht.

Der Kampf um den verkaufsoffenen Sonntag wird nicht nur politisch geführt, sondern zunehmend vor Gericht. Mit unterschiedlichen Intentionen. Geklagt wird von Befürwortern einer weiteren Liberalisierung – wie der Charlottenburger Spätibetreiberin, die ihr Geschäft sonntags öffnete, sich gegen eine Zwangsgeldandrohung des Bezirks wandte und jetzt vor dem Verwaltungsgericht verlor.

Aber auch von Gegnern der Sonntagsöffnung wie der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Diese war in einem Eilverfahren zum wiederholten Mal vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich gegen vom Senat genehmigte verkaufsoffene Sonntage aus Anlass von Großveranstaltungen vorgegangen.

Der Ordnungsstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Andy Hehmke (SPD), erwartet von dem Späti-Urteil keine weiteren Auswirkungen, es bestätige lediglich die derzeitige Regelung. In seinem Bezirk wie in der gesamten Stadt halten sich viele Späti-Betreiber ohnehin nicht daran, sondern öffnen sonntags. Das Urteil bewerten befragte Händler negativ.

Laut Hehmke bleibt zunächst alles, wie es ist, solange das Ladenöffnungsgesetz nicht geändert wird. Damit ist derzeit nicht zu rechnen; im Koalitionsvertrag für Rot-Rot-Grün steht dazu nichts. Auch Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) sieht keine Veranlassung.

In Friedrichshain-Kreuzberg gehört die Kontrolle von Spätis am Sonntag nicht zu den Einsatzschwerpunkten des Ordnungsamtes. Dennoch gingen die Mitarbeiter Beschwerden nach; so dass es hin und wieder zu Bußgeldern komme, sagt Hehmke. Im Nachbarbezirk Tempelhof-Schöneberg werden ebenfalls Verstöße gegen die Sonntagsruhe geahndet.

Die Argumente der Befürworter und Gegner sind genau die gleichen wie vor Jahrzehnten, als die Läden montags bis freitags noch um 18.30 Uhr und samstags um 14 Uhr schließen mussten. Immer wurde der Weltuntergang prophezeit, wenn man die Ladenöffnungszeiten liberalisiert.

schreibt NutzerIn froggy08

Der Druck auf den Sonntag wird stärker

Beispielsweise wurden Karfreitag und Ostermontag Backshops und Blumenläden kontrolliert. Ordnungsstadträtin Christiane Heiß (Grüne) hält gesetzliche Regelungen, die Ausnahmen für Spätis vorsehen, nicht für realistisch. „Die müssten dann für alle gelten“, sagt Heiß. Sie selber befürwortet – anders als andere Grünenpolitiker – die Beibehaltung der bisherigen Praxis.

Zu den jüngsten Entscheidungen sagt Heiß: „Es zeichnet sich ab, dass die Gerichte die Sonntagsöffnung restriktiver beurteilen.“ Gleichzeitig beobachtet sie, dass der Druck auf den Sonntag stärker wird. Auch von Konzernen gebe es zunehmend Anträge für Ausnahmen. Beispielsweise für ein Event in einem Möbelhaus, um Erlebnisse zu schaffen und so die Kunden anzusprechen, die später im Internet bestellten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Bei den vom Gericht gekippten verkaufsoffenen Sonntagen geht es auch um jenen während des Lesbisch-Schwulen Stadtfests im Schöneberger Regenbogenkiez am 21. Juli. Die dortigen Geschäfte können dennoch öffnen, da diese Möglichkeit auch bei regionalen Straßenfesten gewährt wird.

Legt der Senat Beschwerde ein?

In den vorangegangenen Fällen hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) den Beschluss des Verwaltungsgerichts wieder aufgehoben. Nur in einem Fall wurde das Verbot bestätigt. Mit der jetzigen Entscheidung sieht sich Verdi gestärkt. „Wir erwarten vom Senat, dass das geltende Recht bei Sonntagsöffnungen nun auch vollumfänglich umgesetzt wird“, sagt Erika Ritter vom Fachbereich Handel.

Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg hingegen hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für nicht nachvollziehbar. Das Gericht lege Kriterien an, die in einer Millionenstadt wie Berlin nicht zu erfüllen seien. „Dabei ist das Berliner Gesetzt das einzige Ladenöffnungsgesetz, das vom Bundesverfassungsgericht überprüft wurde“, sagt Busch-Petersen.

Er erwarte, dass der Senat Beschwerde beim OVG einlegt. Dies prüft die Senatsarbeitsverwaltung derzeit. In einem Verfahren aus dem vergangenen Jahr war vor wenigen Wochen auch das Hauptverfahren zugunsten Verdis ausgegangen. Hier hofft Busch-Petersen ebenfalls, dass der Senat beim Oberverwaltungsgericht in die Berufung geht und nicht das Bundesverwaltungsgericht direkt anruft.

So reagieren Spätibetreiber

Ein Stück Berlin, ein Stück Freiheit. Späti-Betreiber kämpfen für das Recht auf Sonntagsöffnung.
Ein Stück Berlin, ein Stück Freiheit. Späti-Betreiber kämpfen für das Recht auf Sonntagsöffnung.

© Thilo Rückeis

„Reiche werden noch reicher und die Kleinen gehen unter“, sagt Mehmet Sen. Der Besitzer eines Spätkaufs in Kreuzberg findet, dass es am Ende den großen Supermärkten nützt, wenn Berliner Spätis an Sonntag schließen müssen. Immer wieder heißt es: Sonntag ist der umsatzstärkste Tag, der darf nicht fehlen. Nicht weit von Tas’ Laden gibt es eine Rewe-Verkaufsstelle in der Tankstelle. „Da kostet alles doppelt so viel wie hier“, sagt er, vor dem Laden sitzend.

„Spätis stehen für Berlin“, meint der Verkäufer eines Spätis ein paar Straßen weiter. Er sei in letzter Zeit schon zweimal kontrolliert worden.

Das ist nicht überall im Bezirk so: Im nächsten Späti macht sich der Verkäufer weniger Sorgen, weil er vermutet, dass es im grün regierten Kreuzberg nicht so streng gehandhabt werde, auch in Zukunft. Nur weil sich jetzt alle beschweren, werde die Sonntagsöffnung zum Thema: „Tankstellen, die Supermärkte, aber auch konkurrierende Spätis.“ Als Klein- oder Familienunternehmen stehen sie oft alleine da. Sie haben keine gemeinsame Lobby. Das müsste sich ändern, damit sie sich für ihre Interessen einsetzen könnten, sagt auch Sen.

Und was sagt die Kundschaft? Eine junge Eisverkäuferin findet es unzeitgemäß, dass Läden generell an Sonntagen geschlossen sind. Ihre Kundinnen sind sich uneins. Eine findet, das Verbot gehöre endlich durchgesetzt, die nächste, dass Spätis einfach zu einer Großstadt wie Berlin dazugehören. Dabei kaufe sie selbst dort gar nicht ein, fügt die elegant gekleidete Dame hinzu.Selbst ein Mann vom Ordnungsamt, der gerade Parkverbote kontrolliert, ist gegen die harte Linie. Gerade Leute, die viel draußen unterwegs sind, freuten sich über Spätis als Ort für die Pause.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false