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Solche Bilder soll es nicht erneut in Berlin geben. Anti-Corona-Proteste am 1. August.

© imago images/Jochen Eckel

Update

Erwartete Verstöße gegen Infektionsschutzverordnung: Berlin verbietet Corona-Demos – Drohungen gegen Polizei

Proteste von Kritikern der Corona-Politik am Samstag wurden untersagt. Initiative will juristisch dagegen vorgehen. Innensenator spricht von Drohungen.

Die für Samstag geplante Demonstration von Kritikern der Corona-Politik darf nicht stattfinden. Die Versammlungsbehörde hat am Mittwoch entschieden, dass mehrere angemeldete Demonstrationen verboten werden. Das teilte die Innenverwaltung am Vormittag mit.

Begründet wird das Verbot damit, dass „es bei dem zu erwartenden Kreis der Teilnehmenden zu Verstößen gegen die geltende Infektionsschutzverordnung kommen wird“.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) begrüßte die Entscheidung: „Das ist keine Entscheidung gegen die Versammlungsfreiheit, sondern eine Entscheidung für den Infektionsschutz.“

Man sei weiter in der Pandemie mit steigenden Infektionszahlen. „Wir müssen deshalb zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und dem der Unversehrtheit des Lebens abwägen. Wir haben uns für das Leben entschieden.“ 

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„Querdenker“ wollen bis vor das Verfassungsgericht ziehen

Die Organisatoren, die Stuttgarter Initiative Querdenken 711, will das Verbot nicht hinnehmen und hat einen Einspruch beim Berliner Verwaltungsgericht angekündigt.

„Wir gehen juristisch gegen die Entscheidung des Innensenators vor und gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht diesen feindlichen Angriff auf das Grundgesetz zurückweisen wird“, teilte der Initiator der Demonstration, Michael Ballweg, am Mittwoch mit. „Diese, wie die anderen Versammlungen von Querdenken in Berlin werden stattfinden.“

Bei dem Anti-Corona-Protest am 1. August kamen mehr als 20.000 Menschen in Berlin zusammen.
Bei dem Anti-Corona-Protest am 1. August kamen mehr als 20.000 Menschen in Berlin zusammen.

© imago images/Christian Spicker

Ballweg erklärte, die Initiative Querdenken habe „mehrere sehr gute Kooperationsgespräche mit der Polizei“ geführt, „in denen wir insbesondere die Problematik der Hygienekonzepte gut und kooperativ miteinander abgestimmt haben.“ Er fügte hinzu: „Ganz offensichtlich geht es dem Berliner Innensenator Andreas Geisel nicht um infektionsschutzrechtliche Befürchtungen, die seine eigene Polizeibehörde nicht teilt, sondern ausschließlich um die Gesinnung der Teilnehmer.“

Rechtsanwalt Ralf Ludwig, der nach Angaben des Demonstrations-Initiators Ballweg die Initiative vertritt, sagte am Mittwoch in einem im Internet verbreiteten Video: „Wir werden vors Verwaltungsgericht gehen, wir werden natürlich auch im Zweifel das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn nicht bereits auf Ebene des Verwaltungsgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts dieser Bescheid aufgehoben wird.“

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Ludwig betonte: „Wir gehen davon aus, dass die Versammlung am 29.8. stattfindet.“ Das Verbot sei eine „reine Gesinnungssache“. „Das heißt, dass man die Menschen, die demonstrieren wollen, nicht in Berlin haben will.“

Ballweg hatte in einer Erklärung mitgeteilt: „Wir gehen juristisch gegen die Entscheidung des Innensenators vor und gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht diesen feindlichen Angriff auf das Grundgesetz zurückweisen wird.

Drohungen gegen die Polizei

Ein Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte, man werde eine mögliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts abwarten und wenn nötig, dann auch den Rechtsweg bis zum Oberverwaltungsgericht gehen. Vorwürfe, das Verbot sei wegen der politischen Intention der Demonstranten erfolgt, wies er zurück: „Der Senat misst nicht mit zweierlei Maß. Es wird im Einzelfall entschieden. Es gibt nicht links erlauben, rechts verbieten. Das ist Unsinn.“

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„Wir werden sehen, wie die Gerichte dazu entscheiden“, sagte der Innensenator bei einer Pressekonferenz am Mittwochmittag. Es sprach davon, dass es den Demonstrierenden nicht darum geht, gegen die  Corona-Maßnahmen zu demonstrieren, sondern das sich deren Anliegen gegen „unsere Freiheitliche Demokratische Grundordnung“ richtet.

Er zeigte sich besorgt, dass es am Wochenende zu Gewalt kommen könnte. Es habe erhebliche Drohungen gegen seine Behörde und die Polizei im Zuge des Demoverbots gegeben. Das verdeutliche in seinen Augen das Gefährdungspotenzial des Teilnehmerspektrums.

„Die Berliner Polizei wird mit mehreren tausend Beamten in der Stadt unterwegs sein, auch mit Unterstützung aus anderen Bundesländern, um das Verbot am Wochenende durchzusetzen“, sagte Geisel. „Bewusste Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz lässt sich der Staat nicht gefallen, wir lassen uns nicht auf der Nase herumtanzen“

Die Berliner Polizei ist nach eigenen Angaben sowohl auf eine mögliche erlaubte Demonstration gegen die Corona-Politik wie auch auf Verstöße angesichts eines Demonstrationsverbots eingestellt. „Wir sind vorbereitet auf den Fall, dass ein Gericht die Verfügung wieder aufhebt und Kundgebungen durchgeführt werden. Wir sind dann positioniert und werden reagieren“, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. „Aber genauso sind wir vorbereitet für den Fall, dass sich entgegen der Verfügung versammelt wird. Wir werden das dann konsequent ahnden, weil es sich um Verstöße und Straftaten gegen das Versammlungsgesetz handelt, die wir verfolgen werden.“

Nachdem bei einer Großdemonstration am 1. August Zehntausende Corona-Gegner ohne Abstand und bewusst ohne Mund-Nasen-Schutz demonstriert hatten, war ein Verbot von weiteren Anti-Corona-Protesten wiederholt gefordert worden.

Verhalten bei Groß-Demo am 1. August gab den Ausschlag

Der Innenverwaltung zufolge habe die Versammlung von Anfang August den Ausschlag für die Entscheidung der Versammlungsbehörde gegeben. Wie bereits vor einigen Wochen hatte auch dieses Mal die Stuttgarter Initiative "Querdenken 711" in ganz Deutschland für die Proteste mobilisiert und Reisebusse gechartert.

"Die Anmelder der Versammlungen, die Anfang August in Berlin stattfanden, haben ganz bewusst die Regeln gebrochen, die sie vorher in Gesprächen mit der Polizei akzeptiert hatten", sagte Geisel. Dazu gehörten das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und das Einhalten des 1,5-Meter-Abstands. "Ein solches Verhalten ist nicht akzeptabel. Der Staat lässt sich nicht an der Nase herumführen", sagte der Innensenator.

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Laut einem Schreiben, das der Organisator der Demonstrationen, Michael Ballweg, an seine Unterstützer schickte, hat die Versammlungsbehörde alle Kundgebungen vom 28. August bis zum 6. September verboten - inklusive möglicher Ersatzversammlungen der Anmelder.

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Ballweg postete das in einer internen Chatgruppe. Demnach wurden die Demonstrationen nach Paragraf 15 des Versammlungsgesetzes untersagt. Dieser besagt, dass Demonstrationen verboten werden können, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist.

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In den zahlreichen Social-Media-Gruppen der "Querdenker" herrscht in Reaktion auf das Demo-Verbot eine regelrechte "Jetzt erst Recht!"-Stimmung.

So ruft unter anderem der in der Szene bekannte Aktivist und Verschwörungstheoretiker Oliver Janich in einer Sprachnachricht seine Anhänger dazu auf, sich ungeachtet des Verbots am Samstag in Berlin zusammenzufinden.

Gleiches verbreitet Attila Hildmann, veganer Kochbuch-Autor und antisemitischer Verschwörungstheoretiker, dessen regelmäßige Versammlungen bereits Ende Juli von der Innenverwaltung wegen Volksverhetzung und drohender Verletzung der Corona-Maßnahmen verboten worden ist.

Aufruf zu Gewalt im Netz

Ein User in der Telegram-Gruppe der Berliner „Corona-Rebellen“ schreibt: „Das war abzusehen, jetzt bloß nicht einschüchtern lassen! Jetzt erst recht nach Berlin“. Vielfach geteilt wird ein Bild mit der Aufschrift „Der Vorteil einer verbotenen Demo ist, es gibt keine Auflagen.“

Die Demo am 1. August musste wegen Verstößen gegen den Infektionsschutz beendet werden.
Die Demo am 1. August musste wegen Verstößen gegen den Infektionsschutz beendet werden.

© imago/Müller-Stauffenberg

Weitere Nutzer des Messengerdienstes Telegram ziehen zwischen dem samstäglichen Verbot der „Querdenken“-Demo Parallelen zur DDR. Der bekannte Musiker und Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo ließ über seinen eigenen Telegram-Kanal die Nachricht verbreiten „Was schlägt die Uhr: Dikatatur“.

Auch vor Gewalt wird nicht zurückgeschreckt. Auch Waffen seien ab jetzt zur Gegenwehr erlaubt, hieß es etwa im Messenger-Dienst Telegram. Es wird zum „Sturm auf Berlin“ angestachelt, rechtsextreme Influencer rufen zu Reisen in die Hauptstadt auf.

Berlin darf kein Campingplatz für Querdenker und Verschwörungstheoretiker werden

Innensenator Geisel kündigte zudem ein konsequentes Vorgehen der Polizei an, sollten sich am Samstag trotz Verbot große Menschenansammlungen bilden. „Ich bin nicht bereit ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird.

Ich erwarte eine klare Abgrenzung aller Demokratinnen und Demokraten gegenüber denjenigen, die unter dem Deckmantel der Versammlungs- und Meinungsfreiheit unser System verächtlich machen."

Der Innensenator äußerte sich in der Mitteilung außerdem zu angekündigten Zeltlagern in Berlin. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Berlin zu einem großen Campingplatz für vermeintliche Querdenker und Verschwörungsideologen gemacht wird.“

Die Versammlungseigenschaft eines Zeltlagers sei nach Auffassung der Versammlungsbehörde nicht gegeben, da anzunehmen sei, dass Zeltlager hauptsächlich für Übernachtungszwecke genutzt werden. (mit dpa)

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