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Entspannter Start in den Tag. Hospizgast Wilfried Körner (l.) beim Frühstück mit Pflegedienstleiterin Liane Kewitz-Bünger (m.) und Ehrenamtlerin Anna Hohmann (r.). Hier werden mögliche Aktivitäten für den Tag besprochen.

© Stefan Weger

Update

Erstes Tageshospiz Berlins für Erwachsene eröffnet: Tagsüber gepflegt, abends zu Hause

In Rudow gibt es jetzt ein Tageshospiz für Menschen, die die Nächte gerne zu Hause verbringen wollen. Eine große Hilfe für die Angehörigen.

Eine Mehrheit der Deutschen möchte gerne zu Hause sterben. Zu diesem Ergebnis kommen verschiedene Befragungen, unter anderem eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, laut der drei von vier Menschen ihren Lebensabend und auch die letzten Stunden gerne im Kreis ihrer Angehörigen verbringen wollen. Die Realität sieht allerdings oft anders aus. Fast jeder zweite stirbt im Krankenhaus, nur 20 Prozent in den eigenen vier Wänden.

In Berlin-Rudow versucht die Ricam Hospiz Stiftung auf die Wünsche der schwerkranken Patienten jetzt mit einem neuen Konzept einzugehen. Anfang Februar öffnete im Orchideenweg das erste Berliner Tageshospiz für bis zu acht Gäste am Tag seine Türen. Der Gedanke: Tagsüber können die Gäste im Hospiz gepflegt werden, abends werden sie wieder nach Hause gebracht, sind über Nacht bei ihrer Familie.

Zusätzlich gibt es im gleichen Haus auch zehn stationäre Plätze für Patienten, die weniger mobil sind. Neben dem Wohlbefinden der Gäste geht es vor allem um die Entlastung der pflegenden Angehörigen, die im Hospiz natürlich auch zu Besuch kommen können.

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„Manche Menschen kommen mit so einer Situation an ihre Grenzen. Wir wollen sie entlasten und laden sie hierher ein“, sagt Pflegedienstleiterin Liane Kewitz-Bünger. Wie wechselt man unkompliziert die Bettwäsche von jemandem, der unter Inkontinenz leidet? Auch für solche Fälle geben die Pflegerinnen und Pfleger im Hospiz ganz praktische Tipps.

Zeitersparnis durch Behandlungsmöglichkeiten vor Ort

Die Angebote für die Bewohner unterscheiden sich je nach Alter und Pflegezustand. „Erstmal gibt es ein leckeres Frühstück, bei dem die Gäste ihre Bedürfnisse und Wünsche äußern können“, sagt Kewitz-Bünger. Manch einer wolle sich tagsüber gerne ausruhen und eine Massage genießen, andere hörten sich lieber gemeinsam Konzerte an.

„Es gibt auch eine Wohlfühloase inklusive barrierefreier Badewanne mit Whirlpool-Funktion. Und natürlich haben wir medizinische Betreuung, wenn es etwa darum geht, spezielle Infusionen zu machen oder eine Schmerztherapie einzuleiten“, sagt sie. Das bedeute für die Patienten oft eine erhebliche Zeitersparnis, wie Phillip Freund, der zweite Pflegedienstleiter der Einrichtung, erklärt: „Für einen Katheterwechsel muss man sonst ins Krankenhaus und verbringt sechs, sieben Stunden im Wartezimmer. Wir können das zwischen Frühstück und Mittagessen hier vor Ort in einer freundlichen Atmosphäre erledigen.“

Außenaufnahmen des neuen Tageshospiz am 12. Februar 2020 im Orchideenweg in Rudow.
Außenaufnahmen des neuen Tageshospiz am 12. Februar 2020 im Orchideenweg in Rudow.

© Stefan Weger

Auch für jüngere Patienten gibt es im Hospiz Kapazitäten. Ab einem Alter von 18 Jahren können sich Gäste anmelden. Sogar ein Partyraum für Geburtstage steht zur Verfügung. Aber natürlich steht für die sterbenskranken Menschen und ihre Angehörigen die medizinische und pflegerische Betreuung im Vordergrund. „Entscheidend ist: Hier erfahren die Menschen Sicherheit. Es gibt hier nur geschulte Fachkräfte, sodass man auch bei schweren Erkrankungen weiß: Man wird aufgefangen“, sagt Freund.

Ehrenamtler bieten den Gästen Gespräche an

Gut aufgehoben im Hospiz fühlt sich der 88-jährige Wilfried Körner, einer des ersten Gäste der Einrichtung. Vergangenen Herbst war er wegen starker Schmerzen ins Krankenhaus gebracht worden. Die Diagnose lautete Magenkrebs. Ein Spezialist empfahl ihm das neueröffnete Hospiz. Am Frühstückstisch im großen Speisesaal erzählt er von ersten Erfahrungen: „Ich bin angenehm überrascht. Die Freundlichkeit des Personals ist für die Atmosphäre hier ganz wichtig.“ Auch seiner Frau habe die Einrichtung gefallen.

Nun besucht er das Rudower Tageshospiz jeden Mittwoch zwischen 10 und 16 Uhr. „Die Krankenkasse hätte auch häufigere Besuche bezahlt, aber meine Frau möchte ich lieber nur einmal in der Woche verlassen“, sagt er. Wie viele wöchentliche Besuche von den Kassen gewährt werden, hängt von einem ärztlichen Gutachten ab, in dem Krankheiten, persönliche Lebensumstände und die voraussichtliche Zeit der Unterbringung einzeln aufgeführt sind.
Neben ihm am Tisch sitzt Anna Hohmann, selbst Rentnerin, die den Gästen als ehrenamtliche Mitarbeiterin Gespräche anbietet. Sie hat zuvor bereits in einem anderen Hospiz gearbeitet, viele Schulungen gemacht. „Das Älterwerden und das Sterben sind für mich große Themen“, sagt sie. Darüber tauscht sie sich mit den Gästen gerne aus: „Das ist auch eine Konfrontation mit mir selbst. Ich weiß schließlich, dass meine eigene Zeit begrenzt ist.“
Kontakt für Interessenten, Ehrenamtliche oder Spender unter: info@ricam-hospiz.de. Telefon: 030 23 30 30 2

Kai Gies

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