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Hat deutliche inhaltliche Nähe zur SPD-Kandidatin Franziska Giffey: CDU-Kandidat Kai Wegner.

© dpa

Erste Runde der Berliner Spitzenkandidaten: Wegner und Giffey gleichen sich bis aufs Wort

Die Berliner Spitzenkandidaten zur Abgeordnetenhauswahl sind erstmals aufeinander getroffen. Deutlich wurde die neue Nähe von SPD und CDU.

Fünf Monate vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus nimmt der Wahlkampf in der Hauptstadt langsam Fahrt auf. Den endgültigen Auftakt zum Rennen um das Rote Rathaus markierte am Donnerstagabend das erste direkte Aufeinandertreffen der Spitzenkandidat:innen.

Auf Einladung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) diskutierten Franziska Giffey (SPD), Bettina Jarasch (Grüne), Kai Wegner (CDU) sowie die Berliner Linke-Vorsitzende Katina Schubert in Vertretung für den kurz davor terminlich verhinderten Klaus Lederer über die drängendsten Probleme der Stadt. Eine Veranstaltung, die eine Idee vermittelte, wer mit wem nach der Wahl koalieren könnte.

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Die Marschrichtung für eine harte Auseinandersetzung unter den aktuellen Koalitionsparteien hatte Franziska Giffey bereits zuvor vorgegeben. In einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der „Berliner Morgenpost“ griff die SPD-Spitzenkandidatin Linke und Grüne indirekt scharf an.

Giffey erklärte, sie bestehe auf dem Ausbau von fünf U-Bahnverbindungen, wolle das Scheitern des Mietendeckels in erster Linie durch erhöhte Bemühungen im Neubau kompensieren und den 16. Bauabschnitt der Stadtautobahn A100 so wie geplant weiterbauen. Darüber hinaus untermauerte Giffey das Vorhaben, den beiden anderen Koalitionsparteien die Ressorts Stadtentwicklung und Verkehr abnehmen zu wollen und künftig in einem von der SPD geführten Super-Ressort zu vereinen. Eine Kampfansage an die Koalitionäre.

Die Bruchlinien zwischen den Kandidat:innen treten offen zu Tage

Dafür verlief der erste direkte Schlagabtausch verhältnismäßig ruhig. Das dürfte auch am Format der Runde gelegen haben, bei dem es moderiert von der WZB-Wissenschaftlerin Pola Lehmann kaum zu direkten Rededuellen zwischen den Teilnehmern kam.

Dennoch traten die Bruchlinien zwischen den Kandidat:innen im Laufe der Diskussion offen zu Tage. Am stärksten polarisierte gleich das erste Thema: Die Wohnpolitik. Giffey bekräftigte erneut, dass es zwar auch Regulierungen für den Wohnungsmarkt geben müsse, der größte Hebel gegen steigende Mieten jedoch im Bau neuer Wohnungen liege. „Ohne die Vergrößerung des Angebots wird es nicht gehen. Der Neubau von Wohnungen ist ein ganz zentrales Instrument dafür“, sagte sie.

Franziska Giffey (SPD) steht bei der ersten öffentlichen Diskussionsrunde CDU-Mann Kai Wegner inhaltlich oft näher. (Archiv)
Franziska Giffey (SPD) steht bei der ersten öffentlichen Diskussionsrunde CDU-Mann Kai Wegner inhaltlich oft näher. (Archiv)

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Die SPD-Politikerin erklärte, dass sie dafür die Wohnungswirtschaft an einen Runden Tisch holen wolle. Ihr Vorbild sei in dieser Frage Hamburg. Dort habe der SPD-geführte Senat eine Senatskommission zu diesem Thema gegründet. „Ich glaube, dass dieses gemeinsame, konzertierte Vorgehen wichtig wäre. Für mich wäre das Chefinnensache.“ Entscheidend sei dabei das „Miteinander“ aller Seiten.

Unterstützung erhielt sie von Kai Wegner. Von Wohnungsrückkäufen durch das Land halte er nichts. „Wir sollten Wohnungen neu durch die städtischen Gesellschaften neu bauen, statt zurückzukaufen“, sagte der Spitzenkandidat der CDU. So löse man das Problem fehlenden Angebots und steigender Mieten zugleich. Teils knüpfte Wegner direkt an die Ausführungen Giffeys an. Sogar die Vokabeln waren die gleichen: Wie die SPD-Kandidatin sprach er vom „Miteinander“ zwischen Wohnungsbauwirtschaft und Land.

Jarasch und Schubert widersprechen Giffeys Baupolitik

„Die Regulierung durch Nachfrage und Angebot funktioniert nicht mehr in Berlin“, sagte Jarasch. Dafür sei das Ungleichgewicht zwischen Unternehmen und Mieter:innen ist zu groß. „Dass sich Menschen ihre Miete leisten können, wird im Bestand gelöst.“ Dafür brauche es mehr Mietregulierung.

Das Vorbild Hamburg tauge zudem nicht, so die Spitzenkandidatin der Grünen. „Das Bündnis scheitert dort daran für die Mittelschicht zu bauen.“ Die neu entstehenden Wohnungen an der Elbe seien für die meisten Menschen zu teuer.

Auch Schubert kritisierte die Haltung von Giffey und Wegner. Es fehle an Sozialwohnungen und für Menschen mit mittleren Einkommen. Dieses Problem werde der Markt nicht richten. „Genau diesen Menschen hat der Mietendeckel geholfen“, sagte die Landesvorsitzende der Linke. Nötig sei daher ein Mietendeckel auf Bundesebene. Daneben helfe als weiterer Schritt auch die Enteignung von Wohnungskonzernen, wie sie das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ fordere, erklärte Schubert.

Mit dieser Meinung wiederum blieb sie allein in der Runde. Auch Jarasch erklärte, dass die Grünen zwar „Ziel und Analyse“ mit den Initiatoren teile, rechtlich bei der Enteignung jedoch noch „sehr viele Fragen“ sehe.  „Die Menschen sollten nicht Hoffnungen in etwas setzen, dass sich nachher nicht umsetzen lässt“, sagte sie. Das habe der Mietendeckel auf Landeseben gerade erst gezeigt.

Bettina Jarasch (Bündnis 90/ Die Grünen) will im Herbst Regierende Bürgermeisterin werden. (Archiv)
Bettina Jarasch (Bündnis 90/ Die Grünen) will im Herbst Regierende Bürgermeisterin werden. (Archiv)

© imago images/tagesspiegel/Doris Spiekermann-Klaas/TSP

Als zweites großes Thema nahm sich die Runde die Verkehrspolitik vor. Hier zeigten sich die Trennlinien der vorangegangenen Debatte erneut. Giffey beschrieb ihre Vision von „einer Stadt, in der jeder sich so bewegen kann, wie er es möchte und braucht.“ Wieder sprach CDU-Kandidat Wegner fast wortgleich von einer Stadt, „in der jeder die Mobilitätsform wählen kann, die er möchte.“ Im Klartext heißt das: Bei allem Ausbau von öffentlichem Nahverkehr und Fahrradwegen, soll das Auto nicht zu sehr eingeschränkt werden.

Ein kleines Duell zwischen Giffey und Jarasch um die Zukunft des Verkehrs

Giffey verwies in diesem Zusammenhang besonders auf Teslas Giga-Factory im nahen Grünheide. Mit den dort produzierten Elektrofahrzeugen sollten die Berliner künftig durch die Hauptstadt fahren können.

Damit sei der Stadt nicht geholfen, entgegnete Jarasch. „Diese Verkehrswende funktioniert nicht, wenn man einfach nur Antriebstechnologien austauscht. Wir werden auch Platz neu verteilen müssen.“ Das könne nur bedeuten, dem Auto Flächen zu nehmen. Für viele Menschen sei das schon heute kein Problem, erklärte die Grüne. In Berlin fände „in Kulturwandel statt“. Nun gehe es darum, auch am Stadtrand ein gutes Fortkommen ohne Auto möglich zu machen.

Zumindest kurzfristig entwickelte sich um diese Fragen zwischen den beiden aussichtsreichsten Kandidatinnen doch noch so etwas wie ein Duell. „Ich bin dagegen, dass wir Leute erziehen“, sagte Giffey. „Wir müssen Angebote machen, dann werden die Menschen umsteigen.“ Die Bundesfamilienministerin verwies auf den von ihr geforderten Ausbau mehrerer U-Bahnlinien.

Jarasch konterte: „Es bringt gar nichts, wenn Sie den Menschen am Stadtrand suggerieren, sie bekämen überall eine U-Bahn.“ Mit solchen Strecken lasse sich der Nahverkehr in der nächsten Legislaturperiode nicht verbessern.

Giffey wollte direkt widersprechen. Doch nachdem sie zuvor Schubert ermahnt hatte, sie aussprechen zu lassen, verlangte die Linke-Politikerin nun das gleiche von Giffey gegenüber Jarasch. Ein weiterer Fingerzeig, wie die Sympathien vor der anstehenden Wahl verteilt sind.

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