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Die Ordnungsämter sollen Bars und Restaurants verstärkt kontrollieren.

© Carsten Koall/dpa

Es drohen Strafen und Ladenschließungen: Vorerst kein Alkoholverbot in Berlin – aber mehr Kontrollen

Bars und Restaurants zählen zu den häufigsten Corona-Infektionsorten. Viele dort nehmen Hygiene- und Abstandsregeln nicht ernst. Das soll sich ändern.

Der Berliner Senat hält trotz langsam steigender Infektionszahlen und Verstößen gegen Corona-Auflagen in Kneipen und Bars an seiner Linie fest und verzichtet auf ein Alkoholverbot. Darauf verständigte sich die rot-rot-grüne Landesregierung am Dienstag.

Abstandsvorgaben, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung beim Verlassen des Sitzplatzes im Gastraum sowie die Dokumentationspflicht sollen künftig schärfer kontrolliert werden. Den Ordnungsämtern der Bezirke sollen dafür 240 zusätzliche Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden. Regelverstöße sollen konsequent geahndet und Lokale im Wiederholungsfall geschlossen werden, hieß es weiter.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der die Ergebnisse der Senatssitzung vorstellte, erklärte, es habe „Diskussionen über die Frage“ gegeben, wie mit Infektionsfällen in gastronomischen Einrichtungen umgegangen werden soll.

Sie zählen aktuell, neben dem „familiären Nahbereich“, zu jenen Orten, in denen sich besonders viele Menschen mit Corona infizieren. „Wir wollen da weiter besonnen bleiben“, erklärte Lederer und lehnte es ab, „Ideendropping über die Presse“ zu betreiben.

„Wenn die Zahlen steigen, werden wir prüfen, an welchen Stellen es sinnvoll ist, die Regeln zu verschärfen“, erklärte Lederer und schloss nicht aus, bei einer veränderten Situation weitergehende Maßnahmen zu beschließen.

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Weiter sprach er davon, dass es „Schwerpunkteinsätze“ in bestimmten, nicht näher konkretisierten Bereichen der Stadt geben könne. Am vergangenen Wochenende waren in Neukölln im Bereich zwischen Weser- und Weichselstraße viele Verstöße gegen bestehende Regelungen für die Gastronomie registriert worden.

Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) erklärte am Dienstag via Facebook, er sei „entsetzt“ über die Regelverstöße vieler Kneipenbetreiber und „ernüchtert“ von den Ergebnissen der Kontrollen. Nur in einer von 13 überprüften Bars habe es keine Beanstandungen gegeben, „in allen anderen hatten Ordnungsamt und Polizei alle Hände voll zu tun“, schrieb Hikel.

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15 Verstöße gegen die Infektionsschutzverordnung seien festgestellt worden, unter anderem, weil keine Kontaktlisten geführt wurden oder kein Mundschutz getragen wurde.

Kalayci hatte Alkoholverbot für bestimmte Straßenzüge vorgeschlagen

Mit der Entscheidung, Verstöße mit verschärften Kontrollen statt eines Verbots zum Alkoholausschank bekämpfen zu wollen, ist ein kontrovers diskutierter Vorstoß von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zumindest vorerst vom Tisch.

Diese hatte am Montag ein Ausschankverbot ins Gespräch gebracht, ihren Vorstoß dann aber bereits im Vorfeld der Senatssitzung im „Inforadio“ abgeschwächt. Selbstverständlich gehe es ihr nicht um ein generelles Verbot, sondern Regeln für bestimmte Straßenzüge.

Andere Bundesländer setzten ähnliche Strategien bereits um. So sei in Hamburg der Verkauf von Alkohol zum Mitnehmen in Szenevierteln am Wochenende seit Juli verboten, um die üblichen Massen-Partys auf der Straße zu verhindern.

Amtskollege Lederer und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) hatten sich bereits Montagabend gegen den Vorschlag Kalaycis ausgesprochen und „Prohibitionsdiskussionen“ abgelehnt. Aus dem Senat hieß es am Dienstag, Kalayci habe für ihren Vorschlag aus den Reihen der Koalition Häme kassiert.

Es drohen Schließungen bei wiederholten Verstößen

Ein Sprecher Kalaycis wiederum zeigte sich überrascht von der teilweise heftigen Kontroverse über den Vorschlag seiner Chefin und bezeichnete es als ureigene Aufgabe von Politikerinnen in Verantwortung, Debatten anzustoßen.

Die Wirtschaftssenatorin wiederum teilte dem Tagesspiegel nach der Senatssitzung mit, dass Gaststätten „bei groben Übertretungen“ nicht nur mit Bußgeldern, sondern auch mit Schließung rechnen müssten. „Es kann nicht sein, dass Teile der Berliner Gastronomie die Hygiene- und Abstandsregeln sowie die Anwesenheitsdokumentation missachten“, erklärte Pop und bezeichnete die Nichteinhaltung von Regeln als inakzeptabel.

Ähnlich äußerte sich mit Thomas Lengfelder der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Berlin. Er appellierte an Gäste und Gastronomen, die geltenden Regeln einzuhalten. Gleichzeitig rief er die Ordnungsämter der Bezirke auf, ihre Kontrollaufgabe wahrzunehmen und Vergehen konsequent zu ahnden.

Dies sei auch im Interesse der Unternehmer, weil ein zweiter Lockdown einer „Katastrophe“ für die Branche gleichen würde und „verheerende“ Auswirkungen hätte.

Gaststättenverband: Alkoholverbot gleicht einem Berufsverbot

Den Vorstoß Kalaycis kommentierte Lengfelder mit den Worten: „Das gleicht einem Berufsverbot“. Es sei nicht vertretbar, eine komplette Branche für die Verfehlungen einiger weniger zu bestrafen, erklärte Lengfelder und warnte, ein generelles Ausschankverbot würde die Branche „kaputtmachen“.

Lengfelder wird schon bald Gelegenheit haben, seine Sicht der Dinge direkt mit dem Senat zu besprechen. Vertreter der Dehoga sollen an der nächsten Sitzung des Gremiums teilnehmen. Dann geht die Debatte über schärfere Regeln in eine neue Runde.

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