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Für Berliner Fahrgäste gibt es ab Januar mit dem Flex-Ticket eine neue Option.

© Christophe Gateau/dpa

Erweitertes Tarifangebot im VBB: Berlins neues Flex-Ticket startet im Januar

Ab Januar können Fahrgäste in Berlin das neue Flex-Ticket nutzen. BVG-Chefin Kreienkamp will noch mehr: nämlich einen Tarif testen, der pro Kilometer gilt.

Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr in Berlin können im neuen Jahr auf ein weiteres Ticketangebot zugreifen. Ab 1. Januar bietet der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) das neue Flex-Ticket für den Tarifbereich AB an.

Der VBB reagiert damit auf das zunehmende Arbeiten im Homeoffice seit Beginn der Corona-Pandemie. Viele Menschen im Großraum Berlin pendeln seither allenfalls an einzelnen Tagen in der Woche ins Büro. Die Umweltkarte, das klassische Abonnement lohnt sich für sie daher in vielen Fällen nicht mehr.

Mit etwas Verzögerung wurde nun zumindest für das Berliner Stadtgebiet eine Alternative für die veränderte Situation geschaffen. So soll das Flexticket die bestehende Lücke zwischen Einzelfahrscheinen und regulärem Abonnement schließen.

Das neue Angebot kostet 44 Euro und berechtigt Fahrgäste, acht 24-Stunden-Fahrkarten innerhalb eines Monats an Tagen ihrer Wahl zu nutzen. Nutzer:innen sollen sich damit ihre Fahrten flexibler einteilen können und zugleich im Vergleich zur Umweltkarte Geld sparen. Das Ticket ist zunächst als Pilotprojekt angelegt und soll digital per Handyticket sowie in ausgewählten Kundenzentren und Verkaufsstellen auch analog verfügbar sein.

„Vielleicht sieht die Welt in zwei, drei Jahren auch schon wieder anders aus, aber wir brauchen jetzt flexible Tarifangebote und werden in der Pilotphase beobachten, wie die Menschen sie annehmen und entsprechend reagieren“, sagte VBB-Geschäftsführerin Susanne Henckel. Mit dem neuen Angebot sei man „auf dem richtigen Weg“.

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Allerdings ist der Nutzen des Tickets umstritten. Viele Pendler legten pro Tag nur zwei Fahrten zurück, kritisiert der Fahrgastverband Pro Bahn: einmal hin und zurück vom Arbeitsort. In dem Fall wären Vier-Fahrten-Karten billiger. Auch ist das neue Flex-Angebot anders als die Umweltkarte oder einzelne Fahrscheine nicht auf andere Personen übertragbar.

BVG-Chefin will entfernungsabhängiges Ticket testen

BVG-Chefin Eva Kreienkamp ist trotzdem von dem Angebot überzeugt. „Mit dem Flexticket bieten wir Berufstätigen, die von zu Hause arbeiten, nun eine attraktive Lösung an.“ Das Fahrverhalten der Menschen habe sich während der Pandemie nachhaltig geändert, denn das Homeoffice werde auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen.

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Für Kreienkamp soll das jedoch nur der Anfang in Sachen Tickets sein. „Die neuen Bedürfnisse unserer Fahrgäste erfordern einen richtigen Modernisierungsschub unserer Tarifstruktur.“

Was das bedeuten kann, hat die BVG-Chefin nun skizziert: Sie fordert, distanzabhängige Tarife in der Hauptstadtregion einzuführen. „Ich kann mir vorstellen, dass es auch in Berlin und Brandenburg entfernungsabhängige Tarife geben wird. Das muss man sich genau anschauen und dann im Rahmen von Pilotprojekten beleuchten“, sagte sie in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“.

BVG-Chefin Eva Kreienkamp will neue Tarifmodelle testen.
BVG-Chefin Eva Kreienkamp will neue Tarifmodelle testen.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Derzeit gilt in Berlin ein Einheitstarif im Bereich AB. Jede Fahrt, die über eine Kurzstrecke hinausgeht, kostet drei Euro, egal, ob Fahrgäste vier Bahnstationen unterwegs sind oder einmal quer durch die Stadt von Wannsee nach Marzahn fahren. Dazwischen könne es preisliche Abstufungen geben, um Nutzer:innen besser zu erreichen, sagte Kreienkamp. „Wir werden intensiver als bisher mit dem VBB über experimentelle Formen von Tarifierung sprechen.“

Die BVG will im neuen Jahr ein Pilotprojekt für ein digitales Best-Buy-Ticket mit bis zu 1000 Personen starten. Die Teilnehmer:innen checken beim Fahrtantritt in einer speziellen App ein. Ein Algorithmus im Hintergrund berechnet dann den günstigsten Preis für die Passagiere – abhängig von den Strecken und der Zahl der Fahrten.

In der ersten Stufe funktioniert das bis zur 24-Stunden-Karte und in einer zweiten Stufe ab Frühling 2022 bis zur Monatskarte. Beobachter sehen die Erprobung allerdings nur als Vorwand, um zu einem späteren Zeitpunkt ein kilometerbasiertes Modell zu testen.

Ein kilometerbasiertes Tarifmodell gibt es schon in Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen gibt es mit der App „Eezy.nrw“ seit Anfang Dezember bereits landesweit ein kilometerbasiertes Tarifsystem. Fahrgäste checken sich damit bei Fahrtbeginn ein und beenden die Zählung beim Ausstieg. Je nach Verkehrsverbund zahlen sie dafür einen Grundpreis von 1,30 bis 1,60 Euro pro Fahrt sowie zwischen 20 und 27 Cent je Kilometer Luftlinie zwischen Start- und Zielort.

Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbands, sieht solche Konzepte mit gemischten Gefühlen. Neue Modelle sollten unter Kontrolle des VBB getestet werden. Eines müsse jedoch sichergestellt werden: „Es darf für die Fahrgäste keine Verschlechterungen im Bestand geben.“

Wieseke verwies auf die teils erheblichen Fahrdistanzen in Berlin, die mit dem neuen System deutlich teurer würden. „Es wird immer nur aus der Perspektive der gentrifizierten Berliner Innenstadt gedacht. Wenn ich die Lidl-Verkäuferin aus dem Falkenhagener Feld bin und nach Schöneberg muss, dann ist das nicht toll.“

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Der Fahrgastvertreter übte auch grundsätzliche Kritik am Vorstoß der BVG-Chefin: „Über Tarifmodelle hat zu allererst die Politik zu entscheiden“, sagte Wieseke. Kreienkamp warf er einen „kontrollierten Regelbruch“ vor.

Auch in der rot-grün-roten Koalition kommt die Ansage von Kreienkamp nicht gut an. „Die BVG kann viel experimentieren, aber was nicht geht, ist das angestammte Tarifsystem durch ein neues zu ersetzen“, sagte Linke-Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg.

„Der Tarif darf nicht davon abhängen, wo in Berlin ich wohne.“ Mit einem rein kilometerbasierten Modell öffne man Tür und Tor, um Menschen zu benachteiligen, die gelegentlich längere Fahrten zurücklegen müssten. „Das wäre kontraproduktiv und würde eher dazu führen, dass die Menschen andere Verkehrsmittel bevorzugen“, sagte Ronneburg.

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