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Vereidigung junger Polizisten: In der Polizei haben bereits 38 Prozent der Mitarbeiter Migrationshintergrund - in anderen Verwaltungen sieht es schlechter aus.

© picture alliance / Bernd von Jutrczenka/dpa

Exklusiv

Erster Vorstoß deutschlandweit: Berlin plant eine Migrantenquote von 35 Prozent für die Verwaltung

Noch vor der Wahl im Herbst will Rot-Rot-Grün ein entsprechendes Gesetz verabschieden: Migrationshintergrund wird als positives Einstellungsmerkmal eingeführt.

Als erstes deutsches Bundesland will Berlin eine Migrantenquote im öffentlichen Dienst einführen. Dem Tagesspiegel liegt exklusiv ein entsprechender Gesetzentwurf der Senatsverwaltung für Integration vor. Demnach ist eine Migrantenquote von 35 Prozent geplant, sie entspricht dem aktuellen Bevölkerungsanteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Berlin. Die Regelung ist Teil einer Neufassung des Partizipations- und Integrationsgesetzes.

Die Quote soll für die komplette Landesverwaltung und für alle Landesunternehmen wie BSR und BVG gelten, aber auch für Stiftungen, Staatsanwaltschaften und Gerichte. Das Gesetz soll möglichst noch bis zur Wahl im September vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen werden.

Berlins Senatorin für Arbeit, Integration und Soziales, Elke Breitenbach (Linke), sagte dem Tagesspiegel: „Wir haben den Anspruch, dass alle Menschen in dieser Stadt die gleichen Chancen haben. Strukturelle Diskriminierung nehmen wir nicht hin.“

Deshalb müsse man das Partizipations- und Integrationsgesetz auf „Grundlage der Erfahrungen in den vergangenen zehn Jahren“ reformieren. Die Vielfalt Berlins müsse sich in der öffentlichen Verwaltung widerspiegeln. „Festgelegte Regeln und eine klare Förderung in Form einer Quote sind nötig, damit mehr Menschen mit Migrationsgeschichte in der Verwaltung eingestellt werden.“

Dem Gesetzentwurf zufolge soll eine weiche Quote eingeführt werden, die sich nach dem Anteil der Migranten an der Gesamtheit der Berliner richtet – das sind heute 35 Prozent. Die Quote kann sich demnach auch flexibel erhöhen oder absenken. Sie soll erreicht werden, indem Migranten künftig bei Auswahl- und Einstellungsverfahren bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden, wenn sie in einer Verwaltung unterrepräsentiert sind.

Bislang sind nur 12 Prozent aller Mitarbeiter Migranten

Praktisch soll die Regel so funktionieren: Das Merkmal Migrationshintergrund wird – ähnlich wie bislang „Frau“ oder „Schwerbehindert“ – als positives Einstellungsmerkmal hinterlegt. Definiert ist das Merkmal so, dass jemand selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.

„Es ist keine harte Quote, sondern es geht darum, den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung zu erhöhen – und zwar verbindlich“, sagt Katarina Niewiedzial, Integrationsbeauftragte des Landes Berlin.

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Bislang wird der Anteil auf nur zwölf Prozent aller Verwaltungsmitarbeiter geschätzt, in einzelnen Behörden wie der Polizei liegt er mit 38 Prozent deutlich höher, in vielen dafür auch viel niedriger. Genaue Zahlen existieren bislang nicht, deshalb soll auch eine Erfassung der Menschen mit Migrationshintergrund im Öffentlichen Dienst erfolgen - allerdings freiwillig.

Juristisch betritt Berlin mit der deutschlandweit einzigartigen Regelung Neuland. Niewiedzial sieht die Quote aber durch deutsche und europäische Antidiskriminierungsgesetzgebung gedeckt. „Für unterrepräsentierte Gruppen dürfen positive Maßnahmen ergriffen werden, um sie zu fördern“, sagt sie.

„Wir arbeiten an einem Paradigmenwechsel in den Begrifflichkeiten“

Mit dem Gesetzentwurf will die Integrationsbeauftragte auch das Nachdenken und Sprechen über Migranten und Integration ändern – das Wort „Integration“ kommt zum Beispiel im gesamten Gesetz nicht mehr vor. „Wir arbeiten an einem Paradigmenwechsel in den Begrifflichkeiten“, sagt Niewiedzial. "Das Wort Integration ist nicht mehr zeitgemäß.“ Die gesamte Gesellschaft sei von Migration geprägt. „Deshalb spreche ich gerne von Migrationsgesellschaft.“

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Statt des bisher definierten „Migrationshintergrundes“ wird im Gesetz nun vielfach von „Personen mit Migrationsgeschichte“ geschrieben. Dieser Begriff soll nicht nur Menschen beinhalten, die statistisch betrachtet Migranten sind, sondern auch jene, die rassistisch diskriminiert werden und denen „nach eigenen Angaben ein Migrationshintergrund zugeschrieben“ wird. Das könne, heißt es in dem Gesetz, unter anderem durch Hautfarbe, Sprache, Namen oder Religion erfolgen.

"Wir wollen in dem Gesetz den aktuellen gesellschaftlichen Diskurs aufgreifen“, sagt Niewiedzial. Von der Quote im öffentlichen Dienst sollen aus juristischen Gründen aber nur Menschen profitieren, die auch statistisch als Migranten gelten.

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