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Macht zum Abschluss der Checkpoint-Sommergeschichten den Anfang: Die Autorin Berit Glanz

© Promo

„Erzähl mal weiter“: Die Checkpoint-Fortsetzungsgeschichte mit Berit Glanz

Woche für Woche starten Berliner AutorInnen im Checkpoint eine Erzählung. Wie es weiter geht, entscheiden die LeserInnen. Lesen Sie jetzt die ganze Geschichte.

„Erzähl mal weiter“ – gemeinsam mit AutorInnen und Ihnen wollen wir während der Sommerferien Fortsetzungsgeschichte schreiben. Den Auftakt und das Ende der letzten Sommergeschichte schrieb die preisgekrönte Autorin Berit Glanz.

Stalagmit von Uwö, Doris Jagodzinski, Tammiko und Berit Glanz.

Intro (Berit Glanz): Hätte sie wenigstens das Licht angemacht, bevor sie die Kellertreppe hinunterlief. Aber meist rannte sie bloß im Dunkeln die Stufen hinab, der Lichtkegel aus dem Flur des Mietshauses war gerade genug, um sich die Flaschen aus ihrem Verschlag zu greifen. In der Kellerfeuchte blieben sie zumindest ein wenig kühl. Doch dieses Mal war die Feuerschutztür zugefallen und ließ sich nicht mehr öffnen, vielleicht hatte sie sich verhakt. Erschreckt hatte sie sich mehrfach gegen die Tür gestemmt, geklopft und dann sofort versucht, Milan anzurufen. Er war natürlich nicht ans Telefon gegangen. Nun saß sie auf dem Betonfußboden in einer kleinen Insel aus Smartphonedisplaylicht. Sie hatte Milan sicherheitshalber eine Reihe von Nachrichten geschickt, hoffentlich würde er kommen, bevor es völlig dunkel wurde. Sie fröstelte und stellte den Bildschirm etwas dunkler, um Batterie zu sparen. Ihre Lichtinsel wurde kleiner. Zumindest war der Akku noch voll genug, um sich ein wenig abzulenken, dachte sie und öffnete...

Teil II (Uwö): ... die Brusttasche ihrer Latzhose, um ihre geliebten Tarot-Karten herauszuholen. Gerade hatte sie die erste Reihe gelegt, als ein quietschendes Geräusch sie hochfahren ließ. Es kam aus einer Ecke hinter ihr. Sie sammelte sich und lauschte. Nichts. Ein zaghaftes „Hallo“ kam über ihre Lippen und dann nochmals mit festerer Stimme: „Hallo, ist da jemand?“ Aber nichts rührte sich. Auch, wenn es ihr kindisch vorkam, klopfte sie nun mehrfach ein SOS an die geschlossene Eingangstür, in der Hoffnung, jemand würde den Krach hören. Plötzlich hörte sie wieder das quietschende Geräusch hinter sich, doch bevor sie reagieren konnte, legte der Feueralarm los, als gäbe es kein Morgen...

Teil III (Doris Jagodzinski): ...So laut, dass sie das Quietschen nicht mehr hören konnte. Wie betäubt tippelte sie durch die Dunkelheit. Sie wollte wieder an die Brandtür klopfen und rufen, konnte sie aber nicht mehr finden. Stattdessen fand sie tastend den Holzverschlag eines Kellers, die Tür stand offen, sie ging wie von Sinnen hinein, stolperte und fiel hin. Sie versuchte aufzustehen, drückte sich mit beiden Händen hoch und berührte etwas Weiches, spürte Wärme. Ihr Herz klopfte, ihre Nackenhaare stellten sich auf und ihr Rücken spannte sich hart wie ein Bogen, als sie erkannte, dass es sich um ein…

Einzige Begleitung in der Dunkelheit: ein kleines Mäuschen.
Einzige Begleitung in der Dunkelheit: ein kleines Mäuschen.

© Marcial Quiroga-Carmona/Universidad Austral de Chile/dpa

Teil IV (Tammiko): …kleines Mäuschen handelte: Zwei kleine dunkle Knöpfchen schauten sie im Dämmerlicht an. Plötzlich war sie wieder ein Kind und sah, wie ihre Mama mit zärtlicher Stimme zum Boden zu sprechen schien, wo ein kleines, hellbraunes Etwas verharrte, um dann schnell im Gebüsch zu verschwinden, der kleine, länglich sich windende, rosa Schwanz als letztes. Viel später hatte ihre Mutter ihr erzählt, dass sie nicht gewollt habe, dass ihre Kinder ängstlich gegenüber all dem kleinen Getier würden – deshalb hatte sie sich zusammen genommen und sich all den Spinnen, Würmern und Käfern mit Zutrauen zu nähern versucht. Ach Mama... Da hörte sie einen Schlüssel im Schloss und erschrak...

Teil V (Berit Glanz):... Sie nahm die Maus und steckte sie zu den Tarotkarten in die Brusttasche. Der Feueralarm dröhnte weiter durch den Keller, wahrscheinlich hatte sie sich das Schlüsselgeräusch eingebildet. Nicht verzweifeln, der Angst keine Angriffsfläche bieten, hatte ihre Mutter immer gesagt. Immerhin war die Maus bei ihr. Sie nahm ihr Handy in die Hand und versuchte erneut, Milan anzurufen. Er antwortete nicht. Die Maus quietschte wieder, und es sah so aus, als würde sie mit der Schnauze auf die Tarotkarten zeigen. Als wüsste das Tier genau, was zu tun war. Sie setzte sich auf den Boden des Kellerverschlags und begann im Licht ihres Handys aus den Karten ein Haus zu bauen. Die Maus schaute aus ihrer Brusttasche zu. Als das Kartenhaus fertig war, setzte sie die Maus hinein. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als würde sie ihr zunicken, dann verschwand die Maus. Der Feueralarm hatte aufgehört und sie saß in völliger Stille im Lichtkreis ihres Telefons und schaute auf das zusammengefallene Kartenhaus. Die Feuerschutztür öffnete sich. „Ich bin da“, hörte sie Milan rufen.

Das waren die Checkpoint-Sommergeschichten. Vielen Dank allen, die mitgeschrieben haben. Unseren beliebten Morgennewsletter Tagesspiegel Checkpoint können Sie ganz einfach hier abonnieren.

Berit Glanz

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